"Dignitas Infinita"
Unfähig zur kritischen Selbstreflexion
Antwort auf das Vatikanschreiben "Dignitas Infinita"
Pressemitteilung Wir sind Kirche International, 15. April 2024
Wir sind Kirche International begrüßt, dass der Vatikan in seiner Erklärung "Dignitas Infinita" an die grundlegende und absolute Würde aller Menschen erinnert, die in unserer heutigen Welt auf vielfältige Weise bedroht und verletzt wird.
Es stellt sich jedoch die Frage, ob ein solches Dokument, an dem der Vatikan nach eigenen Angaben fünf Jahre lang gearbeitet hat, nicht auch die Möglichkeit geboten hätte, die Menschenwürde innerhalb der Kirche selbst zu erforschen. Es gibt viele Gelegenheiten in der Geschichte, bei denen die Kirche ganz anders gehandelt hat, zum Beispiel im Kampf gegen Ketzer, die "getötet wurden, um ihre Seelen zu retten". Der sexuelle Missbrauch durch Kleriker und andere kirchliche Mitarbeiter ist noch nicht vergessen und vor allem systemisch noch lange nicht ausreichend aufgearbeitet, so dass es sehr verwundert, wie wenig die Erklärung zu diesen kirchlichen Verbrechen gegen die Menschenwürde zu sagen hat.
Eine ähnliche Unfähigkeit zur kritischen Selbstreflexion zeigt sich in den Aussagen zur "Gewalt gegen Frauen": Mit Verweis auf Papst Johannes Paul II. wird die "tatsächliche Gleichheit der Rechte der menschlichen Person" gefordert und damit u.a. "gleicher Lohn für gleiche Arbeit" und "faires berufliches Fortkommen", aber mit keiner Silbe wird erwähnt, dass es genau dies in der katholischen Kirche nicht gibt und dass die Kirche Frauen ausgrenzt und diskriminiert, indem sie sie vom Weiheamt und damit von den höchsten Führungsämtern ausschließt.
Der Ansatz des Vatikans besteht darin, das Geschlecht ausschließlich anhand der körperlichen Erscheinung einer Person zu definieren. Der Versuch des Dokuments, die Menschenwürde zu wahren und zu verteidigen, wird durch seinen verblüffenden Mangel an Bewusstsein für das tatsächliche Leben von transsexuellen und nicht-binären Menschen geschwächt. Die Geschlechtsidentität ist keine Entscheidung des Einzelnen, sondern beruht auf der Entdeckung, wer Gott jeden von uns geschaffen hat, und berücksichtigt andere Faktoren als die körperliche Erscheinung eines Menschen. Es ist dringend notwendig, sich diesem Thema mit weniger ideologischen Vorurteilen und mehr moderner Offenheit und Wissenschaftlichkeit zu nähern.
Vielleicht tröstet uns der Titel des Dokuments: "Dignitas infinita" ist ein Verweis darauf, dass die Menschenwürde unendlich ist, könnte aber auch so verstanden werden, dass die Lehre der Kirche über die Menschenwürde noch nicht zu Ende gedacht ist.
Colm Holmes, Vorsitzender Wir sind Kirche International
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Dr. Martha Heizer, Stellvertretende Vorsitzende Wir sind Kirche International
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Wir sind Kirche International (WAC) wurde 1996 in Rom gegründet und ist ein weltweiter Zusammenschluss von nationalen Kirchenreformgruppen. Sie setzt sich für die Erneuerung der römisch-katholischen Kirche auf der Grundlage des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) und des daraus entwickelten theologischen Geistes ein.
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Zuletzt geändert am 17.04.2024