Familien-Synode in Rom (Ende)
Familiensynode: Konkrete Enttäuschung – synodale Erwartung
München/Rom, 30. Oktober 2015
Deutlich enttäuscht über die mangelnde Konkretheit des Abschlusspapiers „relatio finalis“ setzt jetzt die KirchenVolksBewegung darauf, dass mit den beiden von Papst Franziskus einberufenen Synodenversammlungen ein Prozess kollegialer Meinungsbildung und Entscheidungsfindung in der römisch-katholischen Kirche eingeleitet worden ist, der hoffentlich nicht mehr zu stoppen sein wird.
Die Bischöfe in aller Welt, vor allem aber die Bischöfe im deutschsprachen Raum sollten sich noch viel deutlicher als bisher und geschlossen Papst Franziskus unterstützen und sich zu einem konsequenten Reformkurs bekennen. Sie stehen jetzt in der Pflicht, das synodale Element auf allen kirchlichen Ebenen auch in ihren Ländern zu praktizieren, wie es z.B. die „Würzburger Synode“ vor 40 Jahren getan hat. Ein nächster wichtiger Schritt wird der Ad limina-Besuch der deutschen Bischöfe vom 16. bis 21. November 2015 im Vatikan sein.
Wir sind Kirche begrüßt die Wiederbelebung einer lebendigen Synodalität und sieht dabei die Notwendigkeit der Zusammenarbeit aller Reformkräfte auf dem Kurs des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) als aktueller und notwendiger denn je an. Die Synode besteht weiter und muss weiter gehen!
Die Annahme aller Abschnitte der „relatio finalis“ mit einer manchmal zwar sehr knappen Zweidrittel-Mehrheit zeigt, dass Kompromisse gelungen sind, deren Tragfähigkeit sich aber erst noch wird erweisen müssen. Diese Kompromisse waren aber nur möglich, weil zu kontroverse Themen ausgeklammert und keine konkreten Schritte beschlossen wurden. Damit wurden aber auch vorschnelle Festlegungen vermieden und sind hoffentlich Weiterentwicklungen möglich.
- Der sehr allgemein gehaltene und wenig aussagekräftige Text lässt nur allzu deutlich erkennen, wie wenig Klarheit und Einheitlichkeit über die Theologie der Ehe und die Ehe- und Familienpastoral vorhanden ist. Die Synode war nicht bereit, den prekären Gedanken des Ehesakraments wenigstens zu differenzieren oder das Ideal der Unauflöslichkeit von seiner gnadenlosen Verrechtlichung zu befreien.
- Konkrete Handlungsanweisungen für die pastorale Praxis werden nicht gegeben. Zu Regelungen für eine Wiederzulassung ringt sich die Synode nicht durch. Der grundsätzliche Ausschluss von den Sakramenten für geschiedene Wiederverheiratete bleibt bestehen. Von Barmherzigkeit und Gerechtigkeit ist nicht die Rede, noch steht das Gesetz höher als der Mensch.
- Eine positive Würdigung der ganzen Breite der menschlichen Sexualität kommt nicht vor. An der Enzyklika Humanae Vitae wird halbherzig festgehalten, die Ehelehre von Johannes Paul II. erneut beschworen. Die Bemerkungen zur Gendertheorie sind inakzeptabel. Die Würdigung von Homosexualität und homosexueller Partnerschaft unterbleibt. Die Kirche schweigt zur Diskriminierung, Verfolgung und Tötung von Homosexuellen in vielen Ländern und macht sich so mitschuldig; einige Bischöfe halten staatliche Verfolgung gar für gerechtfertigt.
- Viel zu wenig Augenmerk wurde darauf gelegt, dass die Diskriminierung von Frauen in der Kirche dazu beiträgt, die Missachtung und Misshandlung von Frauen in vielen kulturellen Kontexten zu stützen. Diesen Zusammenhang haben die Bischöfe nicht verstanden, auch das ist eine Botschaft der Synode. Viel zu wenige Frauen und Ehepaare konnten innerhalb der Synodenversammlung mitreden, geschweige denn mitentscheiden. Die Sicht der jungen Menschen, die die Zukunft der Kirche sind, wird ausgeklammert. Die Erfahrungen der Priester, die geheiratet haben, sind nicht gefragt.
- Die zuversichtlich stimmende Bitte der deutschsprachigen Arbeitsgruppe um Vergebung wurde nicht in das Schlussdokument aufgenommen.
- In der „relatio finalis“ werden eine rigoristische Sprache und der Begriffs „objektiver Stand der Sünde“ für geschiedene Wiederverheiratete vermieden. Das große Wort der „Barmherzigkeit“ hat seine Wirkung auf Haltung und Intentionen der meisten Synodenmitglieder nicht verfehlt.
- Betont wird die besondere Wertschätzung des Gewissens und der Notwendigkeit einer „differenzierten Pastoral“. Vor-, außer- und zivileheliche Beziehungen werden wenigstens indirekt geduldet, wenn auch als Vorstufen zur christlichen Ehe relativiert.
- Die „Berufung der Familie“ wird anderen „Berufungen“ gleichgestellt. Bislang wurde von „Berufung“ nur bei Priestern und Ordensleuten gesprochen. Dies bedeutet eine erste Aufwertung von Ehe und Familie.
- Die einstimmig verabschiedeten drei Texte der deutschen Sprachgruppe, der auch der Präfekt der Glaubenskongregation Kardinal Gerhard Ludwig Müller angehörte, sind ein Signal, dass theologische Weiterentwicklung nötig und möglich ist. In Zukunft werden aber theologische Expertisen und humanwissenschaftliche sowie lebenspraktische Erkenntnisse in noch sehr viel stärkerem Maße einzubeziehen sein.
- Die dreiwöchigen Verhandlungen in der Synodenversammlung haben deutlich gemacht, dass die kulturellen Unterschiede zwischen den verschiedenen Teilen der Welt trotz eines gemeinsamen Glaubens groß sind. Dies ist als Chance für eine bessere Inkulturation des Christentums in den verschiedenen Teilen der Weltkirche zu sehen und zu nutzen.
- Der Hardliner Kardinal Pell meint zwar: Der Synodenbeschluss wird missverstanden. Das „Forum internum“ des Gewissens, auf das der Text verweist, könne „nicht verwendet werden, um objektive Wahrheiten zu verneinen“.
- Demgegenüber aber nimmt Papst Franziskus in seiner Abschlussansprache eindeutig Stellung: „Die Erfahrungen der Synode ließen uns besser erkennen, dass die wahren Verteidiger der Lehre nicht diejenigen sind, die die Buchstaben bewahren, sondern ihren Geist, nicht die Ideen, sondern die Menschen, nicht die Formeln, sondern die Unentgeltlichkeit von Gottes Liebe und Vergebung.“
Und er verurteilt „die geschlossenen Herzen, die sich oft sogar hinter der Lehre oder guten Absichten der Kirche verstecken, um auf dem Stuhl des Mose manchmal mit Überlegenheit und Oberflächlichkeit über schwierige Fälle und verwundete Familien zu Gericht zu sitzen“. - Der griechisch-melkitische Patriarch Gregoire III. Laham sieht im Umgang mit geschiedenen Wiederverheirateten einen größeren Ermessensspielraum für den jeweiligen Ortsbischof, „mit und für den Menschen“ zu vermitteln, wie es Papst Johannes XXIII. gesagt hat. Jetzt gelte es, die Synode in die Pfarreien hinauszutragen.
- Die deutschsprachige Arbeitsgruppe der Synode hat einstimmig erklärt: „Im falsch verstandenen Bemühen, die kirchliche Lehre hochzuhalten, kam es in der Pastoral immer wieder zu harten und unbarmherzigen Haltungen, die Leid über Menschen gebracht haben, insbesondere über ledige Mütter und außerehelich geborene Kinder, über Menschen in vorehelichen und nichtehelichen Lebensgemeinschaften, über homosexuell orientierte Menschen und über Geschiedene und Wiederverheiratete.“
Die 14. Ordentliche Synodenversammlung ist beendet, aber die Synode der Bischöfe, die vor genau 50 Jahren von Papst Paul VI. als dauerndes kollegiales Leitungsgremium eingesetzt worden ist, geht permanent weiter. Auch das Kirchenvolk muss sich bewusst werden, dass das „gemeinsame Priestertum aller Getauften“ nicht nur der Kirchenleitung, sondern allen die Verantwortung für die Zukunft der Kirche auferlegt. Die Bischöfe weltweit sind jetzt gefordert, die zarten Pflänzchen Barmherzigkeit und Gerechtigkeit zu gießen und das Feld nicht den Hardlinern zu überlassen, die durch ihre Hartherzigkeit die frohe Botschaft von einem Gott, der alle Menschen liebt, verraten.
Die Teilnehmer der deutschen Bischofskonferenz betonen in ihrer Schlusserklärung, dass die Bischofssynode „Handlungsperspektiven eröffnet und Impulse zum theologischen Weiterdenken gegeben habe.“ Nun sind sie gefordert, ihren Worten Taten folgen zu lassen. Die Rücksicht auf eine weltweite Kirche kann und darf nicht dazu führen, dass um einer vermeintlich vorgegebenen „ewigen Wahrheit“ willen der Mensch auf der Strecke bleibt.
Letztendlich, so will es die im Kirchenrecht festgeschriebene hierarchische Struktur der römisch-katholischen Kirche, wird es nun von Papst Franziskus abhängen, was er mit diesem Ergebnis anfangen wird. Es bleibt die Hoffnung, dass er im Sinne der Glaubwürdigkeit und der dringend notwendigen Reformen ein hoffnungsvolles Machtwort sprechen wird. Andernfalls würde sich der Zerfallsprozess in der Kirche weiter fortsetzen und noch beschleunigen.
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Zuletzt geändert am 30.10.2015