Kirchenträume

Ich träume von einer Kirche, der die alltägliche und selbstlose Liebe wichtiger ist als die Lehren aus dem Katechismus und die Normen des Kirchenrechts.

Ich träume von einer Kirche, die nicht immer auf die Antworten aus Rom war- tet, sondern sich auf den schöpferischen Geist verläßt, der allen Christen, Män- nern und Frauen, gegeben ist.

Ich träume von einer Kirche, die die Gleichheit aller Christen durchsetzt, die Würde der Frau sichtbar macht und endlich allen Klerikalismus überwindet.

Ich träume von einer Kirche, in der man nicht in Rom Bischöfe ernennt, die das Volk Gottes nicht annimmt und die am Ende weder der Wahrheit noch der Einheit dienen.

Ich träume von einer Kirche, die sich von den Menschen in Pflicht nehmen läßt: von den Armen und Kranken, von den Flüchtlingen, von den wiederverhei- rateten Geschiedenen, von den ungeborenen Kindern, von den Hungernden in der weiten Welt, von der nach Sinn verlangenden Jugend.

Ich träume von einer Kirche, die in der Verkündigung und in der Feier der Li- turgie eine Sprache spricht, die zumal die jungen Menschen verstehen.

Ich träume von einer Kirche, die weder im Vatikan noch in den Ordinariaten meint, meinen Glauben bevormunden zu müssen.

Ich träume von einer Kirche, die zu feiern und zu beten versteht, die mit mir lachen und trauern kann, immer in Gemeinschaft mit allen Menschen.

Ich träume von einer Kirche des Amtes, die es der Wahrheit und Einheit wegen immer geben wird, die aber weiß, daß Autorität mit Liebe übersetzt werden muß und daß Amt nichts anderes als Dienst meint.

Ich träume von einer Kirche, die eine anziehende und wärmende Gemeinde ist und jeden einlädt und umschließt, der sich der armen und notleidenden Men- schen wegen aufreibt.

Ich träume von einer Kirche, die das Wunder der Menschwerdung Gottes in vielen Wahrheiten bezeugt und auf vielen Glaubenswegen ausschöpft.

Ich träume von einer Kirche, die aus der Kraft des Heiligen Geistes die Span- nungen aushält, die Konflikte bearbeitet und mit allen gemeinsam einen Weg der Liebe sucht und sich weisen läßt.

IA träume von einer Kirche, die Hoffnung hat für die Welt und für einen jeden Menschen, weil sie den in ihrer Mitte hat, der alle Hoffnung begründet.

Ich träume von einer Kirche, die mich am Ende meines Lebens begleitet und mir in meinen letzten Atemzug hineinruft: Du wirst ewig leben.

P. Roman Bleistein SJ

geboren am 26. Juni 1928
gestorben am 17. August 2000

Zuletzt geändert am 28­.07.2006