Drei Jahre Papst Franziskus
„Der Epochenwechsel ist eingeleitet, aber noch lange nicht vollendet“
Die KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche ruft angesichts des dritten Jahrestags der Wahl von Papst Franziskus alle kirchlichen Verantwortungsträger dazu auf, den konsequenten Reformkurs auf der Linie des Zweiten Vatikanischen Konzils mit aller Kraft zu unterstützen und den erstarkenden innerkirchlichen Widerständen entgegenzuwirken.
Franziskus ist es gelungen, ein weltweites beachtetes neues „aggiornamento“ rechtzeitig zum 50. Jahrestag des Endes des Zweiten Vatikanischen Konzils einzuleiten. In kurzer Zeit hat Papst Franziskus innerkirchlich wie weltpolitisch entscheidende Akzente gesetzt, die notwendig sind, aber kaum jemand für möglich gehalten hätte. Nach der Überbetonung der Rechtgläubigkeit (Orthodoxie) liegt der Fokus jetzt auf dem konkreten Handeln aus dem Geist und dem Anspruch des Christentums (Orthopraxie). Durch seine Authentizität hat Franziskus dem Papstamt ganz neue Autorität gegeben als moralische Stimme, die auch außerhalb der Christenheit wahrgenommen wird.
Bei der Bewertung der ersten drei Jahre des Pontifikats von Franziskus ist vor allem zu fragen, wieweit die römische Kurie, die Kardinäle und die Bischöfe – das gilt auch für die deutschen – dem von Franziskus vorgegebenen Kurs des Konzils bisher gefolgt sind oder nicht. Mit großer Sorge sieht Wir sind Kirche, dass vielen Reformimpulsen starker und hinhaltender Widerstand entgegengesetzt wird – mit fatalen Folgen für die gesamte Kirche. Das 35-jährige polnisch-deutsche Doppelpontifikat wirkt noch immer nach und bremst den Aufbruch. Deshalb ist es so wichtig, dass sich alle Reformkräfte mit ganzer Kraft für die dringend notwendigen innerkirchlichen Strukturreformen einsetzen. Die deutschen Bischöfe, allen voran Kardinal Reinhard Marx als päpstlicher Berater bei der Kurienreform, tragen erhebliche Mitverantwortung daran, dass die zukunftsträchtigen Impulse von Franziskus greifen können.
Franziskus wählt bewusst den „Synodalen Weg“, statt Entscheidungen „von oben“ zu fällen:
- Die beiden Bischofssynoden 2014 und 2015 in Rom haben ein neues Kapitel der Kirchengeschichte eingeläutet – trotz aller Enttäuschung über noch fehlende konkrete Ergebnisse. Sie haben gezeigt, wie die synodale und partizipative Tradition wieder innerhalb der römisch-katholischen Kirche zur Geltung kommen kann. Mit Spannung wird das für den 19. März 2016 angekündigte Postsynodale Schreiben des Papstes zur Familien-Synode erwartet. Zu hoffen ist, dass Wege für geschiedene Wiederverheiratete eröffnet werden, die mit seelsorglicher Begleitung den Betroffenen helfen, in selbstverantworteter Gewissensentscheidung ihre Situation vor Gott zu klären.
- Das „Heilige Jahr der Barmherzigkeit“ verkündet ein Gottesbild, das in der viel zu sehr verrechtlichten Kirche schmerzlich vermisst wurde. Allerdings erscheint auch Franziskus das Ausmaß der gegenwärtigen „Gotteskrise“ noch nicht bewusst zu sein. Umrisse einer zeitgemäßen Gottesvorstellung und die daraus folgende grundlegende Korrektur der Rede von Gott wären dringend erforderlich.
- Der von Papst Benedikt eingeleitete weltweite Kampf gegen sexualisierte Gewalt und deren Vertuschung ist trotz intensiver Bemühungen noch lange nicht abgeschlossen (siehe aktuell Bistümer Regensburg und Hildesheim). Möglicherweise sind noch weitere Rücktritte auf höchster Ebene fällig, wenn Papst Franziskus auf dem Rückflug von Mexiko sagte: „Ein Bischof, der einen Priester aus einer Pfarrei versetzt, wenn dieser als Pädophiler bekannt ist, handelt verantwortungslos, und das Beste, was er tun kann, ist, seinen Rücktritt einzureichen!“
- Die weltweit beachtete Umwelt- und Sozialenzyklika „Laudato si‘“ ist ein Meilenstein in der Tradition päpstlicher Sozialverkündigung, hat allerdings noch „blinde Flecken“ in der Frauenfrage sowie bei der Familienplanung und der Bevölkerungspolitik.
- In der Ökumene hat Franziskus die Christen ermuntert, nicht auf Theologen zu warten, und um Vergebung für das Unrecht gebeten, das Katholiken den Angehörigen anderer christlicher Konfessionen zugefügt haben.
- Die differenzierten Aussagen von Papst Franziskus bezüglich der Möglichkeit von Empfängnisverhütung nach einer ZiKa-Virusinfektion zeigen, dass auch in ethischen Fragen eine Weiterentwicklung der katholischen Lehre möglich und notwendig ist.
- In der Zölibatsfrage und den daraus resultierenden eucharistielosen Gemeinden liegt es an den Bischofskonferenzen, konkrete Vorschläge zur Lösung der Notlagen zu liefern, so wie Papst Franziskus es erwartet.
- Für Frauen gibt es erst vage Zeichen einer neuen Ära der Öffnung. Franziskus spricht sich zwar immer wieder für Frauen in Führungspositionen aus, hält aber die von Johannes Paul II. geschlossene Tür zur Frauenordination weiterhin verschlossen. Dies mag auch durch die fundamentale Kritik von Franziskus an jeder Art von Klerikalismus in der Kirche begründet sein. Die Kirche wird sich aber – vor allem im ökumenischen Gespräch – in dieser Frage nicht nur apodiktisch, sondern argumentativ äußern müssen.
- Was leider noch gänzlich fehlt, sind Anzeichen für eine Reform der Theologie angesichts der Herausforderungen durch die Erkenntnisse der modernen Naturwissenschaften, der Soziologie, der Psychologie, der Hirnforschung und der Philosophie. Hier ist vor allem die Kongregation für die Glaubenslehre gefordert, die von Franziskus entsprechende Vorgaben erhalten sollte.
- Auch die Ergebnisse der historisch-kritischen Bibelexegese sind noch längst nicht in die kirchliche Verkündigungspraxis übernommen.
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Zuletzt geändert am 09.03.2016