Postsynodales Schreiben „Amoris laetitia“
„Die Verantwortung liegt jetzt bei den Bischöfen, Theologen und Ortskirchen“
Erste Einschätzung des Papstschreibens zur Familie von Wir sind Kirche
Die KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche sieht das heute veröffentlichte Papstschreiben „Amoris laetitia“ als Weichenstellung für die dringend notwendige Fortentwicklung der katholischen Sexualethik, Pastoral und Familientheologie. Mit diesem Schreiben ist der auf Linie des Zweiten Vatikanischen Konzils liegende Epochenwechsel auch in der Sexualethik eingeleitet. Jetzt sind vor allem die Ortskirchen unter Einbeziehung der theologischen Wissenschaften und aller Gläubigen in der Pflicht, die von Franziskus gesetzten Grundlinien, Impulse und Gestaltungsspielräume aufnehmen und weiterzuführen.
Das Schreiben ist von Aufbau, Stil und Inhalt her eine erfreuliche Abkehr vom bisherigen rigoristischen Gesetzesdenken der katholischen Sexuallehre hin zu einer Sichtweise der Barmherzigkeit, die sich zu Recht auf das beispielhafte Handeln Jesu‘ berufen kann. Papst Franziskus nimmt bewusst – was manche bedauern werden – noch keine offensichtlichen Korrekturen der Dogmatik vor. Doch deren Diskrepanz zur evangeliumsgemäßen Botschaft der Barmherzigkeit und zum pastoralen Ansatz von Papst Franziskus werden immer deutlicher und zeigen, wie notwendig künftig auch Korrekturen und Weiterentwicklungen in der Dogmatik und im Kirchenrecht sein werden.
Mit der entscheidenden Aussage, „dass nicht alle doktrinellen, moralischen oder pastoralen Diskussionen durch ein lehramtliches Eingreifen entschieden werden müssen“ (Nr. 3), gibt Papst Franziskus der Kirche die Freiheiten des Dialogs und der Entwicklung der Lehre zurück, die viele Vorgängerpäpste über die Maßen beschnitten hatten. Die „Reflexion der Hirten und Theologen“, also auch der theologischen Wissenschaften wird ausdrücklich und positiv gefordert (Nr. 2). Mit diesem Schreiben und der von Papst Franziskus intendierten Dezentralisierung stehen jetzt vor allem die Bischöfe in aller Welt in der Verantwortung, „in jedem Land oder jeder Region besser inkulturierte Lösungen“ zu suchen (Nr. 3).
Die deutschen Bischöfe sind jetzt gefordert, z.B. bezüglich des Kommunionzugangs für geschiedene Wiederverheiratete Wege für eine angemessene Einzelentscheidung zu entwickeln, die nicht vom jeweiligen Gemeindepriester abhängig sein darf. Kein Bischof, kein Pfarrer kann sich mehr auf Rom berufen, wenn er geschiedenen Wiederverheirateten die Kommunion verweigert (Nr. 243). Die Königsteiner Erklärung der deutschen Bischöfe, die nach der Enzyklika "Humanae vitae" Eheleuten auch in der Frage der Empfängnisverhütung eine Gewissensentscheidung zugebilligt hat, wird durch "Amoris laetitia" eindeutig bestätigt (Nr. 222).
Enttäuschend – auch im Vergleich zu seinen früheren Äußerungen - ist, dass sich Franziskus nur indirekt an homosexuelle Menschen wendet (Nr. 250) und für die Kirche keine Möglichkeit sieht, für homosexuelle Lebensgemeinschaften Analogien zu Ehe und Familie herzustellen (Nr. 251). Bemerkenswert ist aber die Aussage, dass die Kirche auch in anderen Formen der Vereinigung, die dem christlichen Ideal der Ehe widersprechen, die dort vorhandenen „konstitutiven Elemente“ würdigt (Nr. 292).
Einige weitere bemerkenswerte Aspekte:
Die Kirche fühlt sich zur Gewissensbildung berufen, erhebt aber nicht den Anspruch das Gewissen zu ersetzen (Nr. 37).
Die große Vielfalt familiärer Situationen, die einen gewissen Halt bieten können,, werden anerkannt (Nr. 52).
Jegliche Form von Unterordnung der Frauen, für die oft der Apostel Paulus als Kronzeuge genommen wurde, wird zurückgewiesen (Nr. 156).
Gewarnt wird, den Zölibat nicht als „bequeme Einsamkeit“ selbstbestimmter Freiheit zu nutzen (Nr. 162).
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Zuletzt geändert am 08.04.2016