12.1.2010 - "Neue Westfälische" Bielefeld
Erzbistum reagiert auf Priestermangel
VON MARIUS GIESSMANN
Bielefeld. DieErneuerungbegann mit einem Verwaltungsakt. Anfang des Jahres trat das Zirkumskriptionsgesetz des Paderborner ErzbischofsHansJosef Becker in Kraft, das die Zusammenlegung einzelner Pastoralverbünde vorsieht. Bis 2014 werden aus den acht Verbünden Bielefelds hierdurch drei „pastorale Räume“. Das soll die katholische Kirche zukunftsfähig machen – mit Auswirkungen auf ihre inhaltliche Arbeit.
„Wir wollen uns nicht aus der Fläche zurückziehen“, sagt Regionaldechant Klaus Fussy. „Aber die Gemeindearbeit wird sich neu gestalten müssen.“Neu sind auch deren Rahmenbedingungen. Aktuell verteilen sich in Bielefeld etwa 55.000 Gläubige auf 18 Gemeinden, die in acht Pastoralverbünden organisiert sind. Diese sollen in den kommenden vier Jahren auf drei reduziert werden.
Die Pastoralverbünde Schildesche- Jöllenbeck, Bielefelder Westen und Mitte werden zu einemmit Sitz ist in St.Jodokus zusammengefasst. St. Hedwig in Heepen wird Sitz des zweiten Raumes, der die Verbünde Mitte-Nord-Ost, Ost und Mitte-Ost umfasst. Die Verbünde Senne und Brackwede- Quelle-Ummeln werden in Herz Jesu in Brackwede zusammengefasst. 2025 soll es dann nur noch einem pastoralen Raum mit Sitz in St. Jodokus geben.
Nach Fussys Aussage machen verschiedene Faktoren diese Reorganisation nötig. „Hauptgrund ist der aktuelle Priestermangel sowie der Mangel an Hauptamtlichen“, sagt er. Das aus der Zusammenlegung resultierende Einsparpotenzial sei hingegen nicht ausschlaggebend gewesen. „Dessen Höhe lässt sich noch nicht benennen“, sagt er. „Aber auch, wenn es das nicht gäbe, müssten wir über eine Neuordnung nachdenken.“
Eine Neuordnung, die nach Ansicht von Manfred Dümmer, Sprecher der Bistumsgruppe „Wir sind Kirche“, fatale Folgen haben könnte. „Auf Dauer ist das von den Priestern einfach nicht zu leisten“, mahnt er mit Blick auf den wachsenden Arbeitsumfang. „Das ist nur eine Frage der Zeit, bis die ersten total ausgepowert sind.“ Zudem wachse durch die Zusammenlegung der Anteil administrativer Arbeit für die einzelnen Pfarrer immens. „Wir müssen weg von diesem priesterzentrierten Denken“, empfiehlt der Kritiker und entwirft alternative Ansätze, wie die Gemeindeleitung in Zeiten von wachsendem Personalmangel organisiert werden könnte. „Warumsollen nichtauch ambitionierte Laien wie Gemeindereferenten oder Diplom-Theologen eine Gemeinde leiten können?“, fragt er und antwortet selbst: „Weil eine solche Neuerung nicht vorgesehen ist.“
Fussy seinerseits hofft im Zuge der Neuordnung auf Impulse für neuere, zeitgemäße Angebote in der Gemeindearbeit. „Die Erwartung an das, was Kirche ist, haben sich geändert“, sagt er. „Darauf müssen wir reagieren.“ Diese Reaktion soll die klassische Gemeindearbeit jedoch nicht überflüssig machen. Möglichst viele der wohnortnahen Angebote sollen solange erhalten bleiben, wie es die kontinuierlich sinkende Anzahl von Priestern erlaubt. Aktuell leisten rund 30 Priester, Gemeindereferenten und Diakone die seelsorgerische Arbeit in den BielefelderGemeinden.
„Wir müssen aber auch einen Weg finden, den vielen Menschen zu begegnen, die auf der Suche nach Orientierung sind“, sagt Fussy. Seine Aussagen, wie diese Begegnungen aussehen können, bleibt er vage. Fussy: „Bis jetzt muss es sich sogar vage anhören, weil noch nichts entschieden ist.“ Zu diesem Zweck hat das Dekanat für ihre Pfarrgemeinderäte bis Ostern sechs Veranstaltungen organisiert. Thema: Die künftigen Werkzeuge der Gemeindearbeit.
Wie dem herrschenden Priestermangel entgegengewirkt werden kann, könnte auch Thema sein. Für Dümmer und seine Gruppe ist die Antwort einfach. „Es müssen komplett neue Zugänge zum Priesteramt geschaffen werden“, lautet die Forderung. Seit Jahren werben die Kirchenkritiker für die Zulassung von Frauen zum Priesterdienst undfür die Abschaffung des Zölibats – ohne Erfolg. „Momentan ist das leiderimmer noch unvorstellbar“, sagt Dümmer. „Dabei wäre es dringend nötig.“
Neuaufbau von unten
Bei einem Pfarrverband werden kirchen- und vermögensrechtlich selbstständige Gemeinden zu einer neuen Einheit zusammengeschlossen. Sie erhalten ein gemeinsam verantwortliches Seelsorge- Team, das von einem Pfarrer geleitet wird. Diese Umstrukturierung findet auf diözesaner Ebene statt. Im Unterschied zu der schon seit längerer Zeit üblichen Mitverwaltung mehrerer Pfarreien durch einen Priester ist das Konzept der Pfarrverbände eine grundlegende Neuerung. Der Pfarrverband löst die Pfarreien als untere pastorale Ebene ab. Die Pfarreien bleiben zwar juristisch erhalten, sind jedoch zu umfassender Kooperation aufgerufen, so dass der Pfarrverband als Ganzes die Fülle der kirchlichen Dienste organisiert.
Zuletzt geändert am 18.01.2010