27.4.2011 - KNA
Geißler:Johannes Paul II. hat die Armen verraten
Bonn 27.04.2011 (KNA) Vor der Seligsprechung von Papst Johannes Paul II. hat der frühere CDU-Generalsekretär Heiner Geißler scharfe Kritik an der Amtsführung des polnischen Papstes geäußert. "Seine Haltung zur Befreiungstheologie hat der Volkskirche Lateinamerikas sehr geschadet. Er hat die Armen regelrecht verraten", sagte Geißler der in Bonn erscheinenden Wochenzeitung "Christ und Welt", die der "Zeit" beiliegt.
Der CDU-Politiker schloss sich einem internationalen Appell von Theologen und Bischöfen an, der gegen die "Seligsprechung von oben" für Johannes Paul II. protestiert und zugleich eine "Heiligsprechung von unten" für den salvadorianischen Erzbischof Oscar Romero (1917-1980) ausruft. Unterzeichnet wurde er unter anderem von den Theologieprofessoren Friedhelm Hengsbach, Gotthold Hasenhüttl, Hans Küng, Sabine Demel, Dietmar Mieth, Elisabeth Schüssler Fiorenza und Hermann Häring.
Geißler betonte, dass Johannes Paul II. erheblich dazu beigetragen habe, die Unterdrückung der Menschen durch den Sowjetkommunismus zu beenden. "Sein Antikommunismus war verständlich und berechtigt. Aber Johannes Paul II. war durch den Antikommunismus so verblendet, dass er nicht sehen wollte, dass die Befreiungstheologie keine marxistischen Ziele formuliert hat, sondern urchristliche." Der Papst habe geglaubt, die Befreiungstheologen hätten von Marx abgeschrieben. "Tatsächlich hatten die Marxisten vom Evangelium abgeschrieben."
Auf die Frage, ob Johannes Paul II. die Seligsprechung verdient habe, sagte Geißler: "Er hat mit Sicherheit nicht den Hokuspokus verdient, den der jetzige Papst mit der Wunderheilung der französischen Nonne veranstaltet." Eine Seligsprechung von Romero wäre ein wichtiges Signal dafür, dass die ganze Bandbreite der Kirche akzeptiert sei. "Das Traurige ist doch, dass einer wie dieser Erzbischof von San Salvador gar keine Chance bei der Kurie hat."
Seine Zugehörigkeit zur katholischen Kirche begründete Geißler mit den Worten: "Weil ich vom Evangelium überzeugt bin. Ich bin ja nicht in der Kirche, weil der Papst Ratzinger heißt, sondern wegen Jesus." Die Führung der Kirche habe sich allerdings von ihrem Stifter entfernt. "Man muss drinbleiben, wenn man etwas verändern will."
Romero war am 24. März 1980 während eines Gottesdienstes ermordet worden. Für seine Anklagen gegen Unterdrückung und Ausbeutung und als Stimme der Armen war er weit über Mittelamerika hinaus bekanntgeworden. Die Hintergründe des Attentats sind bis heute nicht vollständig aufgeklärt. Für Romero läuft ein Seligsprechungsprozess in Rom. Ein Beteiligter des Verfahrens erklärte, ein Grund für Verzögerungen seien politisch-theologische Vereinnahmungen des Erzbischofs.
http://www.kna.de/webnews/kwn09/20110427-BD-1420.07PO-1.html
Zuletzt geändert am 27.04.2011