17.8.2011 - DAPD
"Bis jetzt waren es vor allem "Papstjubeltage""
Frankfurt (dapd)
Von John Dyfed Loesche
Christian Weisner ist Sprecher der reformorientierten Kirchen-Volksbewegung "Wir sind Kirche". Anlässlich des Weltjugendtages in Madrid 2011 sprach die dapd mit dem 60-jährigen Stadtplaner, der sich seit seiner Jugend in der Kirche engagiert. Er fordert von Papst Benedikt XVI. vor allem mehr sozialpolitisches Engagement und kritisiert fehlende Sensibilität für die Fragen der Jugend.
dapd: Wie steht "Wir sind Kirche" zum Weltjugendtag?
Weisner: Die Weltjugendtage sind eigentlich eine tolle Sache, vor allem wegen ihrer Internationalität und des Gemeinschaftserlebnisses. Bis jetzt waren diese Tage aber vor allem als "Papstjubeltage" und Werbeveranstaltungen für den konservativen Kurs der katholischen Kirche organisiert. Die spanische Gruppe von "Wir sind Kirche" hat deshalb kritisches Informationsmaterial für das Treffen in Madrid zur Verfügung gestellt.
dapd: Ist die katholische Jugend eine natürliche Verbündete von "Wir sind Kirche"?
Weisner: Die Jugendlichen sind auf Bundesebene oder auch in den einzelnen Diözesen sehr wach, weil die kirchlichen Probleme so drängend sind. Es geht um Fragen der Mitbestimmung und Sexualität von Jugendlichen, die Rolle junger Frauen in der Kirche oder darum, wie es um die Zukunft der Jugendarbeit der Kirche steht, wenn Gemeinden zusammengelegt werden oder keine Jugendarbeit mehr stattfindet.
dapd: Gibt es eine kritische Jugendbewegung?
Weisner: Ich weiß, dass zum Beispiel die Jugendlichen im Erzbistum München und Freising Kardinal Reinhard Marx sehr kritische Fragen vorgelegt haben - aber immer noch auf Antworten warten. Der Jugendkatechismus der Kirche, der jetzt auf dem Weltjugendtag verteilt wird, ist leider nichts anderes als die gekürzte, aber inhaltlich unveränderte Fassung des Erwachsenenkatechismus von 1992. Er geht zu wenig auf die heutigen Fragen der jungen Menschen ein und ignoriert den Geist moderner Theologie. Wir ermutigen deshalb die jungen Menschen aus Deutschland, die nach Madrid fahren, ausdrücklich, den deutschen Bischöfen, die dort anwesend sein werden, ihre aktuellen, kritischen Fragen zu stellen.
dapd: Wie schätzen Sie das Verhältnis der katholischen Kirche unter Papst Benedikt zur Jugend ein? Hat sich der Kurs verändert?
Weisner: Im Gegensatz zu seinem Vorgänger Papst Johannes Paul II. hat sich der Kurs sehr verändert. Zwar war er in innerkirchlichen Fragen auch sehr unbeweglich, jedoch waren ihm, wie den Jugendlichen, die Fragen von Gerechtigkeit und Frieden sehr wichtig. Er sprach sich zum Beispiel gegen den Irakkrieg aus und hob die gesellschaftspolitische Aufgabe des Christentums hervor. Das kommt bei Papst Benedikt XVI. viel zu kurz. Die Sensibilität dafür, was die jungen Menschen heute in der Welt und in der Kirche bewegt, scheint ihm doch sehr zu fehlen.
dapd: In Madrid planen Kritiker ein Massenküssen, um gegen die ihrer Meinung nach überholte Sexualmoral der Kirche zu protestieren. Ist dieses eine für Sie vertretbare Protestform?
Weisner: Niemand hat die Proteste in der arabischen Welt vorausgesehen, die ja vor allem von jungen Menschen getragen werden. So etwas braucht es auch in unserer Kirche. Das Christentum in der Nachfolge Jesu hat gerade für junge, engagierte Menschen viel mehr zu bieten als alte Katechismuslehren.
Zuletzt geändert am 21.08.2011