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Veröffentlicht am 13­.10.2013

13.10.2013 - so.Interview

»Besser, er geht aus eigenem Antrieb«

VON DANIEL BEHRENDT

Sigrid Grabmeier ist im Leitungsteam der katholischen Laienorganistaion „Wir sind Kirche“

Die Tage von Franz-Peter Tebartz-van Elst auf dem Limburger Bischofsthron scheinen gezählt. Allerdings kann ihm nur der Papst sein Amt entziehen – oder aber, der Bischof legt Franziskus seinen Rücktritt nahe. Wäre es nicht klug, der Papst würde eine Steilvorlage des Bischofs gar nicht erst abwarten, um ein möglichst unmissverständliches Signal für seinen Reformwillen zu setzen?

Nein. Ich fände es angemessener, wenn Tebartz-van Elst um seinen – übrigens längst überfälligen – Rücktritt ersuchen würde. Ein großer Teil der Katholiken in Deutschland erwarten vom ihm ein deutliches Zeichen, dass er zu seinen Verfehlungen steht und bereit ist, die Verantwortung für sein Handeln zu übernehmen. Papst Franziskus würde ihm diesen Schritt durch eine Amtsenthebung nur ersparen. Das soll nicht bedeuten, dass der Papst vor der Entlassung Tebartz’ zurückschrecken müsste. Es wird zwar momentan mitunter so dargestellt, als ob das ein ungeheuerlicher Schritt wäre, aber tatsächlich hat es dergleichen schon häufiger und wegen weitaus geringerer Verfehlungen gegeben. Vor zwei Jahren etwa wurde der australische Bischof Morris des Amtes enthoben, weil er in seiner Weihnachtspredigt weiter reichende Befugnisse für Frauen in der katholischen Kirche eingefordert hatte. Das böse Wort „Frauenordination“ war dabei noch nicht einmal gefallen. Wenn eine derartig harmlose Äußerung schon ausreicht, um seinen Job zu verlieren, hätte Tebartz-van Elst seinen Hut schon tausendmal nehmen müssen!

Ohne gleich von einem Kirchenkampf sprechen zu wollen: Aber ist der Fall Tebartz nicht auch eine Art Geschenk? Ein Antrieb, jetzt erst recht, mehr innerkirchliche Demokratie und Transparenz einzufordern?

Um die Vorfälle in Limburg als Geschenk zu empfinden, bräuchte es schon ein gerüttelt Maß an Schadenfreude und Fatalismus. Beides liegt mir absolut fern. Ein Antrieb für kritische Laien sind die haarsträubenden Missstände in Limburg allerdings schon, denn der Fall Tebartz-van Elst zeigt, mit welch nahezu uneingeschränkter Machtfülle Bischöfe ihre Diözesen regieren können. Tebartz hat sein Domkapitel – wenn man so will eine Art Ministerrat des Bistums – entmachtet und seinen Verwaltungsrat, dem ohnehin nur beratende Funktion zukommt, mit seinen eigenmächtigen Entscheidungen übergangen. Der Bischof konnte schalten und walten wie ein Monarch, die Gremien und Organe, die ihn beraten und an Entscheidungsprozessen beteiligt sein sollten, hatten beinahe schon eine Art Alibifunktion. Man kann da sozusagen von einem Multiorganversagen im Bistum Limburg sprechen. Unter Tebartz Vorgänger Bischof Kamphaus war das anders. Nicht, dass die Gremien damals weiter reichender ratifizierte Befugnisse gehabt hätten, aber Kamphaus hat den Laien ein eigene Stimme zugestanden, hat sie eingebunden. Was mir zeigt: Für eine breite Meinungs- und Gestaltungsfreiheit sind in Zukunft klare Rechtsetzungen erforderlich, damit das Wohl und Wehe einer Diözese nicht allein vom Gutdünken des Bischofs abhängen.

Das klingt nach gewaltigen Systemfehlern. Ist Tebartz-van Elst ein Einzelfall – oder nur die Spitze des Eisberges?

Ich ho!e und glaube, dass die Vorfälle in Limburg in ihrem empörenden Ausmaß nicht vergleichbar sind mit möglichen Versäumnissen in anderen Bistümern. Dennoch zeigt sich auch in anderen Diözesen, wie dringend bischöfliche Befugnisse an kirchenrechtlich verbindliche Kontrollmechanismen gebunden werden müssen. In meinem Bistum Regensburg beispielsweise hat der einstige Bischof die Handlungsfreiheit der Laiengremien immens gestutzt und einen ihm gewogenen Diözesanpastoralrat als Beratungsgremium eingesetzt. Sein Nachfolger hält an dieser Konstruktion fest, mit dem Verweis, dass sie durch das allgemeine Kirchenrecht gedeckt sei. Er übersieht aber, dass es in Deutschland weiter reichende Regelungen gibt. Um aber auch mal ein positives Beispiel zu nennen: Der Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch ist ein Freund des o!enen Wortes und hat, obwohl er eher konservativ ist, in seiner Diözese eine Kultur der Vielstimmigkeit etabliert, in der durchaus Widerspruch möglich ist. Das ist zumindest ein Schritt in die richtige Richtung.

Zollitsch mag O!enheit schätzen, in seinen Stellungnahmen zu Tebartz-van Elst gab er sich hingegen über Wochen recht einsilbig. Man gewann den Eindruck, er und seine bischöflichen Mitbrüder drücken sich doch arg vor einer klaren Position ...

Das sehe ich ähnlich. Da spuckt der eine dem anderen nicht in die Suppe. Ich hätte mir mitunter auch klarere und vor allem kritischere Stellungnahmen gewünscht. Man darf andererseits nicht vergessen, dass Zollitsch, allerdings eher zwischen den Zeilen, der Ö!entlichkeit durchaus zu verstehen gegeben hat, was er vom Verhalten seines Mitbruders Tebartz-van Elst hält. Anlässlich des Besuchs des vatikanischen Gesandten Kardinal Lajolo drückte er etwa seine Ho!nung aus, dass Tebartz in sich gehen und über angemessene Schritte nachdenken würde. Das darf man zumindest als einen leisen Ruf nach Konsequenzen in Richtung Limburg deuten. Der einzige, der sich deutlich zu Wort meldete, war ausgerechnet der Münchener Kardinal Marx. Und das ging mir gehörig gegen den Strich. Denn der hat seinen Bischofssitz schließlich auch äußerst kostspielig restaurieren und in Rom eine viele Millionen teure Pilgerresidenz errichten lassen. Da kann ich nur sagen: Wer die von Franziskus ausgerufene neue Bescheidenheit der katholischen Kirche o!enbar erst ganz frisch für sich entdeckt hat, sollte sich vor moralischem Eifer hüten.

Zuletzt geändert am 21­.10.2013