27.2.2016 - Neue Osnabrücker Zeitung
Reformbewegung „Wir sind Kirche“ lobt den Papst
An diesem Wochenende treffen sich rund 80 Teilnehmer in Osnabrück. Auf der Tagesordnung stehen auch die sexualisierte Gewalt in der Kirche, die Flüchtlingsfrage, der Katholikentag im Mai in Leipzig und das Reformationsjubiläum im Jahr 2017.
Früher galten die Anhänger von „Wir sind Kirche“ als papstkritische Linkskatholiken – und viele Bistumsleitungen wollten der Bewegung nichts zu tun haben. Diese Einstellung hat sich im Laufe der Jahre geändert. Und auch „Wir sind Kirche“ scheint heute milder gestimmt. Gut 20 Jahre nach ihrer Gründung versteht sich die Reforminitiative nicht mehr als Protestbewegung, wie ihr Sprecher Christian Weisner sagt, sondern als „Gestaltungsbewegung“.
Knapp 1,5 Millionen Unterzeichner
Hervorgegangen ist die Initiative aus dem sogenannten „Kirchenvolksbegehren“, das fünf Forderungen enthielt: mehr Demokratie in der Kirche, Gleichberechtigung der Frau, Aufhebung des „Pflichtzölibates“, eine positive kirchliche Bewertung der Sexualität und die Verkündigung des Evangeliums nicht als Drohbotschaft, sondern als frohe Botschaft. Knapp 1,5 Millionen Katholiken unterzeichneten 1995 diese Forderungen.
Weisner: Auch kirchenpolitische Arbeit dauert lange
Erfüllt sind sie bis heute nicht. Doch es sei gelungen, die Debatte darüber wachzuhalten, sagt Weisner und fügt hinzu: „Jede politische, auch kirchenpolitische Arbeit dauert lange.“ Er wertet es als Erfolg, Bewusstseinsbildung betrieben zu haben. Und Sigrid Grabmeier, ebenfalls im Bundesteam, sieht sich vom jetzigen Papst motiviert, weiter zu machen. Sie nennt es den „Franziskus-Effekt, dass plötzlich Dinge wieder diskutiert werden dürfen“. In den Bistümern Regensburg und Passau „tut man sich schwer mit dem Franziskus-Kurs“ erklärte sie und meinte damit die Bischöfe Rudolf Voderholzer und Stefan Oster.
„Kirchenvolk in Entscheidungen einbeziehen“
Dazu zählt für die Reformbewegung die Beteiligung des „Kirchenvolks“. Magnus Lux vom Bundesteam spricht vom „gemeinsamen Priestertum aller Getauften“ und fordert, die Bischöfe sollten „das gesamte Kirchenvolk in ihre Entscheidungen einbeziehen.“ Der Glaube, sagt Lux, „kann nicht einfach von oben herab quasi dekretiert werden“.
Ein wichtiges Thema ist für „Wir sind Kirche“ seit langer Zeit die Aufarbeitung des Themas „Sexualisierte Gewalt in der Kirche“. Sigrid Grabmeier fordert, die Aufklärung von Missbrauchsvorwürfen Personen mit spezieller Ausbildung zu überlassen – nicht jedoch dem Personalchef eines Bistums. Generell bescheinigt sie aber der Kirche, einen guten Weg der Aufarbeitung eingeschlagen zu haben.
Gegen eine Über- und Unterordnung zwischen Priestern und Gläubigen
Christian Weisner vermisst die theologische Auseinandersetzung. Als Hauptproblem sieht er allerdings die Über- und Unterordnung zwischen Priestern und Gläubigen. Und er hält die Weihe von Frauen zu Priestern für notwendig. Nicht gut findet er, dass der Jesuit Klaus Mertes als „Verräter“ gelte, weil er 2010 die Missbrauchsfälle am katholischen Canisius-Kolleg in Berlin öffentlich machte und damit eine breite Diskussion und das Bekanntwerden vieler Fälle auslöste.
Zur Sache
Die Reformbewegung „Wir sind Kirche“ ist aus einem „Kirchenvolksbegehren“ im Jahr 1995 hervorgegangen. Damals stellte die Bewegung fünf Forderungen auf: mehr Demokratie in der Kirche, Gleichberechtigung der Frau, Aufhebung des „Pflichtzölibates“, eine positive Bewertung der Sexualität und Verkündigung des Evangeliums als einer frohen Botschaft. Rund 1,5 Millionen Katholiken unterzeichneten die Forderungen.
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Zuletzt geändert am 29.02.2016