8.3.2016 - KNA
Die Deutschen und ihr neuer Papst
Von Thomas Jansen und Burkhard Jürgens (KNA) Vatikanstadt (KNA) Die Zeiten des "Wir sind Papst", soviel schien nach dem Rücktritt von Benedikt XVI. klar, waren erst einmal vorbei. Doch als Franziskus vor drei Jahren gewählt wurde, keimten bald neue Hoffnungen. Wenn schon kein Deutscher auf dem Stuhl Petri mehr sitzt, so die Spekulationen, dann wenigstens ein germanophiler Papst aus Südamerika. Immerhin zitierte Franziskus Friedrich Hölderlin - auf Deutsch, wenngleich mit spanischem Akzent. Auch seine Biografie weckte Erwartungen: Sprachkurs im Goethe-Institut in Boppard, Studienaufenthalt an der Frankfurter Jesuiten-Hochschule, eine geplante Doktorarbeit über einen deutsch-italienischen Theologen. Schließlich outete er sich im Interview auch noch als Wagner-Fan.
Doch zuletzt stellte sich bisweilen Ernüchterung ein: Denn der stärkste Liebesbeweis blieb aus. Franziskus ist nicht nach Deutschland gekommen und wird dies wohl in absehbarer Zeit auch nicht tun; weder zum ökumenischen Gedenken an die Reformation noch zur Würdigung der friedlichen Wende vor 25 Jahren, wie es einmal angedacht war. Ist Deutschland für den Papst also doch nur ein Land wie jedes andere?
Zumindest ist sein mehrmonatiger Deutschland-Aufenthalt in den 1980er Jahren nicht spurlos an Franziskus vorbeigegangen. So erstaunte er etwa als Verehrer des Augsburger Madonnenbilds "Maria Knotenlöserin". Ebenso überraschte er mit der Erwähnung der selbst hierzulande wenig bekannten Lübecker Märtyrer. Theologisch allerdings hält es der Jesuit Bergoglio nach eigener Aussage eher mit den Franzosen.
Auffällig ist aber, wie häufig Franziskus deutsche Politiker empfängt. Angela Merkel traf er bereits zweimal zu jeweils ungewöhnlich langen Gesprächen, auch etliche deutsche Ministerpräsidenten machten ihm die Aufwartung. Auch unter seinen ranghohen Mitarbeitern und Beratern sind Deutsche gut vertreten, selbst wenn sie nicht zum innersten Machtzirkel gehören: etwa Erzbischof Georg Gänswein als Präfekt des Päpstlichen Hauses und Kardinal Gerhard Ludwig Müller als Präfekt der Glaubenskongregation. Hinzu kommen der emeritierte Kurienkardinal Walter Kasper, eine Art theologischer Vordenker seines Pontifikats, und Kardinal Reinhard Marx, der zum engsten Beraterkreis gehört. Und seine Wahrnehmung in Deutschland? Über die Enttäuschung, nach acht Jahren Benedikt XVI. nicht mehr Papst-Nation zu sein, half das herzliche und erdverbundene Auftreten des Neuen hinweg.
Ein Bischof erzählte nach der Wahl, er habe spontan mit einer Pilgergruppe "Großer Gott, wir loben dich" angestimmt; auch sei er tief bewegt von der Bescheidenheit, die Franziskus mit dem ersten Auftritt ausstrahlte. Der Bischof hieß Franz-Peter Tebartz-van Elst.
Der damalige Vorsitzende der Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, sah zutreffend, Franziskus werde "mit Zeichen mehr bewirken als mit Worten", sein Stil werde "Schule machen und bei manchem vielleicht ein schlechtes Gewissen bewirken". In der Tat regte Franziskus inner- und überkirchlich eine Bescheidenheitsdebatte an. Und nicht nur das.
Die ersten Äußerungen über eine Kirche, die an die Ränder der Gesellschaft gehen müsse, das Verständnis für Homosexuelle, die betonte Rede von Barmherzigkeit - sie weckten unter reformorientierten Christen die Erwartung an einen Aufbruch. Während der Familiensynoden 2014 und 2015 interessierten sich deutsche Medien vor allem für den Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen.
Es sind die echten oder vermeintlichen Signale einer weniger strengen und hierarchischen Kirche, mit denen Franziskus bei vielen punktet. Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) brachte sogar die Öffnung des Weiheamts für Frauen wieder ins Gespräch.
Zurückhaltender - und bislang zutreffender - bewertete die Laieninitiative "Wir sind Kirche" das Veränderungspotenzial: Schnelle Reformen in Frauenfragen und Sexuallehre werde es mit dem als wertkonservativ einzuschätzenden Franziskus nicht geben. Apropos: "Es ist ruhig das Alter und fromm", lautet das Hölderlin-Zitat des Papstes. Daran können sich die Deutschen, fromm oder nicht, noch eine Weile reiben.
Zuletzt geändert am 09.03.2016