11.6.2019 - epd
«Wir sind Kirche»: Vatikan muss Gender-Theorie ernst nehmen
München (epd). Die katholische Reformbewegung «Wir sind Kirche» hat die jüngsten Äußerungen aus dem Vatikan zur Gender-Theorie als unzeitgemäß kritisiert. «Die Bildungskongregation des Vatikan wäre gut beraten, statt pauschaler Verurteilungen und Warnungen besser die neueren Erkenntnisse der Humanwissenschaften zur Kenntnis zu nehmen», sagte Christian Weisner vom Bundesteam der Bewegung am Mittwoch dem Evangelischen Pressedienst (epd) auf Anfrage.
«Jede Ideologisierung hilft Menschen nicht», räumte Weisner ein: «Aber als Theorie ist die Gender-Theorie durchaus geeignet, bestehende gesellschaftliche Verhältnisse aus einem wichtigen Blickwinkel zu analysieren und vor allem Diskriminierungen aufzuzeigen.» Da habe gerade die römisch-katholische Kirche «noch erheblichen Nachholbedarf, wenn sie der christlichen Botschaft gerecht werden will.»
Die vatikanische Bildungskongregation wirft Vertretern von Gender-Theorien in ihrem am Pfingstmontag veröffentlichten Dokument vor, die Unterscheidung in zwei verschiedene und einander zwecks Fortpflanzung ergänzende Geschlechter als Identitätsmerkmale zu leugnen. Intersexualität und Transgender tendierten dazu, die Unterschiede zwischen den Geschlechtern aufzuheben, heißt es darin. Damit versuchten sie, «die Natur zu vernichten, alles, was wir als Grundlage unseres Seins und Handelns erhalten haben».
Das Dokument der Bildungskongregation mit dem Titel «Männlich und weiblich erschuf er sie: Für einen Weg des Dialogs bei der Genderfrage in der Schule» richtet sich an katholische Schulen und Universitäten. Es ruft zum Dialog mit Vertretern dieser Theorien auf, beklagt in diesem Bereich zugleich jedoch einen «Bildungsnotstand».
Darüber hinaus fordert die Vatikanbehörde darin eine Sexualerziehung, die über die Bedeutung des Körpers in seiner «ursprünglichen Wahrheit der Männlichkeit und Weiblichkeit» aufklärt.
Scharfe Kritik an Gender-Theorien hatte bereits der mittlerweile emeritierte Papst Benedikt XVI. geäußert. Sein Nachfolger Franziskus bekräftigte diese in seinem Lehrschreiben zu Ehe und Familie «Amoris laetitia» von 2016.
Zuletzt geändert am 17.06.2019