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Veröffentlicht am 15­.07.2007

15.7.2007 - BILD am SONNTAG

Sind Katholiken die besseren Christen?

Es ist ein Trauerspiel
Die hannoversche Landesbischöfin Margot Käßmann (49): „Ein solches Dokument zur jetzigen Zeit ist ökumenisch fatal. Wir sind sehr wohl Kirche nach unserem Verständnis. Ich finde es wirklich ein Trauerspiel, das ökumenische Pflänzchen so austrocknen zu lassen.“

Brüskierung
Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischof Wolfgang Huber , spricht von einer „ökumenischen Brüskierung“ und von einer „vorsätzlichen Belastung“ des Dialogs zwischen den christlichen Konfessionen. Der für 2010 in München geplante gemeinsame Kirchentag steht aus seiner Sicht offenbar auf der Kippe: Voraussetzung dafür sei, so Huber im „Spiegel“, „dass die katholischen Partner vorher klarmachen: Wir respektieren selbstverständlich die Evangelische Kirche als Kirche“.

Der Papst hat recht
Camila Bicalho (18, katholisch), Studentin aus München:
„Der Papst hat völlig recht. Bei uns Katholiken sind die Wurzeln des Glaubens viel tiefer, denn unsere Geschichte ist älter. Außerdem praktizieren wir den Glauben intensiver als andere. Wir gehen öfter in die Kirche, feiern die Messe mit mehr Hingabe.“

Entschuldigung fällig
Christian Weisner (56) von der katholischen Reformbewegung „Wir sind Kirche“:
„Für mich als Katholik ist selbstverständlich: Wir können nur gemeinsam Christen sein. Angesichts des fragwürdigen Anspruchs, die einzig ‚wahre‘ Kirche zu sein, muss sich der Vatikan fragen lassen, wie ernst es ihm noch um den Dialog mit anderen Kirchen und Religionen ist. Nach seiner Wahl hatte Papst Benedikt XVI. sichtbare Schritte zur Ökumene angekündigt. Doch davon ist jetzt leider nichts mehr zu erkennen. Hoffentlich wird der Protest aus beiden Kirchen so groß, dass sich der Papst entschuldigt – wie er es nach der ‚Regensburger Rede‘ gegenüber dem Islam getan hat.“


Unterschiede nicht wegwischen
Fürstin Gloria von Thurn und Taxis (47):
„In der aufgeregten Diskussion wird ein wesentlicher Punkt übersehen: Die evangelischen Kirchen können sich natürlich selbst als Kirche verstehen. Aber sie sind keine Kirchen im katholischen Sinn. Für uns Katholiken gehören zum elementaren Wesen einer Kirche alle sieben Sakramente und die apostolische Nachfolge mit dem Papst an der Spitze. Beides lehnen die Protestanten ab, und viele legen auf diesen Unterschied großen Wert. In dem Dokument wird viel Positives zur Ökumene gesagt. Dennoch darf man die Unterschiede im Kirchenverständnis nicht wegwischen.“

Sehr wütend
Doris Hoffmann , evangelische Religionspädagogin:
„Zunächst habe ich über die Papst-Worte gelächelt, doch dann hat mich der alte Mann mit seinem Realitätsverlust doch sehr wütend gemacht. Mich als gläubige und praktizierende Protestantin kann er nicht beeindrucken, doch er stiftet Unfrieden unter den Christen. Seine Worte erinnern mich an den üblen religiösen Fundamentalismus, den man eigentlich nur vom Islam erwartet. Was er sagt, klingt nach Größenwahn und einem Allmachtsanspruch, der seinesgleichen sucht. Schade! Doch sein Einfluss auf die Christenheit ist nicht mehr allzu groß – glaube und hoffe ich jedenfalls!“

Nur Gott kann entscheiden
Arnd Brummer (50), Chefredakteur des evangelischen Magazins „Chrismon“:

„Die Frage, wer die besseren Christen sind, können wir nicht entscheiden, das kann alleine Gott. Maßstab dafür ist nach unserem Glaubensverständnis allein eine christliche Lebensführung – und nicht die Mitgliedschaft in einer Konfession. Das Papier aus Rom trifft uns nicht besonders: Seit fast 500 Jahren machen es Protestanten nicht von einem päpstlichen Wort abhängig, ob sie sich selbst als Kirche verstehen dürfen oder nicht.“

Rückschlag
Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (41, evangelisch, Bündnis 90/Die Grünen):
„Ich bin enttäuscht von der Verlautbarung aus Rom. Das Dokument ist ein Rückschlag für die Ökumene. Doch ich hoffe, dass sich Christinnen und Christen in Deutschland nicht entmutigen lassen. In den Gemeinden ist ökumenische Zusammenarbeit selbstverständlich, ohne dass die Unterschiede überdeckt werden sollen oder müssen. Dabei muss es bleiben, auch wenn wir aus Rom in absehbarer Zeit wohl keine positiven Signale bekommen werden.“

Leben und leben lassen
Karl Steininger (67), Landeshauptmann der Bayerischen Gebirgsschützen:
„Ich persönlich bin froh, als Katholik zur Welt gekommen zu sein. Dem altbayerischen Naturell kommt die feierliche Form unserer Messen, der Eucharistie, doch sehr entgegen. Unser bewährtes bayerisches Motto ,Leben und leben lassen‘ bietet jedoch genügend Raum auch für die evangelische Sichtweise in der Religion. “


> Die gesamte Seite in "Bild am Sonntag" am 15. Juli 2007

Zuletzt geändert am 21­.07.2007