Aufgelesen

Brief an Joachim Kardinal Meisner

von Ulrich Harbecke

Erftstadt, 20. November 2004

Sehr geehrter Herr Kardinal,

mit dem Freimut des getauften und gefirmten Christen schreibe ich diesen Brief. Wenn ich das Evangelium ein wenig verstanden habe, gibt es kein Oben und Unten, kein Wertgefälle zwischen den vielen unterschiedlichen Charismen in der Gemeinde. Jeder ist aufgerufen, seine Gabe und seine Ideen beizusteuern. Und - das werden Sie rasch entdecken - ich schreibe im Zorn, denn nur ein Zyniker könnte kühlen Herzens kommentieren, was Sie in den letzten Wochen in Ihrer (unserer!) Diözese angerichtet haben.

Der Anlass meines Briefes ist Ihnen bekannt. Es gab Unruhe und Ärgernis in mehreren Gemeinden. Probleme sehr grundsätzlicher Natur wurden sichtbar und sind bis heute nicht gelöst. Die entstandene Situation dauert an, und da Sie sie fast täglich verschärfen, droht sie zu einem dauerhaften und tiefen Zerwürfnis zu werden. Dabei ist die kleine St. Kilian-Gemeinde von Erftstadt nur Ausgangspunkt und erster Schauplatz des Konfliktes. Ich vermute, dass viele Tausend Christen aus der ganzen Diözese und darüber hinaus die Ereignisse beobachtet haben und erschrocken sind, welches Kirchen- und Bischofsbild ihnen nun zugemutet ist. - Hier die Fakten, soweit sie mir zugänglich sind:

Die Christen von St. Kilian in Erftstadt bei Köln hatten Gründe zum Feiern: Ihr Pfarrzentrum wurde fünfundzwanzig Jahre alt, es war und ist eine lebendige Begegnungsstätte mit offenen Fenstern und Türen. Dechant Wilhelm Hösen, ein pastorales Kraftwerk der Gemeinde und der Stadt, beging sein dreißigjähriges Ortsjubiläum. Der Pfarrgemeinderat und viele Gruppen erdachten ein Programm aus Gottesdiensten, Konzerten, Begegnungen und Festlichkeiten.

Zu einem Fest lädt man gute Freunde ein, die Nachbarpfarreien, die evangelischen Glaubensgeschwister, die Bürger der Stadt. Warum nicht auch den französischen Bischof Jacques Gaillot, mit dem man seit ein paar Jahren in freundschaftlicher Beziehung steht. 2002 lernte ihn eine Pilgergruppe in Paris persönlich kennen. Er feierte mit ihnen Gottesdienst, erzählte von seiner Alltagsarbeit für Obdachlose, Staatenlose, Arbeitslose und gewann mit seiner stillen Freundlichkeit, seiner christlichen Spiritualität und seinem Mut, nicht vor dem Übermaß des Elends zu kapitulieren, die Herzen seiner deutschen Gäste.

Im Jahr darauf kam Bischof Gaillot für drei Tage nach Erftstadt. Als höflicher Mensch informierte er Sie zuvor per Brief, bekam aber keine Antwort. Damals besuchte er ein Gymnasium in Kerpen und begeisterte dreihundert Jugendliche. Er sprach mit den Religionslehrern des Kreises und begeisterte sie für ihre wichtige Aufgabe. Er begeisterte den vollen Pfarrsaal von St. Kilian mit seinen Erlebnissen und Erfahrungen, mit seinem Humor und seiner unverkrampften Frömmigkeit. Er sprach über die Seligpreisungen der Bergpredigt und in welchen Gesichtern sie uns heute im Alltag begegnen. Er sprach von der Würde des Menschen, die über allen anderen Eigenschaften stehe wie Geschlecht, Hautfarbe, gesellschaftlichem Erfolg. Er sprach von Gottes Liebesgeschichten mit den Menschen, von der Kraft der Vergebung, von den Entdeckungsfreuden eines offenen Dialogs und vom hohen Wert der kirchlichen Gemeinschaft. - Auch die Kölner Kirchenzeitung hatte einen Reporter geschickt und brachte einen nicht unfreundlichen Artikel. Gewiss, einige Zuhörer suchten in ihm auch den Rebellen und Provokateur. Hatte er sich nicht für politisch Verfolgte eingesetzt, für illegale Einwanderer, für Schwule? War er nicht sogar (ein Bischof!) auf die Straße gegangen, um zusammen mit den Betroffenen gegen Verwaltungsverbrechen und unmenschliche Gesetze zu protestieren? Hatte ihm nicht Papst Johannes Paul II. auf Betreiben einflussreicher Kreise 1995 sein reales Bistum Évreux genommen und ihn in das Titularbistum Partenia versetzt? Müsste ein solcher nicht verbittert und böse sein und sich auf die Barrikade stellen lassen?

Weit gefehlt. - Jacques Gaillot hatte nicht resigniert. Er hatte sein virtuelles Bistum zur Internetadresse gemacht, wo er seitdem von seiner täglichen Arbeit berichtet und wo sich Gott- und Ratsucher aus aller Welt einfinden, um Fragen zu stellen und Gedanken auszutauschen. Auch die Zuhörer in Erftstadt erlebten einen kleinen, lächelnden Bischof, der sich nicht für zukunftsarme Grabenkämpfe instrumentalisieren ließ. Er habe Wichtigeres zu tun, sagte er, als sich an Thesen und Parolen abzuarbeiten. Er wolle Versöhnung und lebendigen Frieden. Vom Gegner könne man manchmal mehr lernen als von den Freunden, denn niemand habe den einzig möglichen und vollen Blick auf die Wahrheit.

Die Zuhörer im Pfarrsaal von St. Kilian begriffen: Ein Christ wie Jacques Gaillot eignet sich nicht für Gezänk und Krieg. Er hasst niemanden, am wenigsten seinen Feind. Er kämpft nicht für den Frieden. Er hat ihn. Alles hat zwei Seiten. Er ist eine dritte. Und wer von den Anwesenden schon einmal im Neuen Testament gelesen hatte, dem kam das alles irgendwie bekannt vor. Der Abend war unvergesslich, weil er an etwas erinnerte, das sich vor 2000 Jahren ereignet hatte.

So weit, so gut. - Im Frühjahr 2004 schickte sich die St. Kilian-Gemeinde an, das Jubiläum ihres Pfarrzentrums vorzubereiten. Das "katholische Dorf" gleich neben der Kirche hatte Pfarrer Hösen erdacht und gegründet, er hatte es mit großer Energie vorangetrieben und zum heimischen und weithin ausstrahlenden Treffpunkt der Gemeinde gemacht. Groß war daher die Freude des Pfarrgemeinderates, als Jacques Gaillot die Einladung zu einem zweiten Besuch in Erftstadt annahm. Glücklicher Zufall: In diesen Tagen erschien die deutsche Ausgabe seines neuen Buches: "Ein Katechismus, der Freiheit atmet". Kein dogmatisches Regelwerk, sondern eine moderne "Nachfolge Christi", eine Sammlung von Glaubenszeugnissen und "Liebesgeschichten" mit Gott, von Gedanken und Anregungen, die tief in den Anfängen der christlichen Botschaft wurzeln und die auch Zweiflern und Suchern eine zukunftsstarke Religiosität vermitteln. - Auch diesmal hatte er Sie schon am 7. Juni von dem geplanten Besuch informiert und wieder keine Antwort bekommen. - Alles war vorbereitet. Die Leute von St. Kilian und viele Menschen in ihrer Umgebung freuten sich auf die Begegnung.

Da plötzlich erreicht Pfarrer Hösen ein Brief, der wie ein Donnerschlag dazwischenfährt. Sie zeigen sich empört. Niemand außer Ihnen, so behaupten Sie, hätte das Recht, einen Bischof einzuladen. Die Veranstaltung dürfe auf keinen Fall stattfinden, andernfalls müsse der Pfarrer mit scharfen Sanktionen rechnen.

Rückfragen, Vermittlungsversuche, Erklärungen. Pfarrer Hösen bedauert die unerwartete Problematik. Nicht er, sondern der Pfarrgemeinderat habe den Bischof eingeladen. Es ergäbe ein schlechtes Bild in der Öffentlichkeit, die Veranstaltung zwei Tage vorher wieder abzublasen. Auch im Hinblick auf den Weltjugendtag im kommenden Jahr bittet er Sie, die Sache noch einmal zu überdenken.

Eine Stunde später kommt Ihre Antwort aus Köln. Sie seien entsetzt über den Treuebruch Ihres Pfarrers. Einem "unerleuchteten Kaplan" könne so etwas vielleicht passieren, aber nicht einem Dechanten Ihrer Diözese. Dass der Pfarrgemeinderat der Gastgeber sei, interessiere Sie nicht, denn unbotmäßige Laiengremien könne man auflösen. Die Veranstaltung bleibe verboten bei Androhung schärfster Konsequenzen. Und abermals machen Sie den Pfarrer für alle Folgen verantwortlich.

Die Gemeinde ist entsetzt und erschüttert. Pfarrer Hösen ist ratlos. Einige Tausend erwachsene Christen in Erftstadt und Umgebung reiben sich die Augen. Sind sie nicht im Europa des 21. Jahrhunderts? Gibt es nicht ein Grundgesetz, das Menschenrechte und bürgerliche Freiheiten verbürgt? War da nicht ein Konzil, das den Index der verbotenen Bücher abgeschafft hat. Und vor allem: Gibt es nicht ein Evangelium, das einen völlig anderen Geist atmet als Inhalt und Ton Ihrer Briefe?

Die Leute stehen plötzlich vor einer Situation, die sie in ihrer Kirche nicht mehr für möglich hielten. Sollen sie ihren Gast, den sie als einen überzeugenden Christen kennen, auf Befehl von oben für einen gefährlichen Verbrecher halten? Oder sollen sie ihren Erzbischof als einen Mann begreifen, der sein Amt dazu missbraucht, einen rechtmäßig geweihten Amtsbruder zu verteufeln, dem er noch nie persönlich begegnet ist und von dem er bis dahin vermutlich auch noch keine Zeile gelesen hat?

Da Sie einen eindeutigen Rechtsstandpunkt behaupten, richtet sich das Interesse zunächst auf diesen Aspekt. Natürlich kann sich nach der Verfassung der Europäischen Union und der Bundesrepublik Deutschland jeder Bürger frei bewegen. Man darf ihn einladen, wann und wohin man will, und er darf selbstverständlich frei sprechen oder ein Buch veröffentlichen. Aber die Katholische Kirche ist nun leider nicht der genuine Hort bürgerlicher Freiheiten. Vielleicht gibt es ja wirklich ein Kirchengesetz, das dem Ortsbischof das alleinige Recht zuerkennt, einen Bischof einzuladen, um eine Einladung durch andere Christen zu verhindern. - Fehlanzeige. Die befragten Kirchenrechtler lachen hell auf. Selbstverständlich darf auch nach den Kirchengesetzen ein Bischof reisen, wohin er will und sprechen, mit wem er will. Der Codex juris erlaubt ihm, überall auf der Welt das Wort Gottes zu verkündigen. Er verbietet auch keinem Pfarrer und keinem Christen, einen Bischof einzuladen. Ein Ortsbischof, der den Amtsbruder partout nicht auf seinem Territorium dulden will, kann es ihm nicht auf dem Umweg über einen Pfarrer verbieten, sondern allenfalls in einer persönlichen Demarche. Das allerdings wäre ein ungeheuerlicher Vorgang und bisher in Deutschland ohne Beispiel. Dann müsste sich auch der Abgewiesene sofort an den Papst wenden und seinen Status klären lassen. Mit einem Wort: Weder Pfarrer Hösen, noch der Pfarrgemeinderat von St. Kilian, noch gar Bischof Gaillot haben sich auch nur das Geringste zu schulden kommen lassen.

Der Eklat ist nun nicht mehr aufzuhalten. Die Presse schaltet sich ein. Tags darauf ist der Fall in der ganzen Diözese bekannt, und vielen kommt er bekannt vor. Er passt nahtlos in den Charakter Ihrer Amtsführung, wie sie die Kölner Erzdiözese seit nun fast zwei Jahrzehnten erlebt. Da ist nicht die Spur eines vertrauensvollen, aufbauenden und befreienden Christentums. Da wird denunziert und verleumdet, unterdrückt und verfolgt. Zahlreiche innerkirchliche Lebensläufe nahmen schmerzhafte Wendungen und oft ein spurloses Ende. Hier ist nicht der Ort, die lange Kette solcher Ereignisse aufzulisten, aber eines muss man nun wohl zur Kenntnis nehmen: In dieser Erzdiözese feiert man nicht einfach ein Fest. Man lädt sich auch nicht einfach Gäste ein. Unter dem Regime dieses Kardinals ist alles heikel und gefährlich. Wer hier Schwierigkeiten vermeiden will, holt sich am besten zu allem die Erlaubnis oder er unterlässt es von vornherein. Die Kilianer begreifen, in welcher Gefahr jetzt ihr Pfarrer schwebt.

Als daher der Förderverein der städtischen Bibliothek die Trägerschaft der Veranstaltung übernimmt, ist man froh, Pfarrer Hösen aus der Schlusslinie zu bekommen. Auch der Bürgermeister von Erftstadt zeigt Haltung und spendiert den Ratsaal der Stadt. So bleibt Ihr formales "Hausrecht" im Pfarrzentrum von St. Kilian gewahrt (Es wurde übrigens aus Kirchensteuermitteln errichtet!).

Am 12. September 2004 drängen sich die Menschen zu Hunderten im Erftstädter Rathaussaal. Jacques Gaillot ist gekommen, und natürlich fragt man ihn, wie er sich zu den Angriffen des Ortsbischofs stelle. "Ich bin ein ungefährlicher Bischof", ist seine Antwort, "ich würde Kardinal Meisner gern kennen lernen und mit ihm sprechen."


Die Anwesenden erleben ein unvergessliches Gespräch mit dem lächelnden Bischof aus Frankreich. Inmitten der eisigen Affäre begegnet ihnen ein jesuanischer Christ, der von den Kölner Angriffen gar nicht betroffen scheint und der den Leuten viel lieber das Evangelium näher bringt. Er verzichtet auf einen vorformulierten Vortrag, wählt von Anfang an in der Form des Gespräches, das die Entfaltung vieler Beiträge ermöglicht. Eine Stunde lang spüren die Menschen die Kraft eines Glaubens, der Gräben überbrückt und Mauern niederreißt. Eine Stunde lang ist der Konflikt vergessen, weil er zu einer Welt und zu einem Denken gehört, das von der des Evangeliums galaktisch weit entfernt ist.

Aber der Konflikt ist nicht gelöst. Inzwischen ist er das Tagesgespräch der ganzen Region. Pfarrer Hösen erhält eine Flut von Solidaritätsbekundungen. Priesterkollegen, Kirchenrechtler und unzählige Bürger sprechen ihm zu und empören sich gegen das Vorgehen des Erzbischofs.

In der folgenden Woche erscheint über die Katholische Nachrichtenagentur eine offizielle Verlautbarung: "Das Erzbistum legt den Fall Gaillot zu den Akten." Da Bischof Gaillot sein neues Buch nicht in der Gemeinde St. Kilian, sondern in städtischen Räumen vorgestellt habe, sei das Verhalten Pfarrer Hösens "korrekt" gewesen. "Der Dechant habe die Auflagen von Kardinal Joachim Meisner erfüllt. Damit sei die Sache erledigt." - Vielleicht will man sich unter Wahrung des Gesichts zurückziehen und den entstandenen Schaden begrenzen? Die Wirkung ist jedoch verheerend.

Die Katholiken von St. Kilian fühlen sich ins Herz getroffen. Sie wissen, dass nie von Auflagen die Rede war, dass Gaillots Besuch kategorisch verboten wurde und auch eine Verschiebung in den öffentlichen Raum daran nichts ändern würde. Sie wissen auch, dass sich ihr Pfarrer von Anfang an völlig korrekt verhalten hat, und nun stellt man ihn hin, als hätte er einen Fehler eingesehen, diensteifrig "Auflagen erfüllt" und sich damit die Gnadensonne seines Erzbischofs zurückverdient. Mit anderen Worten: Er soll in der Öffentlichkeit dastehen als ein Stück Knetmasse, das sich die kirchliche Obrigkeit nach gusto formen kann. Er soll also alle Glaubwürdigkeit verlieren.

Die "Kilianer" ziehen Bilanz. Unerträgliches ist geschehen: Ihr Erzbischof ist gegen alles Recht und Gesetz über ihren Pfarrer hergefallen, einen Priester, der in der ganzen Region höchstes Ansehen genießt und dessen dreißigjährige hochkompetente Arbeit und Seelsorge in Köln offenbar keine Geltung hat. Man hat ihn als "unerleuchteten" Deppen hingestellt und ihn mit massiven Drohungen in schwerste Bedrängnis gebracht. Der Erzbischof hat ein Gemeindefest gestört und verstört, das 25 Jahre eines überaus lebendigen Pfarrzentrums feiern wollte. Er hat einen Pfarrgemeinderat aus Christen, die sehr viel Kraft und Zeit in das Leben der Gemeinde investieren, zur bedeutungslosen Nullnummer erklärt. Er hat die Gemeinde gezwungen, ihren Gast wie einen Aussätzigen zu behandeln und hat ihr das beschämende Erlebnis beschert, dass ein weltlicher Verein und ein Bürgermeister als Träger für die geplante Veranstaltung einspringen mussten. Er hat die Katholiken von St. Kilian gezwungen, am Jubeltag ihres Hauses eben dieses Haus leer stehen zu lassen, weil eine zutiefst christliche Veranstaltung auf neutralem Boden stattfinden musste. - Und dies alles nicht etwa, weil die ahnungslose Gemeinde einen Verbrecher eingeladen hatte, einen geweihten Kinderschänder oder Ketzer, sondern einen weltweit angesehenen Bischof und Wohltäter unzähliger Menschen. - Und dies alles geschah im Kasernenton eines Erzbischofs, der keinen Dialog ermöglicht, sondern auf nichts als Befehl und Gehorsam setzt.

Mit Verlaub, Herr Kardinal, so etwas legen die Christen Ihrer Diözese nicht einfach "zu den Akten". Hier wird ihnen ein "Christentum" verordnet, von dem man sich nur mit Grausen abwenden kann und eine Kirche zugemutet, die den Menschen einer zivilen und freien Gesellschaft keine Heimat mehr bietet. Und man kann nur ahnen, wie viele Jugendliche, diesem "erbarmungslosen Laden" nun mit neu begründetem Misstrauen gegenüberstehen. Man kann nur hoffen, dass sie sich andere Vorbilder wählen als ihnen aus Köln angeboten werden, einen Jacques Gaillot zum Beispiel.

Aber in dieser Kirche gibt es keine ausweglosen Sackgassen. Christen, die das Evangelium hochhalten, legen nichts "zu den Akten". Sie tun etwas viel Besseres und das Einzige, was hier noch helfen kann: sie springen über ihren Schatten. Sie gestehen einen Fehler ein. Sie bitten die Opfer des Geschehens um Vergebung - und bessern sich drauflos.

Zu diesem Zeitpunkt ist das bei vielen noch die heimliche Hoffnung, wie ich aus manchen Gesprächen weiß. Welche Sensation wäre es, so denkt man, wenn auch einmal ein Erzbischof einen offenkundig falschen Schritt einräumen würde, wenn er, der doch oft genug von der Kanzel herab zu Umkehr und Versöhnung aufruft, einmal, ein einziges Mal, sich selbst mit einbezöge. Warum, so fragt man sich, kann er nicht einen dritten Brief schreiben oder - besser noch - persönlich in die Gemeinde kommen und sagen: Liebe Leute, Schluss mit dem Eiertanz. Ich habe mich verrannt. Auch ein Erzbischof macht Fehler, darin ist er seinen Diözesanen ähnlich. Ich war zornig, vielleicht auch ein wenig verletzt. "Warum laden die nicht ihren Bischof ein?" habe ich mich gefragt, "warum holen sie sich einen aus Frankreich?" Und ich war auch in Sorge. Da kommt jemand und stiftet Unruhe, dachte ich, einer, den der Papst aus dem Amt entlassen hat, und der wird sich ja wohl etwas dabei gedacht haben. Und da gingen die Pferde mit mir durch. Ich habe ein Recht behauptet, das es gar nicht gibt und habe euch und euren Pfarrer in große Bedrängnis gebracht. Ich habe auch meinen Amtsbruder aus Frankreich verletzt, und ich erschrecke vor mir selbst, denn wenn ich einem Menschen verbiete, sich frei zu bewegen, mache ich mich zu seinem Gefängniswärter. Wenn ich ihm verbiete mit anderen Menschen zusammen zu kommen, lege ich ihn wie ein böses Tier an die Kette. Und wenn ich ihm das freie Wort verwehre, dann ist es, als brächte ich ihn um. - Ich kann es leider nicht ungeschehen machen, aber eines weiß ich ganz gewiss: Irgendwo hinter diesen Ereignissen liegt unsere gemeinsame Zukunft, und die müssen wir finden, im Namen unseres Gottes, der uns gesagt hat: Wenn du zum Altar gehst und dir fällt ein, dass dein Bruder etwas gegen dich hat, dann lass deine Opfergabe liegen, geh erst und versöhn dich mit ihm. Dann kann du wiederkommen. - Also frei heraus. Ich will nicht jedes Mal, wenn ich zum Altar gehe, daran denken müssen, dass meine Geschwister in St. Kilian etwas gegen mich haben. Ich bin gekommen und möchte mich mit euch versöhnen. Hier ist meine Hand. - Und ich habe auch Jacques Gaillot einen Brief geschrieben, der ihn um Versöhnung bittet. Ich habe ihn gebeten, mich zu besuchen oder mich in Paris zu empfangen. Ich möchte ihn kennen lernen. Ich muss nicht in allem seiner Meinung sein. Es gibt viele Möglichkeiten, Gott und den Menschen zu dienen, aber ich möchte ihm zeigen, dass ich seine Menschenwürde achte. Dass ihm der Heilige Vater sein reales Bistum genommen hat, besagt vor Gott erst einmal gar nichts, genau so wenig wie die Tatsache, dass er mir das meinige bisher gelassen hat. Wir beide aber wollen versuchen, dort in Demut zu dienen, wohin uns Gott gestellt hat..."

Ein schöner Traum. Er würde aller Welt zeigen, dass in dieser uralten Kirche immer noch jeden Tag Wunder möglich sind und dass es viele kleine Auferstehungen gib, lange bevor wir die große erleben. Und welch eine Sensation in ganz Deutschland! Alle Welt würde sich die Augen reiben und es nicht glauben wollen. Ein Erzbischof, der einfache "Laien" um Vergebung bittet? Unmöglich. "Aber ja doch!" würden die katholischen Christen sagen. "Und es ist sogar der Kölner Erzbischof." - Und dessen Ansehen würde steil aufwachsen, und noch lange wäre es ein weithin leuchtendes Beispiel, wie Christen mit einander klarkommen, ohne Rücksicht auf Ämter und Würden, einfach so, weil ihre Gemeinschaft tiefer gründet als ein Konflikt, weil sie mehr zu verlieren haben als ihren äußeren Frieden, weil sie Gott ihren Zorn überlassen, nicht weil der besser strafen könnte, sondern weil er ins Innerste blickt und deshalb mehr Verständnis hat als wir.

Es bleibt beim Traum. Pfarrer Hösen bat Sie um ein Gespräch, das Sie ihm nach einer Woche gewährten. Zur gleichen Zeit versammelten sich rund hundert Mitglieder der St. Kilian-Gemeinde in ihrer Kirche zu einer "Sturm-Andacht". Sie erinnerten sich dieser alten Tradition, mit der ihre Vorfahren in Zeiten großer Unruhe und Gefahr den Himmel "bestürmten". Jetzt sangen und beteten sie zum Heiligen Geist, für ihren Seelsorger und für den Bischof, "dass er uns Vorbild sei durch seinen Wandel, uns trägt durch seine Liebe, uns stärkt durch seine Geduld, und erhält in der Freude des Heiligen Geistes, uns segnet durch seine Gebete..." (Gotteslob 27,3).

Das Gespräch war offenbar keines. Es war eine Befehlsausgabe von oben herab und in scharfem Ton. Sie bestanden abermals auf Ihrem alleinigen "Recht", einen anderen Bischof einzuladen. Sie machten die St. Kilian-Gemeinde dafür verantwortlich, dass Ihr Ansehen nun in der Öffentlichkeit beschädigt sei und forderten eine öffentliche Entschuldigung. Und was Gaillot angehe, so hätten Sie schon mit Kardinal Ratzinger telefoniert, um ein Verfahren gegen den französischen Amtsbruder anzustrengen.

In der Woche darauf, erschüttern andere Berichte die Öffentlichkeit. Auf bloße Denunziation hin gerät der junge Pfarrer von Meckenheim unter den falschen Verdacht, schwul zu sein, worauf Sie ihn zu den Sinti und Roma "strafversetzen". Ein neuer Vernichtungsschlag, nun gegen einen Ihrer Diözesanpriester und gegen eine andere Gemeinde, auch gegen gleichgeschlechtliche Mitmenschen, vor allem aber gegen die Sinti und Roma, die sich nun als "Strafkolonie" begreifen müssen. Aller Protest bleibt wirkungslos.


Als nächstes trifft es die Gemeinde St. Cosmas und Damian in Pulheim/Stommeln. Hier sind es die evangelischen Glaubensgeschwister, die Jacques Gaillot zu einem Gespräch eingeladen haben. Das kümmert Sie nicht, denn es besteht ja die "Gefahr", dass auch Katholiken die Veranstaltung besuchen. Diesmal schreiben Sie einen Brief direkt an Ihren Amtsbruder, der ihm de facto verbietet, in der Kölner Erzdiözese öffentlich aufzutreten. Gaillot verzichtet auf seinen Besuch. Er möchte nicht die unschuldige Ursache solcher Zerwürfnisse sein und will den Freunden in Deutschland Wunden und Verfolgung ersparen. - Jetzt haben Sie die Methode gefunden, mit der Sie Ihre Diözese "gaillot-frei" machen können. Da Sie sich auf das Feingefühl Ihres Opfers verlassen können, können Sie es ungehindert zum Schweigen bringen.

Die Methode funktioniert nun auch bei der von Publik-Forum geplanten Veranstaltung in der Bonner Beethovenhalle "Christsein im dritten Jahrtausend". Wieder erhält Bischof Gaillot einen Brief, der ihm jede Art öffentliches Auftreten in Ihrem Einflussbereich untersagt und ihm ein römisches Verfahren ankündigt, und abermals zieht er sich zurück. Er will die Waffen nicht aufgreifen, die Sie ihm hinhalten. Als Christ lebt er in einer völlig anderen Welt als Sie. Er hat auch Wichtigeres zu tun, als sich mit einem Kardinal auseinanderzusetzen, der das Mittelalter noch nicht verlassen hat.

Und nun gibt es wohl keinen ehrlichen Katholiken in Ihrer Diözese, der sich nicht schämt, dass Sie die Kölner Kirche repräsentieren wollen. Wo immer er oder sie sich als katholisch bekennen, müssen sie nun hinzufügen: "Das hat aber nichts mit Kardinal Meisner zu tun". Mit Ihren Aktionen stellen Sie sich selbst außerhalb der menschlichen und christlichen Gemeinschaft, und welcher Christ wird denn auf bloßen Befehl hin die eigene Suche nach Wahrheit und einem christlich erfülltem Leben einstellen und sich stattdessen mit dem "Tunnelblick" eines autoritären Amtsträgers abfinden?

Inzwischen habe ich den konfektionierten Brief gelesen, mit dem Sie auf die zahlreichen Proteste antworten. Erster Eindruck: Da ist nicht der Hauch einer selbstkritischen Nachdenklichkeit. Stattdessen Herabwürdigung der Schreiber und Vernebelung der Fakten. Ich greife nur fünf Punkte heraus:

1. Sie unterstellen den Gastgebern eine "provokative Einladung an Bischof Gaillot". Hier werde ein "amtsenthobener Bischof von kirchlicher Großveranstaltung zu kirchlicher Großveranstaltung herumgereicht". Damit können Sie mindestens Erftstadt und Stommeln nicht meinen, wo maximal drei- bis vierhundert Zuhörer zu erwarten waren. Außerdem zeigt es Ihr schäbiges Bild von Jacques Gaillot, den Sie als wohlfeile Handpuppe irgendwelcher obskurer Gruppen hinstellen.

2. Sie behaupten, Bischof Gaillot hätte sich bei Ihnen mit Schreiben vom 15. September dafür entschuldigt, dass er seinen Besuch nicht angekündigt habe. Dies ist im günstigsten Fall ein begehrlicher Übersetzungsfehler, denn der Ankündigungsbrief, der am 7. Juni an Sie abging, liegt leibhaftig vor.

3. Sie zitieren die Kirchenkonstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils (5), das die Ortsbischöfe als "authentische, das heißt mit der Autorität Christi ausgerüstete Lehrer" bezeichnet. Diesen Text beugen Sie nach Ihren Interessen. Dort ist nämlich nicht vom "Ortsbischof" die Rede, sondern von allen Bischöfen als "Glaubensboten, die Christus neue Jünger zuführen", also auch von Bischof Gaillot. Weiter heißt es: "Sie verkündigen dem ihnen anvertrauten Volk die Botschaft zum Glauben und zur Anwendung auf das sittliche Leben und erklären sie im Licht des Heiligen Geistes, indem sie aus dem Schatz der Offenbarung Neues und Altes vorbringen. So lassen sie den Glauben fruchtbar werden und halten die ihrer Herde drohenden Irrtümer wachsam fern." - Mit keinem Wort ist hier von Aussperrung, Unterdrückung der freien Rede oder Knebelung der Christen die Rede. Der einzig gangbare Weg ist "verkündigen" und "erklären" "im Licht des Heiligen Geistes". Und dies ist der Geist des Konzils, das bei der Ausbreitung und Wahrung von Christi Botschaft eben keine Zwangsmaßnahmen oder Gängelung mehr vorsieht. Warum sonst wäre der Index abgeschafft worden!

4. Sie versuchen, Ihre Manöver zu rechtfertigen, indem Sie Jacques Gaillot als Irrlehrer diffamieren. Sie behaupten einfach drauflos, der Papst habe ihn wegen lehramtlicher Differenzen aus seinem Bistum versetzt. Das ist die blanke Unwahrheit, und die Kölner Diözesanen wissen nun, dass sie von ihrem Erzbischof aus Ignoranz oder in strategischer Absicht belogen werden. Im Konflikt um das öffentliche Auftreten von Jacques Gaillot gegen die inhumanen Einwanderungsgesetze und andere gesellschaftliche Probleme in Frankreich ging es zu keinem Zeitpunkt um Lehraussagen. Johannes Paul II. hat sich damals auf die Seite der Mächtigen in Frankreich gestellt, weil er die Kompromisslosigkeit nicht dulden wollte, mit der Bischof Gaillot sich auf die Seite der "Geringsten" stellte. Dies hat der Papst zu verantworten.

5. Sie schreiben, Sie hätten "Bischof Gaillot ausdrücklich zu einem persönlichen Gespräch" in ihr Haus eingeladen. "Ich verweigere Herrn Bischof Gaillot also weder Gastfreundschaft noch Dialog." - Mit Verlaub, dies ist blanker Zynismus. Wie soll ein normaler Mensch eine "Einladung", die ihn gleichzeitig in aller Klarheit auffordert, die Kölner Erzdiözese nicht mehr aufzusuchen und dieser Forderung auch noch mit einem intriganten Manöver bei der römischen "Machtzentrale" Nachdruck verleiht? Was könnte auch bei einem "Dialog" herauskommen mit einem "Gast", den Sie vorab und gegen jede Evidenz als Irrlehrer definiert haben? Und wie soll sich ein ausländischer Bischof von Ihnen ehrlich eingeladen fühlen, wenn Sie gerade erst eine Kirchengemeinde unter schwerstem Druck gezwungen haben, ihn wieder auszuladen?

Das eigentliche Problem ist aber gar nicht, ob Sie mit Bischof Gaillot einen Dialog führen oder nicht. Entscheidend ist, dass die Katholiken Ihrer Diözese nun gehindert sind, einen solchen Dialog mit ihm zu führen. Diese sind nämlich nicht mehr bereit, sich von ihrem Erzbischof bevormunden zu lassen und wollen zu einem eigenen Urteil kommen. Sie haben dazu ein verbrieftes Recht, nicht nur aus dem Geist des Evangeliums, sondern auch aus den Grundsätzen ihrer politischen Verfassung. Sie leben in einem demokratischen Rechtsstaat des 21. Jahrhunderts.

Da Sie bei Ihrem Amtsantritt auch auf die Verfassung des Landes NRW geschworen haben, und die Regelung innerkirchlicher Angelegenheiten nicht gegen die Grundrechte verstoßen darf, hat das Ganze also auch noch eine politisch-juristische Komponente. An diesem Punkt sind auch Bürger betroffen, die nicht Mitglied der Katholischen Kirche sind.

Ich fasse die Faktenlage zusammen: Der von Ihnen geschaffene Zustand ist und bleibt so lange unerträglich wie Sie ihn nicht in aller Form beenden und sich ehrlich bemühen, den entstandenen Schaden wieder gut zu machen.

Was an Ihrer Vorgehensweise vor allem erschreckt, ist nicht nur die Gefühlskälte, mit der Sie vorgehen, sondern vor allem die aseptische Klarheit, mit der Sie offenbar Ihren Standpunkt sehen und ihn gegen alles Nachdenken und Abwägen durchsetzen. Schon der leiseste Zweifel müsste Sie ja sonst veranlassen, über die Person und das Lebenswerk von Jacques Gaillot einmal nachzudenken. Als Christ müssten Sie liebevoll und eifrig nach Aspekten und Aussagen suchen, die Ihr Urteil positiv beeinflussen könnten, immer auch in der Hoffnung auf interessante Einsichten, Ideen und Erfahrungen, die Ihnen selbst noch unbekannt sind und die Ihr eigenes Bild von Gott und der Welt ergänzen und bereichern würden. Und wären da wirklich Einzelheiten, denen Sie widersprechen müssten, so würden Sie noch lange hoffen, es sei nur ein Missverständnis. Sie würden das persönliche Gespräch suchen, um größere Klarheit zu gewinnen und auch bei bleibendem Dissens, Ihrem Gegenüber nicht den persönlichen Respekt verweigern, denn zumindest dessen Ehrlichkeit steht ja außer Zweifel. "Meinem Meinungsgegner", schreibt Thomas von Aquin, "darf ich erst dann widersprechen, wenn ich das beste seiner Argumente überzeugender vortragen kann als er selbst."

Dabei geht es in diesem Fall, wie dargelegt, nicht einmal um theologische oder lehramtliche Meinungsunterschiede. Bischof Gaillot ist kein Theoretiker. Er baut kein Denkgebäude und schreibt keine Manifeste. Er orientiert sich praktisch und unmittelbar am Evangelium. Theologische Streitfragen interessieren ihn gar nicht. Er ist konform mit dem Glaubensbekenntnis und den Lehraussagen der Katholischen Kirche, die er seine Heimat und Familie nennt.

Norm und Mitte unserer Kirche ist Jesus Christus. Dadurch, dass er "das Angst- und Schreckenerregende aus dem Gottesbild der Menschheit tilgte, erwies er sich als der größte Revolutionär der Religionsgeschichte" (Eugen Biser). Wie aber kann ihn ein Bischof glaubwürdig verkünden, der so rücksichtslos über einen glaubwürdigen Christen wie Gaillot herfällt und mit seinen Maßnahmen Angst und Schrecken erregen will?. Was unterscheidet ihn von jenen aus der Kirchengeschichte, die einen Menschen wie Jacques Gaillot auch physisch ausgelöscht haben, wenn sie die Macht dazu hatten?

Der Fundamentalismus ist eine der großen Seuchen unserer Zeit. Sie sollten erschrecken, dass Sie damit bei dumpfen Katholiken Beifall ernten. Viele Menschen ertragen nicht die Komplexität der Gesellschaft, in der sie leben. Sie sehnen sich nach einfachen und klaren Verhältnissen. Ein Seelsorger sollte ihnen helfen, nicht den schrecklichen Vereinfachern auf den Leim zu gehen, statt selbst ein solcher zu sein. Das Leben ist keine mathematische Gleichung, die restlos aufgeht. Es ist auch nicht keimfrei und clean. Die Reinlichkeitsfanatiker der Geschichte von Robbespierre bis Stalin, von Hitler bis Pol Pot haben genug angerichtet, als dass man ihnen noch ein Wort glauben könnte.

Eine Kirche oder Religionsgemeinschaft, die sektiererischen Gelüsten nachgeben würde, wäre nicht nur ein unnützes Fossil, sie wäre sogar gemeingefährlich, denn sie würde das menschenwürdige Zusammenleben der Einzelnen und der Völker bedrohen. Jede Zeitung, die ich aufschlage, liefert dafür erschreckende Beispiele. Wenn die Kraft des Religiösen in falsche Bahnen gerät, wenn sie von Demagogen missbraucht wird, dann zerstört sie die Freiheitsrechte und den Frieden. - Die Religion, die Sie Ihren Diözesanen anbieten, nein, mit Drohgebärden verordnen, ist einer solchen Pervertierung erschreckend nahe.

Sektierer haben ein verzerrtes Bild der Wirklichkeit. Da ihre Glaubenssätze überall mit den wirklichen Verhältnissen kollidieren, versuchen sie unablässig, sie zu korrigieren, - natürlich nicht die Glaubenssätze, sondern die Wirklichkeit. Ihr Gegenüber ist dann immer Objekt eines fanatischen Missionierens. Wer nicht zustimmt, wer auch nur Zweifel äußert, ist entweder Dummkopf oder Bösewicht. Solche Prediger unterdrücken jede abweichende Meinung, halten in panischer Angst an dürren Gewohnheiten fest. Jeder neue Gedanke gilt als Verrat oder Sünde. Und immer fühlen sie sich bestätigt, denn ihre Lieblingsrolle ist die des einsamen und unverstandenen Rufers in der Wüste. Zuletzt gehören sie zu den Untergangspropheten, deren ganzes Leben sich in der Hoffnung verzehrt, eines Tages Recht zu haben. Deshalb arbeiten sie zumeist auch lieber daran, die Katastrophe herbeizuführen, als sie zu verhindern.

Aus solcher Enge kann das Evangelium befreien, auch einen Erzbischof, denn "es gibt in unserer geschaffenen Welt einen Geist, der ein ungeschaffenes Geschenk ist... Zu ihm als Beistand wendet sich der Mensch, der von Wahrheit und Liebe lebt und der ohne die Quelle der Wahrheit und der Liebe nicht leben kann." (Johannes Paul II.)

Ich weiß, dass Ihnen der Priesternachwuchs ein besonderes Anliegen ist, aber welch ein Priesterbild stellen Sie uns vor! - Ich hörte Sie einmal bei einer Priesterweihe im Dom predigen. Sie empfahlen den jungen Burschen allen Ernstes, sich ein Beispiel an den kleinen weißen Figuren zu nehmen, die sich irgendwo hoch oben im Steingebirge des Domes verstecken, unsichtbar und unerreichbar für die Menschen, aber dafür in heiligem Dienst und reinem Dasein vor Gott. Vielleicht war es als Hinweis auf die mystische Komponente des Priestertums gemeint, aber kann man junge Priester mit einer so blutarmen und lebensfremden Botschaft ins Kreuzfeuer der Gesellschaft entlassen? Müssen sie nicht, indem sie diesem Ideal ähnlich werden, an ihren eigentlichen Aufgaben scheitern? Ist das von Gott geschenkte bunte Leben in der von ihm geschaffenen Welt so wenig wert oder gar gefährlich, dass sie vor Berührungen warnen und unter den Glassturz eines so dürftigen Priesterbildes stellen muss?

Und es erscheint mir nur noch als Pose, denn in diesen Wochen erleben wir ja, wie Sie mit Ihren Mitbrüdern umgehen. In einer Zeit dramatischen Priestermangels, in der zahlreiche Gemeinden verwaisen und die Seelsorger ständig überlastet sind, behandeln Sie Geistliche Ihrer Diözese wie dumme Schuljungen und Fußabtreter. Das sind nicht nur punktuelle Entgleisungen wie im Falle Pastor Hösens, den Sie am Tage seines 30jährigen Ortsjubiläums in solche Bedrängnis brachten. Sie beladen alle Priester in Ihrem Einflussbereich mit einer dumpfen, nicht greifbaren Last, die sie lähmt und entmutigt. Die Arbeit dieser Männer scheint Ihnen nichts zu bedeuten. Eine Augenblickslaune genügt, um über sie herzufallen, und viele haben längst die innere Kündigung vollzogen.

In den Tagen, als Sie Pfarrer Hösen nachstellten, gingen dessen Aufgaben als Seelsorger weiter. Er musste Todesnachrichten überbringen, eine Wallfahrt vorbereiten, die Kommunionkinder auf den Weg bringen, in zahlreichen Gruppen präsent sein, sich um das Entwicklungsprojekt der Gemeinde kümmern, Messen lesen, Beerdigungen, Hochzeiten, Taufen leiten, und "nebenbei" gelang es ihm noch eine junge Frau zu retten, die sich vom Hochhaus in die Tiefe stürzen wollte.

Wie können Sie einem solchen Priester in die Hacken treten, als sei er Ihr Lakai! - Was werfen Sie ihm vor? Dass er nicht ahnen konnte, wie menschenverachtend Sie mit Jacques Gaillot und der St. Kiliangemeinde umgehen würden? Er konnte es nicht ahnen, weil er bis dahin von seinem Erzbischof ein schmeichelhaftes Bild hatte. Das war sein Vergehen.

Der Priestermangel hat sicher mancherlei Gründe. Ich kann mir aber auch nicht vorstellen, dass ein junger Mann unter Ihrem Regime positive Argumente fände, sich für diesen Beruf zu entscheiden. Da muss man mehr und anderes bieten als eine Dunstglocke von Misstrauen und geistiger Unterdrückung.

Und auch die Gemeinden Ihrer Diözese mussten nun hinzulernen. Ungezählte erwachsene Christen, die sich tagtäglich für ihre Kirche und bedürftige Menschen einsetzen, die Gottesdienste mitgestalten, Bildungsangebote, das Pfarrleben organisieren und sehr viel Geld auf den Sammelteller legen, sie alle haben begriffen, dass sie im Grunde stören, dass sie nicht einmal das Recht haben, einen Gast ihrer Wahl einzuladen, mit ihm zu sprechen und sein Buch zu lesen. Sie haben Jacques Gaillot signalisiert, er sei in Ihrer Diözese nicht erwünscht. Sie irren sich. Er ist willkommener denn je. Es gibt nun aber auch einige Gemeinden mehr, denen ihr Erzbischof nicht mehr willkommen ist, weil man ihn als eine Gefahr empfindet, der man möglichst aus dem Weg geht.


Jesus hat einen menschenfreundlichen Gott verkündet. Sein "Reich" ist nicht mit List oder Gewalt durchsetzbar. Von Anfang an steht das Christentum in einem Spannungsverhältnis zur Macht. Wo es deren Versuchungen erliegt, wo es Menschen ihrer elementaren Rechte beraubt und sie mit Machtmitteln ausgrenzen und vernichten will, verliert es die eigene Legitimation. Auch innerhalb der Kirche hat nur derjenige einen Anspruch auf charismatische Autorität, der sich als der Diener aller versteht. "Eine Kirche, die nicht dient, dient zu nichts", sagt Jacques Gaillot. Sie ist nur noch "System" oder "Apparat". Sie stützt sich auch nicht mehr auf Seelsorger, sondern auf blinde Erfüllungsgehilfen und Funktionäre. Sie lässt sich durch nichts mehr stören, am wenigsten vom Evangelium.

Für Jacques Gaillot steht nicht der Apparat im Mittelpunkt, sondern der einzelne Mensch, den eine Not, eine Schuld oder Verwirrung niederdrückt. Ihm wendet er sich zu, gibt ihm ein gutes Wort und eine helfende Hand. Und wer schon glaubte, keinen Spielraum mehr zu haben, am Ende zu sein und verzweifeln zu müssen, dem gibt er neue Atemluft. - Er handelt nicht anders, als es Jesus getan hat. - Er verkündet keine lebens-feindliche Prinzipienmoral und stiehlt sich nicht aus der Verantwortung. Er kümmert sich um den "Verletzten am Straßenrand", anders als der Kirchenmann, der "ihn sah und vorüberging". (Wie lebt der Papst und wie leben Sie z.B. mit dem prinzipiellen Kondomverbot angesichts von real 40 Millionen AIDS-Opfern in der Welt? Und wie ruhig schlafen Sie beide angesichts der realen rund 5.000 Abtreibungsopfer, die jährlich in Deutschland durch die katholische Konfliktberatung verhindert wurden, bis Sie das aus "prinzipiellen Erwägungen" gestoppt haben?) Jacques Gaillot starrt nicht auf das Prinzip. Er sieht den gefährdeten Menschen. Er läuft auch nicht dem Zeitgeist nach, indem er sich gern mit ein paar markigen Worten in die Boulevardpresse bringt, dann aber zurückzieht und die Menschen mit ihrer Not allein lässt. Er ist kein Bischof "mit beschränkter Haftung". Er lässt die Herde nicht im Stich, wenn der Wolf kommt. Er hält ihr keine wohlfeile Moralpredigt, sondern gibt ihr Kraft in Zeiten der Gefahr. Er richtet sie auf und macht sie nicht nieder. Er zeigt ihnen den Erlöser und drängt sich nicht wütend dazwischen.

Sie, Herr Kardinal, feiern sich gern als der aufrechte Kirchenmann, der dem SED-Regime die Stirn geboten habe. Auch das überzeugt mich nicht mehr, denn offenbar waren Sie gelehriger Schüler jenes Systems. Sie versuchen doch, in unserer Kirche genau das durchzusetzen, was zu den Merkmalen diktatorischer Systeme gehört: Verbot des freien Denkens und Schreibens, Verbot der Freizügigkeit und Versammlungsfreiheit, Unterdrückung aller Meinungen, die von der ideologischen Linie abweichen, soziale Vernichtung von Menschen, die sich dem Zugriff nicht entziehen können und Ermunterung zu Spitzeldiensten und Denunziantentum.

Eines Ihrer Lieblingsbilder ist das von der Kirche als Auto, dessen Karosserie gegenüber dem Motor zu groß geworden sei. Sie täuschen sich. Der Motor ist viel größer und stärker als Sie annehmen. Man muss nur zuweilen das Gaspedal bedienen und darf nicht immer nur auf der Bremse stehen. Viele Menschen und Kräfte bewegen den Motor. Man darf sie nur nicht wegbeißen oder ersticken. Und überhaupt grenzenlos ist der Treibstoff der christlichen Botschaft und göttlichen Gnade. Man darf diesen nur nicht dauernd mit dem Wasser der eigenen Enge und Ängstlichkeit verdünnen.

Aus dieser Enge kann nur eines herausführen: der Dialog. - Schauen Sie einmal aus dem Fenster! Da draußen leben Menschen, die sich etwas zu sagen haben. Sie diskutieren über den ethischen Hintergrund aktueller Konflikte. Sie fragen nach Lebensentwürfen und Gesellschaftskonzepten. Sie versuchen Feindbilder und Vorurteile abzubauen. Sie alle stehen vor ungeheuren Herausforderungen: Die technische Machbarkeit des Weltuntergangs, die Verfügbarkeit der Evolution in Reagenzglas und Petrischale. Die ökologische Vernichtung elementarer Lebensgrundlagen. Die Globalisierung von Arbeit, Markt und Kapital. Der grenzüberschreitende Terrorismus und das organisierte Verbrechen. Die massenhafte Armutswanderung. Die immer noch anarchische Grundstruktur der Staatenwelt. Die Alterspyramide. Die Flucht in fundamentalistische Rückwärtsträume. Das alles stellt unerhörte Aufgaben, die nur im Dialog zu bewältigen sind. Heute glaubt auch niemand mehr "auf's Wort", dass die Welt besser aussähe, wenn alle christlich oder islamisch oder buddhistisch oder sozialistisch oder humanistisch denken und handeln würden. Man will nicht mehr wissen, auf welche Utopie oder Erlösung man sich freuen soll, sondern fragt ganz einfach: Wie geht ihr mit den anstehenden Problemen um?

Und die damit unlösbar verbundene Frage ist: Seid ihr fähig zum Dialog? Seid ihr in der Lage, nicht über, sondern mit den Menschen zu reden? Wollt ihr wissen, was sie bewegt? Seid ihr bereit, Fenster zu öffnen, um - auf Gefahr eines Schnupfens - frische Luft hereinzulassen? Sind die Menschen euer Objekt oder Subjekt? Mögt ihr sie? Freut ihr euch, dass es sie gibt, oder stören sie eure Kreise und Systeme? Geht ihr auf sie zu oder auf sie los? Versteht ihr die Kunst, zu trösten, zu erklären, zu helfen gegen die Mächte, die sie bedrängen?

"Die Mitte unseres Glaubens war und ist so lange vernebelt und verdunkelt", schreibt Eugen Biser, "wie in der Christenheit Gewalt geübt oder billigend hingenommen wird. Gewalt in jeder Form, auch als Unterdrückung des freien Denkens, richtet sich diametral gegen den Heilswillen Christi. Das Zweite Vatikanische Konzil wird schon deshalb einen unverrückbaren Platz in der Geschichte haben, weil es mit der Praxis gewaltsamer Konfliktlösungen brach und den Dialog zum Prinzip jeder Problembehandlung erhob. Nach langen Jahrhunderten wurde der Weg zur Mitte wieder frei."

Die Kirche hat eine große Tradition des Dialogs. Immer aber auch haben sich Kräfte in den Vordergrund gedrängt, denen das offene und freie Wort zuwider war. Sie versuchten, die Probleme zu verbieten, anstatt sie zu lösen. Sie hofften, den Dialog der Christen unter Androhung kanonischer Strafen zum Schweigen zu bringen und machten sich doch nur zum traurigen Clown, denn der Geist wehte, wann und wo er wollte.

Von seinem Ursprung her ist das Christentum keine moralische, sondern eine Heilbringende Botschaft. Ihr Zentrum ist der von Jesus verkündete und erlittene Gott der bedingungs- und vorbehaltlosen Liebe. Wir glauben nicht an einen zwischen Güte und Zorn schwankenden Gott als Projektion der menschlichen Geschichts- und Selbsterfahrung. Jesus hat die Unnahbarkeit Gottes durchstoßen und uns seine Botschaft als Gottes Liebeserklärung an die Welt geschenkt, unverdient und unverlierbar. Aus der Sicht des Menschen ist es die einzige Möglichkeit, mit Gott zu kommunizieren, denn man kann etwas vollkommen lieben, ohne es vollkommen zu verstehen. Auch der Mensch neben mir steht in diesem Liebesverhältnis zu seinem Schöpfer, ob er es schon weiß oder nicht. Wie könnte er also mein Feind sein? Wie könnte ich ihn quälen und verletzen?

Das Christentum kann und muss allen Verkürzungen des Menschen entgegentreten. Wer einen Jacques Gaillot verfolgt, wer Christen hindern will, mit ihm zusammen zu kommen und Gedanken auszutauschen, hat der hungrigen Welt nichts zu bieten. Er stellt sich der befreienden Liebe Gottes in den Weg, statt ihr Antwort und Nachhall zu geben. Und wenn sich die Kirche in so wesentlichen Punkten nicht von den Diktaturen dieser Welt unterscheidet, dann muss sie sich nicht wundern, wenn die Menschen sich von ihr abwenden und die lebenswichtige Geborgenheit in anderer Umgebung suchen. Wenn die Kirche aber "Stadt auf dem Berge" sein will oder "Salz der Erde", wenn sie Menschen zu Liebhabern Gottes machen will, dann muss sie deren Persönlichkeit fördern, muss ihr Suchen fördern und sie ihre vielen Gaben reich und weit aussäen lassen. Da mag dann auch Unkraut darunter sein, aber auch dazu hat uns Jesus ein liebenswürdiges Gleichnis erzählt. Man lässt es mitwachsen bis zur Ernte. Und wir sind nicht Herr der Ernte. Wir alle werden uns noch sehr wundern, was Gott unter Unkraut versteht und was nicht.

In seiner Generalaudienz vom 3. Juni 1992 fand Papst Johannes Paul II. klare Worte: "Wir müssen zugeben, dass es in den Jahrhunderten nicht an Verletzungen des Liebesgebotes gemangelt hat, denn die Kirche ist eine Gemeinschaft auch von Sündern. Es gab Verfehlungen einzelner und von Gruppen, die sich christlich nannten, im zwischenmenschlichen Bereich, auf sozialer und internationaler Ebene. Das ist die schmerzliche Wirklichkeit, die man in der Geschichte der Menschen und der Nationen und auch in der Geschichte der Kirche entdeckt. Im Bewusstsein der eigenen Berufung zur Liebe nach dem Beispiel Christi bekennen die Christen in Demut und Reue diese Sünden gegen die Liebe, ohne jedoch aufzuhören, an die Liebe zu glauben, die nach Paulus "alles erträgt" und "niemals aufhört". Auch wenn sich in der Geschichte der Menschheit und der Kirche selbst Sünden gegen die Liebe anhäufen, die traurig stimmen und betrüben, so muss man gleichzeitig voll Freude und Dankbarkeit anerkennen, dass es zu keiner Zeit an Christen fehlt, die wunderbare Zeugnisse zur Bekräftigung der Liebe geben."

Solche Zeugnisse gibt Jacques Gaillot. Ein Erzbischof, der das nicht zur Kenntnis nehmen will und den ihm anvertrauten Christen das gleiche Verhalten abfordert, gehört leider zur "schmerzlichen Wirklichkeit" unserer Kirche.

Und nun nähert sich der Weltjugendtag. Eine Million junger Menschen soll aus allen Teilen der Welt zusammenkommen, um hier in unserer Diözese ihren Glauben zu feiern. Hoffentlich erfahren sie nicht, dass sie hier ein Erzbischof empfängt, an dessen Glauben nichts zu feiern ist, weil er ihn zum Werkzeug für menschenverachtende Aktionen missbraucht. Gott sei Dank sind mit der Vorbereitung und Begleitung dieses Ereignisses Tausende katholischer Gemeinden, Jugendgruppen, Priester und Helfer betraut, die es ehrlich meinen und sich mit Freude und Kraft dafür einsetzen, dass es wirklich ein unvergessliches Glaubensfest wird. Wenn ich nur Sie als Empfangschef der jungen Besucher sähe, müsste ich fürchten, dass diese ahnungslos in eine Falle laufen. Machen Sie den Test: Halten Sie beim großen Abschlusstreffen eine Begrüßungsansprache, in der Sie den jungen Christen im Beisein des Heiligen Vaters mitteilen, sie seien hier in der Kölner Erzdiözese natürlich nur erwünscht, wenn sie sorgfältig die Berührung mit Menschen wie Jacques Gaillot vermeiden, wenn sie versprechen, nie eines seiner Bücher zu lesen und sich bei etwaigen Zweifeln blind dem Kölner Kardinal unterwerfen. - Machen Sie den Versuch! - Ich denke, soviel Ehrlichkeit sind Sie Ihren jungen Gästen schuldig. Und die ganze Welt würde Ihnen zuhören. Stellen Sie sich vor, wie gründlich Bischof Gaillot dann endlich vernichtet wäre! - Aber ich bin sicher, dass die Jugendlichen einer nach dem andern aufstehen und traurig davon gehen würden, denn dies ist nicht der Glaube, den man feiern kann. Und auch der Heilige Vater würde (hoffentlich) erschrecken, dass hier jemand meint, sich mit dieser Haltung auf ihn berufen zu können.

Vielleicht habe ich nun meinerseits lieblos gesprochen. Wenn ich mich persönlich zu verteidigen hätte, könnte ich milder formulieren. Hier aber geht es um Menschen, deren Würde und Freiheit angegriffen wurde, und es geht um die katholische Kirche, in der ich aufgewachsen bin, in der ich mitarbeite, in der ich das Lob Gottes und seiner Schöpfung singe und die ich gern anderen Menschen als ein wunderbares Geschenk dieses Gottes präsentieren möchte, um auch sie die Freiheit und Fülle ihres Daseins entdecken zu lassen. Diese Kirche lasse ich nicht widerstandslos beschädigen, auch nicht von einem Erzbischof.

Mit freundlichem Gruß
Dr. Ulrich Harbecke

Dr. Ulrich Harbecke ist Mitglied der St. Kilian-Gemeinde in Erftstadt, die das erste Opfer der Kampagne Kardinal Meisners gegen Bischof Jacques Gaillot wurde. Er ist Journalist, Schriftsteller und Komponist, war von 1970 bis 2004 Redakteur im WDR Fernsehen, zuletzt als Programmgruppenleiter "Religion und Bildung". Hier betreute er die Sendereihe "Gott und die Welt", Gottesdienstübertragungen im Fernsehen und hatte u.a. die Gesamtleitung des Projekts "2000 Jahre Christentum". - Er ist Verfasser zahlreicher Sachbücher und Romane, z.B. "Abenteuer Deutschland" (Lübbe), "50 Jahre UNO" (Lübbe), "Mantel, Schwert und Feder" (Grupello), "Der gottlose Pfarrer" (Herder), dessen Nachfolgeband "Der gläubige Kardinal" gerade erschienen ist. (Grupello Verlag, Düsseldorf).