Solidarität mit Bischof Luíz Flávio Cappio

Dom Luiz Cappio, Bischof der Diözese Barra im Bundesstaat Bahía, befand sich seit 27. November 2007 im Hungerstreik, um gegen die Verlegung des Río São Francisco zu protestieren. Verhandlungen mit der brasilianischen Regierung haben zu keinem Erfolg geführt, vielmehr hat die Regierung laut Bischof Cappio sogar ihr Wort gebrochen, das sie ihm vor zwei Jahren gegeben hat. Das Projekt wurde begonnen, ohne eine umfassende, transparente landesweite Debatte mit der Bevölkerung über die Vor- und Nachteile der Flussumleitung durchzuführen. Bischof Cappio befürchtet, wie viele andere, massive ökologische und soziale Konsequenzen durch das Projekt, das vermutlich nur den Interessen einiger weniger dienen wird.

Nach einer Meldung des ORF hat ein Bundesgericht in Brasilia am 11.12.2008 mit einer einstweiligen Verfügung die Bauarbeiten für das umstrittene Megaprojekt der Umleitung des Rio Sao Francisco gestoppt. Bischof Dom Luiz Flavio Cappio, der gegen das Projekt einen Hungerstreik begonnen hatte, nahm die Nachricht mit großer Freude auf. Da es sich aber nur um eine einstweilige Verfügung handelt, ist die weltweite Solidarität auch weiter sinnvoll und erforderlich.

Drei mögliche Solidaritätsaktionen werden vorgeschlagen:
Kopien der Mails bitte per Blindcopy an apoio.dom.cappio@gmail.com

Weitere Informationen auch unter:
http://www.lebenshaus-alb.de/magazin/004728.html
http://www.trotz-duerre-leben.de/protestcappio.shtml
http://www.ewl-hueckelhoven.de/rio_sao_francisco.htm



Ein Bischof im Hungerstreik

Von Eva Völpel

(Berlin, 11. Dezember 2007, npl).- Nun schon seit dem 27.11. befindet sich Bischof Luíz Flávio Cappio aus der Diözese Barra im Bundesstaat Bahia im Hungerstreik. Er, sowie vier weitere Geistliche seiner Gemeinde, die ihn im Hungerstreik begleiten, protestieren damit gegen die Umleitung des Flusses São Francisco. Damit nimmt der Bischof einen Hungerstreik wieder auf, den er im September 2005 nach elf Tagen unterbrochen hatte. Damals erstreikte er von Präsident Lula die Zusage, das Flussumleitungsprojekt zu suspendieren und einen Dialogprozess zu beginnen. Statt fand Monate später jedoch nur ein einziges Treffen zwischen RegierungsvertreterInnen und der Zivilgesellschaft. Danach wurde der Dialogprozess auf Grund des Wahlkampfes ausgesetzt. Nach Lulas Wiederwahl ignorierte dieser alle vorher gemachte Zusagen und nahm den Dialog nicht wieder auf.

Stattdessen haben seit Mai 2007 die Bauarbeiten am Projekt begonnen, nachdem die Bundesumweltbehörde im März diesen Jahres die Genehmigung dazu erteilt hatte. Und das, obwohl die gesetzlich vorgeschriebenen öffentlichen Anhörungsverfahren mit der Bevölkerung nie durchgeführt wurden, das formale Genehmigungs- und Ausschreibungsverfahren noch nicht abgeschlossen ist, der oberste Gerichtshof noch nicht über die laufenden Einspruchsverfahren gegen das Projekt entschieden hat und zahlreiche Fachleute die Umweltverträglichkeitsstudie des Projektes als unzureichend und fehlerhaft kritisieren.

Hinter der geplanten Flussumleitung steckt ein groß angelegtes Infrastrukturprojekt, mit dem durch den Bau von zwei Kanälen Wasser in nördlich gelegenere Flüsse geleitet werden soll, die zeitweise austrocknen. Das Projekt war jedoch von Anfang an sehr umstritten und rief großen Widerstand seitens der brasilianischen Bevölkerung hervor. Noch im Jahr 2001 wandten sich auch die brasilianische Arbeiterpartei PT und der damalige Präsidentschaftskandidat Lula gegen das Vorhaben. Damals noch stellten sie die Umsetzbarkeit und Effizienz in Frage. Kurz nach seinem Wahlsieg im Jahr 2002 erklärte Lula das Projekt jedoch zu einer seiner Prioritäten.

Entgegen den Regierungsaussagen, die immer wieder betonen, das Projekt solle die Wasserversorgung von rund 12 Millionen Menschen sichern, wird es wohl v.a. dem exportorientierten Industrieagrarsektor wie Obst- und Zuckerrohrplantagen sowie der industriellen Krabbenzucht zu Gute kommen. So sind nur 4% des Wassers den im Landstrich lebenden Menschen vorbehalten, der Rest wird in Bewässerungsprojekte der Großagrarindustrie (70% des Wassers) und in die Städte (26%) abfließen. Auch der Oberste Gerichtshof hatte in Frage gestellt, dass das Projekt die Trinkwasserversorgung für 12 Millionen Menschen sichere, denn in dem eigentlichen Projekt sei lediglich der Ausbau der Hauptkanäle vorgesehen. Die Zuleitungssysteme für die Gemeinden müssten die jeweiligen Bundesstaaten selbst finanzieren. Diese verfügen aber über nur sehr spärliche Haushaltsmittel.

Auch internationale Geldgeber haben sich bisher nicht von dem Projekt überzeugen lassen. In einer Studie spricht sich selbst die Weltbank gegen eine Kreditvergabe für das Projekt aus, da die positiven Effekte für die Armutsbekämpfung nicht belegt seien.

So kritisieren ProjektgegnerInnen, dass die LandbewohnerInnen der Region nach der Flussumleitung unter extremer Wasserknappheit leiden werden. Schon heute verfügt der Sobradinho Stausee am São Francisco-Fluss über nur 14% seiner Speicherkapazität, ein deutliches Zeichen für die sich derzeit schon extrem vermindernden Wasserreserven des Flusses. Diese jetzt schon im langjährigen Durchschnitt sinkenden Wasserstände des Flusses werden jedoch im Projekt Flussumleitung nicht berücksichtigt.

Dazu kommt, dass nach der Umsetzung des Projekts mit einem Anstieg des Wasserpreises auf das Fünffache zu rechnen ist, denn als hauptsächliches Finanzierungsinstrument für die Flussumleitung ist eine Umlegung der Kosten auf die WassernutzerInnen vorgesehen.

KritikerInnen weisen darauf hin, dass das semiaride Gebiet um den Fluss durchaus über genügend Wasser verfüge, nämlich durch zahlreiche Wasserrückhaltebecken, kleine und größere Stauseen über ein Gesamtvolumen von 37 Milliarden m³ Wasser. Dieses würden jedoch schlecht genutzt und v.a. nicht gerecht verteilt. Erst im Dezember letzten Jahres veröffentlichte die nationale Wasserbehörde ANA eine Studie zu Alternativ-Projekten. Danach könnte allein mit der Hälfte der derzeit für das Projekt vorgesehenen Gelder die Wasserversorgung von rund dreimal mehr Gemeinden als aktuell vorgesehen gesichert werden. Auch ein Netzwerk von NGOs der semiariden Region hat Alternativpläne vorgelegt, mit denen eine Trinkwasserversorgung für die Landbevölkerung kostengünstig gesichert werden könnte.

Doch bisher zeigt sich die brasilianische Regierung uneinsichtig. Auf den Brief, den der Bischof an seinem ersten Fastentag an Präsident Lula schickte und in dem er ihn des Betrugs gegenüber seiner Person, aber auch gegenüber der ganzen brasilianischen Gesellschaft bezichtigt, verkündete Lula kurz darauf in einem Fernsehinterview: "Der Bischof bringt mich in eine schwierige Lage, weil ich zwischen ihm, der einen vorsätzlichen Hungerstreik macht, und 12 Millionen Einwohnern des Nordostens wählen muss, die Wasser zum Überleben brauchen. Es besteht kein Zweifel, dass ich mich für die Armen dieses Landes entscheiden werde".

An Lulas Haltung hat sich auch mit dem Fortgang des Hungerstreiks nichts geändert. Ganz im Gegenteil hat er die Militärpräsenz am Fluss verstärken lassen, Teile der Bauarbeiten werden direkt von Soldaten ausgeführt.

Währenddessen wächst der Widerstand in der Region. Tausende nehmen an den täglichen Messen des Bischofs teil und zahlreiche Pilgerer haben sich nach Sobradinho aufgemacht, wo sie von einer Bevölkerung, die sich mit dem Bischof solidarisch erklärt hat, aufgenommen und versorgt werden. Auch zahlreiche Menschenrechtsgruppen, die Landlosenbewegung MST, VertreterInnen politischer Parteien, Teile der Kirche, indigene Gruppen und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens haben sich mit Bischoff Cappio solidarisch erklärt. An verschiedenen Orten finden immer wieder Solidaritätskundgebungen und -aktionen statt.

Der Bischof, der mittlerweile neben Wasser auch eine Zucker-Salz-Lösung zu sich nimmt, um länger durchzuhalten, denkt währenddessen nicht ans Aufgeben. Er verkündete in einem Brief, er werden seinen Hungerstreik erst dann beenden, wenn das Militär abgezogen und die Flussableitung endgültig gestoppt werde. In seinem Brief an Präsident Lula hatte er erklärt: "Ich nehme an, dass die Kräfte, die Interessen in dem Projekt haben, alle Mittel nutzen werden, um unseren Widerstand zu entmutigen und die öffentliche Meinung zu verwirren ... Ich nehme es auf mich, gekreuzigt zu werden, denn das ist der Preis, der zu zahlen ist. Das Leben des Flusses und seines Volkes oder der Tod eines brasilianischen Bürgers."

Zuletzt geändert am 13­.12.2007