Tod von Dom Helder Câmara

Dom Helder Câmara ist ein Prophet des 20. Jahrhunderts

Pressemitteilung: Hannover, 29. August 1999

Als Prophet des 20. Jahrhunderts würdigt die KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche den verstorbenen früheren Erzbischof von Olinda und Recife, Dom Helder Câmara. „Durch seine Worte und Taten, in seinen Schriften und seinem Leben hat Câmara die Hoffnung auf soziale Gerechtigkeit und Frieden im Geist und im Herzen der Menschen nicht nur seines eigenen Landes sondern in ganz Lateinamerika und in der ganzen Welt wachgehalten“, erklärt Christian Weisner für Wir sind Kirche, „mit seinem lebenslangen unermüdlichen Einsatz ist dieser Bischof ein Symbol seelsorgerlicher Hingabe und prophetischen Mutes.“

Für die KirchenVolksBewegung ist Bischof Câmara ein Hoffnungsträger für gerechtere Strukturen auch innerhalb der katholischen Kirche. Er hat immer darauf bestanden, daß die Kirche Jesu Christi sich mit den Armen, den Unterdrückten und Ausgestoßenen identifizieren soll und daß die Kirche einen Lebensstil entwickeln muß, der mit dieser Aufgabe übereinstimmt. „Wenn die Kirche nicht den Mut hat, ihre eigenen Strukturen zu reformieren, wird sie niemals die moralische Kraft haben, die Strukturen der Gesellschaft zu kritisieren“, sagte Câmara 1972. (zitiert nach Harald Pawlowski "Der zweifache Tod des Propheten", Publik-Forum 10. September 1999 http://servir.de/artikel/pf0999/camara.htm)

Bei seiner Bischofsernennung bezeichnete er sich als Christ, dessen Herz im ökumenischen Sinne weit offen für die Menschen aller Glaubensbekenntnisse und aller Weltanschauungen sei. Als Bischof der katholischen Kirche sah er sich in der Nachfolge Christi um zu dienen, nicht um sich bedienen zu lassen. Câmara gründete die ersten kirchlichen Basisgemeinden in Brasilien und gehörte zu den profiliertesten Vertretern der Befreiungstheologie, was ihm später große Schwierigkeiten mit dem Vatikan einbrachte.

Câmara wandte sich dagegen, jeden Versuch menschlicher Besserstellung und jeden Bewußtseinswandel vorschnell als Umsturz und Kommunismus zu bezeichnen, weshalb er von vielen als „roter“ Bischof diffamiert wurde. Er selber sah seine Aufgabe in der Aufdeckung der Lüge des Patriarchalismus und der Bekämpfung des internen Kolonialismus. Er kritisierte auch den Fatalismus, der sich häufig hinter einer das Autoritätsprinzip unterstützenden Religion versteckt. Câmara hat sich zur Stimme derer gemacht, die keine Stimme haben. Diese Stimme bittet nicht nur um Hilfe, sondern fordert Gerechtigkeit. Bischof Câmara war aber nicht nur ein Mensch von tiefer Spiritualität sondern auch ein großes Organisationstalent. Er gründete die „Operation Hoffnung“ als entscheidendes Instrument der kirchlichen Hilfe für die Ärmsten der Bevölkerung.

Auf seine Initiative wurde 1952 die brasilianische Bischofskonferenz gegründet, deren erster Generalsekretär er war und aus der der berühmte Rat der Bischöfe für ganz Lateinamerika CELAM entstand. Während des Konzils war Câmara eine der stärksten treibenden Kräfte des nach langem zähen Ringen zustande gekommenen Konzilsdokuments „Kirche in der gegenwärtigen Welt“. Obwohl er nicht in einer einzigen öffentlichen Generalversammlung gesprochen hat, bezeichnete Mario von Galli ihn als vielleicht einflußreichsten Konzilsvater.

1970 erhielt Câmara in den USA die Martin-Luther-King Auszeichnung für seinen mutigen Beitrag zur gewaltlosen Änderung der sozialen Strukturen. Für den Friedensnobelpreis wurde er mehrfach vergeblich vorgeschlagen. 1972 wurde ihm die Ehrendoktorwürde der Katholisch-Theologischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster verliehen. 1974 konnte Câmara – eine Reaktion auf die Verleihung des Friedensnobelpreises 1973 an den amerikanischen Außenminister Henry Kissinger und dessen nordvietnamesischen Kollegen Le Duc Tho – den Volksfriedenspreis in Norwegen sowie eine große Spende des Câmara-Fonds in Deutschland entgegennehmen. Diese Unterstützung aus dem Ausland hat mit dazu beigetragen, ihn, der ständig in Lebensgefahr schwebte, vor Verfolgungen im eigenen Land zu bewahren.

Helder Pessôa Câmara wurde am 7. Februar 1909 als Zweitjüngstes von 13 Geschwistern in Fortaleza im Nordosten Brasiliens geboren. Der ungewöhnliche Vorname Helder ist das niederländische Wort für klar, hell und bezeichnet gleichzeitig eine holländische Festung. Pessôa ist der Familienname der Mutter. 1952 wurde er Weihbischof in Rio de Janeiro, 1955 Erzbischof-Koadjutor. 1964 ernannte ihn Papst Paul VI. zum Erzbischof von Olinda und Recife, dem Armenhaus Brasiliens im Nordosten des Landes. 1985 emeritierte er. Am 27. August 1999 starb Dom Helder Câmara im Alter von 90 Jahren.

Zuletzt geändert am 15­.06.2015