Wir sind Kirche München

Sieben Erinnerungen, ehe es im Zukunftsforum des Erzbistums München und Freising zu spät ist

Vor einem Jahr hat die Kirchenvolksbewegung Wir sind Kirche im Erzbistum München und Freising „Sieben Denkanstöße“ zur ersten Sitzung des Zukunftsforums am 11. Oktober 2008 formuliert, die auch beim Gespräch von VertreterInnen der KirchenVolksBewegung mit Herrn Domkapitular Franzl und Herrn Prof. Dr. Baumgartner am 8. April 2009 eine Rolle gespielt haben.

Da jetzt die Diskussionen im Zukunftsforum des Erzbistums München und Freising bereits in ihre Endphase treten, hat die katholische Reformbewegung der Ordinariatsleitung und allen Mitgliedern des Zukunftsforums bereits im Juli 2009 die folgenden „Sieben Erinnerungen“ übersandt. Die KirchenVolksBewegung erklärte damit erneut ihre Bereitschaft zum Dialog.


Sieben Erinnerungen,
ehe es im Zukunftsforum des Erzbistums München und Freising zu spät ist

Die Diskussionen im Zukunftsforum des Erzbistums München und Freising treten in ihre Endphase. Im September 2009 wird bei einem Workshop über einen neuen Struktur- und Personalplan beraten. Am 28. November 2009 findet die dritte Vollversammlung statt. Noch in diesem Jahr möchte Erzbischof Dr. Reinhard Marx einen „Orientierungsrahmen“ in Kraft setzen, der die künftige Zusammenarbeit in den Pfarrverbänden beschreibt und auf praktische Fragen der Zusammenarbeit auf den verschiedenen Ebenen eingeht. Zusammen mit dem Struktur- und Personalplan, der im Frühjahr 2010 endgültig in Kraft tritt, wird damit die Grundlage für eine „große Stellenbesetzung“ im September 2010 gelegt. Bei aller Effizienz und Schnelligkeit in diesem Diskussionsprozess bleiben viele Fragen ungelöst, weil entscheidende Probleme ausgeklammert werden. An sie muss erinnert werden, ehe es zu spät ist.

1.
Die Mitglieder des Zukunftsforums haben nach wie vor kein Stimmrecht. Sie können keine Entscheidungen treffen, sondern nur in einem vorgegebenen Rahmen diskutieren. Eine ergebnisoffene Diskussion wird von Erzbischof Dr. Reinhard Marx abgelehnt. Die Kirche der Zukunft lebt aber von der wirklichen Teilhabe des gesamten Gottesvolkes an den wichtigen Entscheidungen der Ortskirche, sowohl auf der Ebene eines Bistums, als auch in den Gemeinden selbst. Kleriker und Laien haben dabei unterschiedliche Aufgaben und Ämter, aber grundsätzlich gleiche Rechte.
Zur Erinnerung: Die Kirche braucht „auf jeden Fall mehr Subsidiarität, mehr Partizipation aller, mehr Delegation“ (Reinhard Marx,1993, heute Erzbischof. "Stimmen der Zeit" 2/93).

2.
Das Zukunftsforum und der bisher vorliegende Orientierungsrahmen soll vornehmlich die Zahl der zur Verfügung stehenden Priester als Maßstab nehmen. Aber nicht die Neukonstruktion von weit verstreuten Pfarrverbänden oder die Einrichtung von Megapfarreien wird einer menschennahen Seelsorge gerecht, sondern die lebendige Entwicklung von Gemeinden und Gemeinschaften. Wenn keine Priester mehr zur Verfügung stehen, müssen geeignete Nicht-Kleriker verantwortliche Leitungsfunktionen übernehmen.
Zur Erinnerung: „Sollte die Kirche in Zukunft über längere Zeit durch akuten Priestermangel gezwungen sein, die Leitung vieler Gemeinden zwar nicht in einem theologischen, aber in einem praktischen Sinn Laien anzuvertrauen … bliebe auf längere Zeit gar nichts anderes übrig, als viele der Laien, die sich im Gemeindedienst bewährt haben, als viri probati für die Ordination zum priesterlichen Dienst zu betrachten“ (Walter Kasper, 1973, heute Kurienkardinal. Würzburger Synode Beschluss „Dienste und Ämter“, 594)

3.
Ortskirche ist die konkrete einzelne Gemeinde, mag sie auch noch so klein sein. Wer sie leitet, übernimmt Führungsverantwortung und muss mit Entscheidungsbefugnissen ausgestattet sein, unabhängig davon, ob die Leiterin oder der Leiter ein Weiheamt hat oder nicht. Pfarrbeauftragte und Pfarrgemeinderäte brauchen mehr Rechte.
Zur Erinnerung: „Das Konzil wollte die konkrete Kirche des alltäglichen Lebens da sehen, wo sie mehr ist als eine abstrakte Theologie oder eine dogmatische These oder eine gesellschaftliche Großorganisation… Die Gemeinde vor Ort hat es nicht verdient, der Wirklichkeit der Gesamtkirche nachgeordnet zu werden“ (Karl Rahner, 1966, Schriften zur Theologie, VIII, 333).

4.
Viele der brennendsten Probleme der Seelsorge werden von den Diözesanbischöfen oder nationalen Bischofskonferenzen in Rom nicht vorangebracht. Sie bleiben auch auf dem Zukunftsforum ausgeklammert. Durch Totschweigen verstärkt sich aber der Reformstau immer mehr. In der Kirche muss die Erinnerung an aufgeschobene Reformen im ständigen Gespräch wachgehalten werden. Dazu zählen die Frage der Ämter für Frauen, die Zölibatsverpflichtung, das Angebot verheirateter Priester ohne Amt zum Wiedereintritt in den seelsorglichen Dienst, die Weihe bewährter Laien zu Priestern. Noch mehr als um Ämter geht es in den Gemeinden aber um eine menschenfreundliche Begleitung, die z. B. auch konfessionsverschiedenen Ehepaaren und wiederverheirateten Geschiedenen den vollen Zugang zu den Sakramenten eröffnet, sowie einen gleichberechtigten Umgang mit homosexuell orientierten Mitmenschen.

5.
Die Leidtragenden unterlassener Reformen sind nicht nur die Gemeinden, sondern auch die Priester selbst. Viele von ihnen sind überarbeitet und erschöpft, manche resignieren unter der Last der zunehmenden Arbeit und Verantwortung. Seelsorgepriester haben keine Lobby in der Kirche! Dem Priesterrat sollten nicht nur Beratungsrechte sondern wirkliche Mitbestimmung eingeräumt werden. Die Pfarreien brauchen hoch motivierte, nicht völlig überlastete Seelsorger, die vom Burnout-Syndrom bedroht oder sogar betroffen sind.

6.
Die Öffentlichkeit beobachtet derzeit sehr erstaunt, mit welcher Engelsgeduld der Heilige Stuhl bedingungslos traditionalistischen Gruppen entgegenkommt, die im offenen Ungehorsam zum kirchlichen Leitungsamt handeln und die den Grundbestand der Menschenrechte, z. B. die Religionsfreiheit, ablehnen. Auf der anderen Seite werden Reformgruppen, die offene Diskussionen in der Kirche führen und die Menschenrechte auch in der Kirche voll entfaltet sehen möchten, an den Rand gedrängt und von Ämtern ausgeschlossen. Reformbewegungen wurden nicht zum Zukunftsforum des Erzbistums München und Freising zugelassen. Seit dem Amtsantritt von Erzbischof Dr. Reinhard Marx wünscht „Wir sind Kirche“ einen Gesprächstermin mit ihm. „Wir sind Kirche“ erinnert hiermit erneut an ihr Angebot zur Mitarbeit in allen Gremien der Erzdiözese.

7.
Das Zukunftsforum sollte eine Vision entwickeln mit den vom Konzil vorgegebenen Stichworten: Volk Gottes, Dialog und beständige Reform. Echte Partizipation und Mitbestimmung im Forum würde das demokratische Lebensgefühl der Zeitgenossen ansprechen und jenseits bloßen Redens sichtbar und erfahrbar machen, dass Kirche wirklich den Mut aufbringt, neue Wege zu gehen. Wenn die Kirche eine Zukunft haben will, muss sie selbst glaubwürdig sein und offenherzig. Auf dem Zukunftsforum könnte sie dafür einen Beweis antreten.

München, den 22. Juli 2009

Dr. Irmgard Ackermann ">
Dr. Edgar Büttner">
Christian Weisner">
für die KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche im Erzbistum München und Freising

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Zuletzt geändert am 22­.11.2009