Wir sind Kirche München:

„Bistumskurs fehlt Dialog und Nachhaltigkeit“

Pressemitteilung 2. September 2012

Die KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche im Erzbistum München und Freising sieht die umfassendenden Personalveränderungen („Personalkarussell“) zum 1. September 2012 als perspektivlose Notlösung und hilflosen Aktionismus. Die Neubesetzung von 51 Pfarreien und Pfarrverbänden auf einen Schlag ist kein Zeichen einer „dynamischen“ Kirche, wie dies noch kürzlich aus dem erzbischöflichen Ordinariat in München verkündet wurde, sondern zeigt die immer dramatischere Notlage in der Seelsorge auch in der südbayerischen Erzdiözese. Nach Auffassung von Wir sind Kirche mangelt es dem Bistumskurs an Dialogbereitschaft und Nachhaltigkeit. Dies wird dazu führen, dass die schon jetzt überlasteten Pfarrer und Hauptamtlichen - ähnlich wie in Österreich und vielen Ländern weltweit - eine Pfarrer-Initiative begründen, endlich aufstehen und sagen: „Es reicht uns! Bis hierher und nicht weiter!“

Kardinal Marx hätte kirchenrechtlich durchaus die Möglichkeit, hauptamtliche Pastoralreferenten und -referentinnen anstelle von Priestern in die Leitungsverantwortung von Pfarreien und Gemeinden zu berufen, wie es unter Kardinal Friedrich Wetter üblich war. Doch selbst diese zarten Reformansätze, die von der Würzburger Synode (1971-75) eingeleitet wurden, werden vorsätzlich zunichte gemacht. Die Erzdiözese vollzieht die Rolle rückwärts – aller Reformrhetorik zum Trotz.

Das mehrjährige Zukunftsforum des Erzbistums „Dem Glauben Zukunft geben“ hatte Kardinal Dr. Reinhard Marx bereits ins Leere laufen lassen. Anders als versprochen und erst nach wiederholten Anfragen aus der Erzdiözese (und auch von Wir sind Kirche) wurden die Ergebnisse nach mehr als einem Jahr veröffentlicht. Die Umsetzung lässt weiter auf sich warten. Weitreichende Reformen mit demokratisch-synodalen Strukturen und echter Mitbestimmung wird es nicht geben, denn ergebnisoffene Dialoge lehnte der Erzbischof wiederholt kategorisch ab. Das Kirchenvolk darf nicht mitentscheiden und kann sich auf Briefe und Eingaben beschränken.

Es ist zu befürchten, dass dieses „Schicksal“ auch dem von den Bischöfen initiierten bundesweiten Gesprächsprozess droht, dessen zweites Jahrestreffen am 14. und 15. September 2012 in Hannover stattfindet. Kardinal Marx gehört zusammen mit dem Essener Bischof Dr. Franz-Josef Overbeck und dem Osnabrücker Bischof Dr. Franz-Josef Bode zur Steuerungsgruppe des bundesweiten Gesprächsprozesses. Doch der Erwartungsdruck des Kirchenvolkes für konkrete Veränderungen steigt sichtbar. Das Zeitfenster für Reformen, die diesen Namen verdienen, schließt sich langsam. Eine ganze Generation droht der Kirche verloren zu gehen.

In den geplanten öffentlichen Auftritten von sechs Glaubensgesprächen des Kardinals sieht Wir sind Kirche keine substantielle Weichenstellung. Denn anstelle der offensiven Auseinandersetzung mit dem innerkirchlichen „Reformstau“ (Kardinal Karl Lehmann) will Kardinal Reinhard Marx nur vor von ihm ausgewähltem Publikum über vorgegebene Themen reden. Wichtig wäre jedoch ein offener und konstruktiver Dialog auf Augenhöhe mit den Mitgliedern des Zukunftsforums über die teilweise brisanten Ergebnisse des diözesanen Zukunftsforums.

Mutiges Vorbild Kardinal Julius Döpfner

Kardinal Julius Döpfner, einer der Vorgänger des jetzigen Bistumsleiters, lebte nach dem Motto: „Die Eskalation aller Spannungen beginnt mit der Verweigerung des (innerkirchlichen) Dialogs.“ Julius Döpfner (26. August 1913 - 24. Juli 1976) hatte sich von einem eher konservativen zu einem reformerischen Bischof gewandelt, der die Reformdialoge der 1960-er und 1970-er Jahre des vergangenen Jahrhunderts, Zweites Vatikanisches Konzil und Würzburger Synode, nach Kräften förderte und umsichtig moderierte. Die berühmte „Königsteiner Erklärung“ von 1968 (als Antwort auf die Enzyklika „Humanae Vitae“) verschaffte Döpfner große Anerkennung unter Klerikern und im Kirchenvolk, auch wenn ihm die Berufung auf das Gewissen Kritik aus Rom einbrachte.
Auch mit kritischen Reformgruppen pflegte Döpfner beharrlich das persönliche Gespräch und die direkte, notfalls kontroverse Auseinandersetzung. Bei Döpfner könnten heutige Kirchenführer studieren, was nachhaltiger Dialog und lernende Organisation Kirche wirklich bedeuten. Doch mutige Kirchenführer wie Döpfner gibt es heute fast nicht mehr.

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Dr. Edgar Büttner, Tel: 170-2928327, info@dr-buettner.com
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Zuletzt geändert am 01­.09.2012