Gesprächsprozess der Bischöfe (2)

Wir sind Kirche: „Nur sehr konkrete Reformschritte werden die akute Kirchenkrise lösen können“

Pressemitteilung München/Hannover 15. September 2012

Wir sind Kirche zum 2. Gesprächsforum der Deutschen Bischofskonferenz am 14./15. September 2012 in Hannover

Nur wenn die deutschen Bischöfe jetzt endlich auch konkrete Reformschritte in Angriff nehmen, besteht überhaupt noch eine Chance, die akute Kirchenkrise beheben zu können. Sonst werden sich immer mehr Menschen nicht nur innerlich von der verfassten Kirche abwenden und wird sich Kirche als gesellschaftliche Kraft selbst marginalisieren, befürchtet die KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche nach dem zweiten Jahrestreffen des bischöflichen „Gesprächsprozess“ am 14./15. September 2012 in Hannover.

Vor allem bezüglich der geschiedenen Wiederverheirateten sollten sich die deutschen Bischöfe – am Besten gemeinsam – jetzt engagiert in Rom für eine baldige kirchenrechtliche Lösung einsetzen. Ansonsten ist zu befürchten, dass dieses Thema die Kirche in Deutschland vor eine ähnliche Zerreißprobe stellen wird wie die langjährige Auseinandersetzung mit Rom in der Frage der Schwangerschaftskonfliktberatung. Als Nachfolger der Apostel sollten die Bischöfe die konkreten pastoralen Erfordernisse immer wieder im Vatikan zur Sprache bringen – notfalls aber auch eigenverantwortlich die Initiative ergreifen, wie dies die Pfarrer-Initiative in Österreich und weltweit praktiziert. Subsidiarität, die die Kirche gemäß der katholischen Soziallehre innerhalb von Staat und Gesellschaft einfordert, müsste endlich auch innerhalb der eigenen Kirche praktiziert werden.

Es mag bemerkenswert sein, dass Bischöfe in ihren Impulsreferaten einige der vielen seit langem drängenden Reformthemen konkret angesprochen haben: Der Osnabrücker Bischof Dr. Franz-Josef Bode verlangte eine Pastoral und Caritas der Nähe, die den komplexen Lebenslagen und Lebenssituationen der Menschen heute gerecht werde und forderte eine neue und mutige, differenzierte und vertiefte Auseinandersetzung mit der Sexuallehre der Kirche. Unter Verweis auf die Aussagen des kürzlich verstorbenen Mailänder Kardinals Martini sprach er auch ganz konkret den Umgang mit geschiedenen Wiederverheirateten an. Kirche müsse immer wieder Zeichen der Barmherzigkeit Gottes setzen und könne auch die Frage der Zulassung zu den Sakramenten nicht übergehen.
Der Essener Bischof Dr. Franz-Josef Overbeck bekannte sich zur Wahrnehmung pluraler Lebensformen und homosexueller Partnerschaften, auch wenn die katholische Kirche diese Lebensform nicht als Institution anerkennen könne. Außerdem sprach er sich für mehr Frauen in kirchlichen Leitungsfunktionen aus, wenn diese nicht an die Weihe gebunden sind. (Auf einer Veranstaltung am Donnerstagabend in seinem Bistum hatte er sich ausdrücklich gegen das Diakonenamt für Frauen ausgesprochen.)

Sehr viel konkretere und kompetentere Impulse hatte einen Tag vor dem Treffen des bischöflichen Gesprächsforums die Deutsche Sektion der Europäischen Gesellschaft für Katholische Theologie (ET) auf ihrer Diakonie-Tagung ebenfalls in Hannover formuliert (www.wir-sind-kirche.de/files/1781_Einladung%20Hannover.pdf)

Für die Bischöfe mögen dies alles unangenehme „Reizthemen“ sein, doch tatsächlich stehen sie seit Jahrzehnten auf der Reform-Agenda und gerade beim Thema Sexualität und Homosexualität klaffen kirchlicher Anspruch und kirchliche Wirklichkeit weit auseinander. Nach Auffassung von Wir sind Kirche sollte es nicht nur um eine Pastoral der Barmherzigkeit (mit "Einzelfalllösungen"), sondern im Blick auf das Evangelium auch der Gerechtigkeit gehen, wie dies auch Kardinal Martini in seinem letzten Interview vor seinem Tode aussprach.

Wenn der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, der Freiburger Erzbischof Dr. Robert Zollitsch – wie viele der Teilnehmenden auch – zu Recht auf eine neue Gesprächskultur und Ergebnisse setzt, die für alle fassbar“ sind, so ist daran zu erinnern, dass es dies alles bei der Würzburger Synode (1971-75) und vielen darauf folgenden Diözesansynoden schon gegeben hat - doch leider ohne nachhaltige Folgen. Die jetzt immer wieder betonte „offene Gesprächsatmosphäre“ darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass nicht einmal die Hälfte der deutschen Bischöfe und Weihbischöfe in Hannover anwesend waren.

Für die Zukunft der Kirche in Deutschland und auch für die Weltkirche wäre es fatal, wenn der von den deutschen Bischöfen auf dem Höhepunkt der Missbrauchskrise im September 2010 durch Erzbischof Zollitsch angeregte „Dialogprozess“ (der schon sehr schnell zu einem unverbindlichen Gesprächsprozess zurückgestuft wurde) ebenso ins Leere laufen würde, wie der „Dialog für Österreich“ Ende der 1990-Jahre.

Die KirchenVolksBewegung hatte sich, wie schon beim 1. Jahrestreffen vor einem Jahr in Mannheim, mit einem Offenen Brief an die Teilnehmenden der Versammlung in Hannover gewandt (www.wir-sind-kirche.de/files/1792_Offener%20Brief%20Gesprächsprozess%20Hannover%202012.pdf).


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Zuletzt geändert am 17­.09.2012