Exkommunikation Heizer

Wir sind Kirche (D): „Aufforderung zum Sinneswandel, nicht Ausschluss aus der Kirche“


Stellungnahme der KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche Deutschland

Die Exkommunikation von Dr. Martha und Gert Heizer aus der Diözese Innsbruck schlägt hohe Wellen, auch deshalb, weil Martha Heizer eine Initiatorin des Kirchenvolksbegehrens 1995 war und jetzt Vorsitzende der Plattform Wir sind Kirche in Österreich und Sprecherin von IMWAC, der Internationalen Bewegung Wir sind Kirche ist.

1.
Die Exkommunikation war zu erwarten. Nach dem CIC, dem kirchlichen Rechtsbuch, musste der Innsbrucker Bischof wegen des Versuchs einer Eucharistiefeier (can 1378 § 2 Nr.1) einschreiten.
Dem ist entgegenzuhalten:
Der CIC hat die theologischen Ergebnisse des Zweiten Vatikanischen Konzils immer noch nicht vollends in Rechtsnormen gegossen.
Papst Paul VI. hat eine lex fundamentalis, ein Grundgesetz der Kirche in die Wege geleitet. Papst Johannes Paul II. hat diese Entwicklung gestoppt.
Nach der gegenwärtigen Rechtsnorm steht das gute Funktionieren der Kirche im Vordergrund, nicht die Würde des Menschen.

2.
Kirche hat Öffentlichkeitscharakter. Bischof Dr. Manfred Scheuer hat die private Form des Gottesdienstes zurückgewiesen.
Dem ist entgegenzuhalten:
Bei einer Gemeinde kommt es nicht auf die Anzahl der Personen an. „Wo zwei oder drei in meinem Namen beisammen sind, da bin ich mitten unter ihnen“ (Mt 18,20). Die Hauskirche ist geradezu das Urmodell von Kirche (vgl. Kardinal Walter Kasper: Das Evangelium von der Familie, S. 45-53).

3.
„Das persönliche Gewissen erlaubt nicht, Kirchengesetze zu übertreten", gibt Bischof Scheuer als eine Begründung an.
Dem ist entgegenzuhalten:
Das Gewissen ist auch in der römisch-katholischen Kirche die oberste subjektive Norm, es muss sich an der objektiven Norm orientieren, aber darf sich ihr nicht blindlings unterwerfen. In der Tradition des Kirchenrechts hat auch ein Bischof die Pflicht zur Gehorsamsverweigerung, wenn ihm sein Gewissen und das Wohl seines Bistums das gebieten (ius remonstrandi). Das Zweite Vatikanische Konzil sagt dazu: „Das Gewissen ist die verborgenste Mitte und das Heiligtum im Menschen, wo er allein ist mit Gott, dessen Stimme in seinem Innersten zu hören ist. Im Gewissen erkennt man in wunderbarer Weise jenes Gesetz, das in der Liebe zu Gott und dem Nächsten seine Erfüllung hat.“ (GS 16).
Bei aller Akzeptanz von Rechtsnormen muss immer wieder gefragt werden: Wer hat diese Gesetze aufgestellt, wem nützen sie und wen schließen sie aus?
Auch muss ein Grundsatz der Moral berücksichtigt werden, die Epikie. „Als E. (griech. Billigkeit) bezeichnet man das Verhalten eines Menschen, der erkennt, daß die Forderung eines Gesetzes den Gegebenheiten seiner Situation nicht entspricht, u. daher nicht das Gesetz befolgt, sondern sich entscheidet, das Situationsrichtige zu tun. (LChM 1976, Sp. 358-362). Letztlich gilt: „Nicht der Buchstabe des Gesetzes, sondern die theologische Wahrheit ist verpflichtend.“ Das macht bei Bedarf „eine Gesetzeskorrektur zur wahren Gerechtigkeit hin“ erforderlich (Prof'in Dr. Sabine Demel).

4.
„Bei der Eucharistiefeier muss in der Person des Priesters aufgrund der Weihe auch die Kirche anwesend bleiben“, argumentiert Bischof Scheuer.
Dem ist entgegenzuhalten:
Das gemeinsame Priestertum geht nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil dem Dienstpriestertum voraus, ist also von ihm her zu verstehen. Kirche ist anwesend, wenn Gemeinde zusammenkommt, nicht durch die Anwesenheit eines Priesters. Das gilt auch für die Eucharistiefeier. Deshalb darf kein Priester ohne eine/n Vertreter/in der Gemeinde Eucharistie feiern.

5.
Im geweihten Priester ist nach dieser Ansicht die Kirche anwesend.
Dem ist entgegenzuhalten:
Jesus ist hiereús (lat. sacerdos), also „heiliger Mann“ als Mittler zwischen Gott und den Menschen.
Nach dem Neuen Testament ist Mittler einzig und allein Jesus, der Christus. Die, die seinen Namen tragen, die Christen und Christinnen, sind hieráteuma (lat. sacerdotium), also „ein heiliges Volk von Priestern, eine königliche Priesterschaft“ (1 Petr 2,5-9).
Der ordinierte, also der „geweihte“ Priester ist presbys, presbyter = Ältester, Gemeindeleiter. Er ist eben nicht Mittler zwischen Gott und den Menschen, denn jeder Christ und jede Christin ist durch die Taufe befähigt, den anderen Menschen Gott zu vermitteln.
Der ordinierte Priester handelt zwar in persona Christi, aber eben letztlich im Auftrag der Gemeinde, die ihn im Notfall auch eigenständig dazu berufen kann. Die Weihe hebt den Priester nicht über die anderen Menschen, sondern stellt ihn in einen besonderen Dienst in der Gemeinde. Diesen Dienst kann im Grunde jede und jeder zugesprochen bekommen, darin sind sich die meisten Theologen heute einig. Die Aufforderung „Tut dies zu meinem Gedächtnis“ (1 Kor 11,25) ist an alle gerichtet. Ein bestimmter Adressat wird nicht erwähnt.

6.
Die Anerkennung der heutigen hierarchischen Verfassung der Kirche wird als unabdingbar für die römisch-katholische Kirche angesehen.
Dem ist entgegenzuhalten:
Kirche hat sich im Lauf der Zeit unterschiedliche Strukturen gegeben.
Wir können heute nicht einfach die urkirchlichen Verhältnisse kopieren, aber wir sind immer gehalten, uns daran zu orientieren, um uns nicht von dem zu entfernen, was Kirche auf den Weg gebracht hat. Von einer Hierarchie, einer heiligen Herrschaft, ist im Neuen Testament nie die Rede, sondern davon: „Einer ist euer Meister, ihr alle seid Brüder und Schwestern“ (Mt 23,8) und „Ich bin unter euch wie einer, der dient“ (Lk 22,27).
Es muss gelten: Was einmal möglich und gültig war – die Feier der Eucharistie ohne ordinierten Priester - kann heute nicht grundsätzlich unmöglich sein. Das gilt auch für die Leitung einer Eucharistiefeier durch eine Frau (vgl. Röm 16, 1.3.6.7.12; Phil 4,2 f.). Paulus sah keinen Grund, gegen das gleichberechtigte Auftreten von Frauen und Männern im Gottesdienst vorzugehen; er regelt lediglich bestimmte Äußerlichkeiten. Dieses Argument – was einmal möglich und gültig war, kann heute nicht grundsätzlich unmöglich sein – gilt heute mehr denn je; denn wir leben in einer Epoche großer Umstrukturierungen, in der viele überlieferte Formen nicht mehr plausibel sind.
Das aggiornamento, das Heutigwerden der Kirche, von dem der Konzilspapst Johannes XXIII. spricht, bedeutet nicht eine Anpassung an den Zeitgeist, sondern heißt, die befreiende Botschaft des Evangeliums vom Reich Gottes in unserer Zeit zu leben.

7.
Es wird davon ausgegangen, dass die Unterscheidung in Klerikerstand und Laienstand die römisch-katholische Kirche ausmacht.
Dem ist entgegenzuhalten:
Nach dem Neuen Testament sind alle Kleriker, also von Gott Erwählte, und alle sind Laien, nämlich Mitglieder des Volkes Gottes. Auf alle kommt in Taufe und Firmung die Geistkraft Gottes, also sind alle Geistliche. Alle sind Gläubige, alle sind die eine Herde des einen guten Hirten, alle sind Brüder und Schwestern.
Daher verlangt nicht nur die Gerechtigkeit, sondern auch das Recht, dass vor dem Gesetz alle gleich sind. Es darf nicht mit zweierlei Maß gemessen werden.
Wegen der durch Laien „simulierten Eucharistiefeier“ wurde die Exkommunikation verhängt.
Der sexuelle Übergriff eines Priesters ist nach dem CIC ein gleich schweres Verbrechen. Aber ein deswegen suspendierter Kleriker wird nicht mit Exkommunikation bestraft.
Es wird offenbar mit zweierlei Maß gemessen, weil ein sakralisiertes Kirchenverständnis vorliegt. Gemäß der Rechtssystematik wird Missbrauch nicht geahndet, weil Menschen geschändet werden, sondern weil das Priestersakrament geschändet wird.

8.
Auch in anderen gesellschaftlichen Formen wie Vereinen oder Parteien muss man sich an die Regeln halten und die Ausschlusskriterien anerkennen.
Dem ist entgegenzuhalten:
Kirche ist nicht ein Verein wie jeder andere, sondern Kirche ist eine Glaubensgemeinschaft, in der nicht einfach allein von der Leitung her entschieden werden kann, was dem Glauben entspricht und was nicht. „Wer sind wir, dass wir uns anmaßen dürften, Türen zu schließen, die der Heilige Geist öffnen will?“, fragte Papst Franziskus am 19. Mai 2014 in seiner Frühmesse im Vatikan-Gästehaus Santa Marta. Gott allein sieht ins Herz der Menschen.

9.
Die Exkommunikation ist die schwerste Kirchenstrafe. Exkommunizierte dürfen die Sakramente nicht empfangen.
Dem ist entgegenzuhalten:
Wenn die Kirchenleitung schon meint, in diesem Fall liege ein großes Vergehen vor, dann muss sie sich vor Augen halten: „Nicht die Gesunden bedürfen des Arztes, sondern die Kranken“ (Mt 9,12). Ein Sakrament ist ein Zeichen der Zuwendung Gottes zu uns Menschen und nicht eine Belohnung für Wohlverhalten.
Nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil ist Dialog das Grundprinzip von Kirche. Dialog geschieht aber auf Augenhöhe und geht nicht davon aus, dass die eine Seite von vornherein Recht hat.
Den Piusbrüdern gegenüber zeigt die römische Kirchenleitung eine größere Geduld. Bei Bischof Williams, sogar von den Piusbrüdern selber suspendiert, bleibt die Exkommunikation aufgehoben.

10.
Die Rechtsnormen der Kirche sind offenbar oberster Maßstab.
Dem ist entgegenzuhalten:
Ecclesia semper reformanda, die Kirche ist immer reformbedürftig. Von den amtlichen Leitern ist in erster Linie systemstabilisierende Beharrung zu erwarten. Vom Alten Bund wissen wir, dass es die Propheten waren, die immer wieder auf den ursprünglichen Willen Gottes hingewiesen haben und deshalb verurteilt und getötet wurden. Prophetisches Denken und Handeln wird auch in der Kirche heute missbilligt und nach Möglichkeit abgestellt.


Exkommunikation ist kein Ausschluss aus der Kirche. Wir sollten also Martha und Gert Heizer nicht wie Ausgeschlossene behandeln. Es besteht kein Grund, Martha den Rücktritt von ihren Aufgaben in der Kirchenvolksbewegung Wir sind Kirche nahelegen. Was ihnen beiden vorgeworfen wird, ist kein Rückschritt (wie z. B. bei den Piusbrüdern), sondern weist auf die Zukunft der Kirche hin, die sich wieder auf ihre Ursprünge besinnt.

Exkommunikation ist eine Aufforderung zum Sinneswandel. Wenn es bei dieser Exkommunikation nur Verlierer gibt, wie Bischof Manfred Scheuer meint, dann müsste sie auch eine Aufforderung zum Sinneswandel bei der Kirchenleitung sein.

Bundesteam der KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche (25.5.2014)

Zuletzt geändert am 23­.07.2014