Papstaussage zu ZiKa/Verhütung

Erste Einschätzung von Wir sind Kirche

"Ich halte es für angemessen und richtig, dass Papst Franziskus - wie auch schon seine Vorgänger und in der Tradition des Thomas von Aquin - sich differenziert in dieser komplexen Situation äußert.

Auch in ethischen Fragen ist eine Weiterentwicklung der katholischen Lehre möglich und notwendig. Da ist es gut, wenn der Papst in diesem Fall künstliche Verhütungsmittel nicht ausschließt.

Die strikte Ablehnung von Abtreibungen entspricht der gegenwärtigen katholischen Lehre. Doch auch in diesen Fällen sollten - der Tradition des Thomas von Aquin folgend - die Grundprinzipien "mit Klugheit und Weisheit auf die jeweilige, oft komplexe Situation" angewendet werden.

Die letzte Verantwortung und Gewissensentscheidung für eine verantwortete Elternschaft liegt nach katholischer Lehre bei den Eltern. So sind beispielsweise Donum Vitae und Frauenwürde e.V. vorbildliche Institutionen für die Schwangerschaftskonfliktberatung, weil sie die ureigene Verantwortung der betroffenen Frauen respektieren.

Die Kirchenleitung darf sich einem offenen Dialog und der wissenschaftlichen Diskussion nicht verweigern; denn jahrhundertelang wurde die Frage nach einer Abtreibung von der Kirchenführung anders beurteilt als heute. Die Botschaft von der Liebe Gottes zu den Menschen ist ein Angebot, das es aufzunehmen wert ist; sie darf aber nicht zu einem Gesetz abgewertet werden, das die Kirchenleitung ermächtigt zu verurteilen und zu verdammen, wenn sich Menschen nicht daran halten und das auch vor ihrem Gewissen verantworten können."

Christian Weisner, 19./21. Februar 2016






Hintergrund

Abtreibung in schwierigen und komplexen Situationen

Die Glaubens-Kongregation hat zur Frage einer Abtreibung in schwierigen und komplexen Situationen an die Lehre von Papst Johannes Paul II. erinnert, der in "Evangelium vitae" festgestellt hat:
„Gewiss nimmt der Entschluss zur Abtreibung für die Mutter sehr oft einen dramatischen und schmerzlichen Charakter an, wenn die Entscheidung, sich der Frucht der Empfängnis zu entledigen, nicht aus rein egoistischen und Bequemlichkeitsgründen gefasst wurde, sondern weil manche wichtigen Güter, wie die eigene Gesundheit oder ein anständiges Lebensniveau für die anderen Mitglieder der Familie gewahrt werden sollten. Manchmal sind für das Ungeborene Existenzbedingungen zu befürchten, die den Gedanken aufkommen lassen, es wäre für dieses besser nicht geboren zu werden. Niemals jedoch können diese und ähnliche Gründe, mögen sie noch so ernst und dramatisch sein, die vorsätzliche Vernichtung eines unschuldigen Menschen rechtfertigen" (Nr. 58).

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Medizinische Maßnahmen zur Bewahrung der Gesundheit der Mutter Bei der Problematik bestimmter medizinischer Maßnahmen zur Bewahrung der Gesundheit der Mutter, unterscheidet die Kongregation zwischen zwei Tatbeständen:

1. Ein Eingriff, der den Tod des Fötus direkt herbeiführt und manchmal auf unangemessene Weise als „therapeutische" Abtreibung beschrieben wird. Ein solcher Eingriff könne niemals erlaubt sein, da es sich um die direkte Tötung eines unschuldigen menschlichen Wesens handelt.
2. Ein Eingriff, der in sich nicht die Abtreibung bezweckt, jedoch als Nebeneffekt den Tod des Kindes zur Folge haben kann. Die Kongregation verweist in dieser Frage auf die Lehre von Pius XII., der dazu feststellte: „Wenn z.B. die Rettung des Lebens der zukünftigen Mutter, unabhängig von ihrem Zustand der Schwangerschaft, dringend einen chirurgischen Eingriff oder eine andere therapeutische Behandlung erfordern würde, die als keineswegs gewollte oder beabsichtigte, aber unvermeidliche Nebenfolge den Tod des keimenden Lebens zur Folge hätte, könnte man einen solchen Eingriff nicht als einen direkten Angriff auf schuldloses Leben bezeichnen. Unter solchen Bedingungen kann die Operation erlaubt sein wie andere vergleichbare ärztliche Eingriffe, immer vorausgesetzt, dass ein hohes Gut, wie es das Leben ist, auf dem Spiele steht, dass der Eingriff nicht bis nach der Geburt des Kindes verschoben werden kann und kein anderer wirksamer Ausweg gangbar ist." (Pius XII., Ansprache an die Teilnehmer des Kongresses der „Front der Familie" und des Verbandes der kinderreichen Familien, 27. November 1951).

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Der Embryo - "nur Wasser" oder "Mensch von Anfang an"?
Muslimische, jüdische und christliche Positionen zum Schwangerschaftsabbruch
Die monotheistischen Weltreligionen haben zur Frage der Abtreibung ganz eigene Positionen, die zum Teil auf sehr alten Traditionen gründen. Dabei hat das Christentum von Anfang an eine Sonderrolle gespielt.
Von Monika Konigorski

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Das ist im Christentum nicht ganz so eindeutig. Die römisch-katholische Kirche vertritt selbst in diesem Extremfall eine differenzierte Position. Auch wenn das Leben der Mutter in Gefahr ist, ist die direkte Tötung des Fötus verboten. Papst Johannes Paul II. hatte dies im Jahr 1995 in der Enzyklika "Evangelium Vitae" ausdrücklich klargestellt. Es könne aber erlaubt sein, eine Behandlung der Mutter durchzuführen, die den Tod des Embryos als unvermeidliche Konsequenz zur Folge hat. Stephan Goertz, katholischer Moraltheologe an der Universität Mainz:

"Das ist die Position, die sich so in den letzten 150 Jahren herauskristallisiert hat, und da kennt man auch keine Ausnahme in der offiziellen Lehre."

Die deutschen katholischen Bischöfe setzen sich allerdings vom Vatikan ab, ergänzt Moraltheologe Goertz:

"Die Deutsche Bischofskonferenz ist da etwas vorsichtiger, und spricht zumindest von der Möglichkeit, wenn die Gefahr für die Mutter besteht, bei Lebensgefahr für die Mutter, dass auch der Arzt dann eine Gewissensentscheidung vornehmen darf."

Die Position wird aber von der römischen Kirche so nicht geteilt.

Die ablehnende Haltung zum Schwangerschaftsabbruch kennzeichnete die Christen von Beginn an. Im Unterschied zu ihrer Umwelt argumentierten die Anhänger des "neuen Weges" schwaches menschliches Leben unbedingt zu schützen. Dazu zählte bereits die frühe Kirche auch das ungeborene Leben.

In der Didache, einer Quellensammlung, die etwa auf das Jahr 100 n. Chr. datiert wird, heißt es:

"Du sollst nicht töten, du sollst nicht ehebrechen, du sollst nicht Knaben schänden, du sollst nicht ein Kind durch Abtreibung morden, und du sollst das Neugeborene nicht töten."

Auch die sogenannten Kirchenväter wie Clemens von Rom, Johannes Chrysostomos und Basilius von Caesarea verurteilten die Abtreibung. Und Tertullian schrieb in seinem Werk Apologeticum am Übergang vom zweiten zum dritten nachchristlichen Jahrhundert:

"Ein vorweggenommener Mord ist es, wenn man eine Geburt verhindert; es fällt nicht ins Gewicht, ob man einem Menschen nach der Geburt das Leben raubt oder es bereits im werdenden Zustand vernichtet. Ein Mensch ist auch schon, was erst ein Mensch werden soll."

Auch im Christentum wurde allerdings zwischen beseelten und unbeseelten Embryonen unterschieden - bis weit ins 19. Jahrhundert hinein. Für diese Auffassung waren die Schriften des griechischen Philosophen Aristoteles prägend. Er ging davon aus, dass die Beseelung des Menschen eine Entwicklung darstellt. Einflussreiche mittelalterliche Theologen wie Augustinus von Hippo und Thomas von Aquin übernahmen diese Theorie. Thomas unterschied zwischen den Entwicklungsstufen des lebendigen Wesens, des Tieres und erst zuguterletzt des Menschen. Ein Fötus oder Embryo sei formlos, erst wenn die Mutter das Kind im Leib spüre, habe die Seele im Embryo Einzug gehalten.

Anders als im Islam oder Judentum wurde im Christentum dennoch strikt jeder Schwangerschaftsabbruch verurteilt. Stephan Goertz:

"Und das ist im Grunde nur dadurch zu erklären, dass man einen Bezug hergestellt hat zur Sexualmoral. Also eine Abtreibung hätte signalisiert, dass man Sexualität rein um der Lust willen praktiziert hat. Und in diesem Kontext einer rigiden Sexualmoral ist dann auch jede Beendigung der Schwangerschaft als unmoralisch verurteilt worden."

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> Deutschlandfunk 02.07.2012

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Moraltheologe zu Papstwort zur Verhütung: Keine Anzeichen veränderter Sexualmoral

Freiburg i.Ü., 19.2.16 (kath.ch) Die Aussage des Papstes zur Verhütung dürfe man nicht überbewerten, sagt Daniel Bogner auf Anfrage von kath.ch. Bogner ist Professor für Allgemeine Moraltheologie und Ethik an der Universität Freiburg.

Das Vermeiden einer Schwangerschaft sei kein absolutes Übel, sagte Papst Franziskus auf dem Rückflug von Mexiko nach Rom. «So etwas zu hören, macht Hoffnung, dass die katholische Kirche sich weiterentwickelt und ethische Abwägungen zulässt, die am konkreten Handlungskontext orientiert sind», sagt Bogner. Zeichen einer veränderten Sexualmoral sieht er in dieser Aussage allerdings nicht.

«Man erhofft sich immer wieder, dass die Kirche mit solchen Äusserungen einen Schwenk vollzieht und Mittel zur Empfängniskontrolle grundsätzlich als eine Möglichkeit zur Familienplanung und zu gelingender Partnerschaft ansieht», so Bogner. «Doch so weit sind wir nicht.»

Der Papst habe die Geburtenkontrolle auch diesmal nicht grundsätzlich befürwortet. Er habe nur eine Andeutung gemacht, dass der Einsatz von Verhütungsmitteln aufgrund der drohenden Infektion mit dem Zika-Virus gerechtfertigt ist, so Bogner. Doch da sei Franziskus auf derselben Linie wie andere Päpste vor ihm, etwa Paul VI oder Benedikt XVI.

Abtreibungsdiskussion vorbeugen

Mit seinen Äusserungen ist es dem Papst laut Bogner vor allem darum gegangen, jenen Stimmen zu widersprechen, welche in der aktuellen Notlage in Brasilien die Abtreibung als mögliches legitimes Mittel fordern, um die Geburt missgebildeter Kinder zu verhindern. Abtreibung bleibe unter allen Umständen eine schwere Schuld und sei durch nichts gerechtfertigt, habe der Papst dabei betont. (rp)

https://www.kath.ch/newsd/moraltheologe-zu-papstwort-zur-verhuetung-keine-anzeichen-veraenderter-sexualmoral/

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Frank Berghaus: Die Kirchengeschichte der Abtreibung

„…Mit dem Aufkommen der scholastischen Theologie änderte sich die Einstellung zur Abtreibung: Die antike Philosophie des Aristoteles beeinflusste diese Theologie und ihren Hauptvertreter Thomas von Aquin stark. Beide lehrten eine Sukzessivbeseelung, bei der die menschliche Seele erst ab dem vierzigsten Tag bei einem männlichen Fetus und ab dem neunzigsten Tag bei einem weiblichen Fetus eingegeben wird. Dies war nicht unumstritten: So vertrat z.B. Albertus Magnus, der Lehrer des Thomas von Aquin, diese Meinung nicht sondern war davon überzeugt, dass die menschliche Seele von der Zeugung an im Fetus enthalten ist (Simultanbeseelung).

Die Ansicht der Sukzessivbeseelung setzte sich jedoch durch und wurde im Decretum Gratiani Kirchenrecht. Im Kirchenrecht des Corpus Iuris Canonici wurde dann jahrhundertelang (1140-1869) zwischen dem fetus inanimatus und animatus, also unbelebt und belebt, unterschieden. Eine Abtreibung war in beiden Fällen Sünde, aber nur nach der Beseelung ein Mord. Selbst Päpste wie Innozenz III. entschieden im Mittelalter, dass bei einer Abtreibung in den ersten drei Monaten kein Mord vorliegt. Andere Päpste hingen der These der Simultanbeseelung an, aber das Kirchenrecht änderte sich erst 1869.

Der Grund für diese Änderung war das 1854 verkündete Dogma der unbefleckten Empfängnis. Dieses Dogma hat nichts mit der jungfräulichen Geburt Jesu zu tun (dies ist ein häufiges zu findendes Missverständnis), sondern besagt, dass Maria frei von Erbsünde ist. Daran entzündete sich ein theologischer Gedankengang, der auf den früheren päpstlichen Leibarzt Paul Zacchias zurückgeht. Er argumentierte folgendermaßen: Wenn wir die unbefleckte Empfängnis feiern, was auch vor der Dogmenverkündigung schon geschah, dann würden wir nach der Logik der Sukzessivbeseelung eine noch nicht beseelte Leibesfrucht anbeten. Das kann aber nicht sein, weil die unbefleckte Empfängnis ein besonderer Gottesakt war, mit dem Maria beseelt und belebt wurde.

Als die unbefleckte Empfängnis zum Dogma erhoben wurde, gewann dieses Argument natürlich an Bedeutung und die Lehre der Sukzessivbeseelung wurde 1869 von Papst Pius IX. aus dem Kirchenrecht gestrichen. ….

Was können wir aus der Kirchengeschichte zur Abtreibung lernen? Zunächst einmal kann man Christen darauf aufmerksam machen, dass auch die katholische Kirche nicht immer Abtreibung als Mord ansah. Dies sollte man möglichst in ruhigem Ton tun und nicht als polemischen Heucheleivorwurf in die Diskussion bringen: Viele Christen werden es nicht wissen und ein freundlicher Ton hilft beim Angesprochenen, das Argument zu akzeptieren. Wird das Argument akzeptiert, so wäre meine Hoffnung, dass dies die Diskussion etwas versachlicht.“

http://www.wissenbloggt.de/?p=12243: Publiziert am 17.7.2012.

Zuletzt geändert am 23­.02.2016