Abschlussbericht Domspatzen

„Schmerzhafter, notwendiger Schritt, dem weitere folgen müssen“

Wir sind Kirche zum Abschlussbericht zur Aufklärung des Missbrauchskandals bei den Regensburger Domspatzen

Pressemitteilung München/Regensburg, 18. Juli 2017

Die KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche sieht den heutigen Abschlussbericht des vom Bistum Regensburg beauftragten Sonderermittlers, des Rechtsanwalts Ulrich Weber, als schmerzhaften und notwendigen Schritt an, dem jedoch weitere Schritte im Bistum Regensburg und auch in anderen deutschen Bistümern noch folgen müssen. In dem Bericht klingen mehrfach die besonderen systemischen Bedingungen innerhalb der Domspatzen-Organisation an, die dazu beitrugen, dass die verschiedenen Formen der Gewalt dort in besonderem Maße ausgeübt wurden und trotz der Exzesse damals nicht an die Öffentlichkeit gelangten.

Wir sind Kirche fordert die Regensburger Bistumsleitung auf, in gleicher Qualität wie den Aufklärungsprozess für die Domspatzen auch einen Aufklärungsprozess zu Fällen sexueller Gewalt durch Seelsorger in Gemeinden und anderen Einrichtungen im Bistum einzuleiten. Der vom Bistum unter Bischof Dr. Rudolf Voderholzer erteilte Untersuchungsauftrag an den Rechtsanwalt galt nur den Domspatzen. Wie der Abschlussbericht über die Domspatzen deutlich macht, wurde bis 2014 sexuelle, physische und soziale Gewalt nur unter dem Aspekt des Einzelfalles behandelt. Aber auch durch Priester in der Seelsorge ausgeübte sexuelle Gewalt muss unter gleichen Bedingungen ausgewertet werden; denn auch Ordinariate und kirchliche Hierarchien stellen geschlossene Systeme dar, die diese Form der Gewaltübergriffe ermöglicht und viel zu lange vertuscht haben.

Im Abschlussbericht der Domspatzen werden auch Vorwürfe gegen den ehemaligen Chorleiter Georg Ratzinger und den früheren Regensburger Bischof und heutigen Kardinal Gerhard Ludwig Müller erhoben. Dem früheren Domkapellmeister Ratzinger, dem Bruder des ehemaligen Papstes Benedikt XVI., wirft der Bericht „sein Wegschauen, fehlendes Einschreiten trotz Kenntnis“ vor. Gerhard Ludwig Müller hatte als Regensburger Bischof 2010 bei Bekanntwerden des Skandals im Berliner Canisius-Kolleg eine Aufarbeitung in seinem Bistum in die Wege geleitet, jedoch ohne den Dialog mit den Opfern, wie es in dem jetzt vorgelegten Bericht für die Domspatzen heißt.

Anfang 2016 hatte der Jesuitenpater Klaus Mertes, der den Skandal im Berliner Canisius-Kolleg im Januar 2010 an die Öffentlichkeit brachte, in einem Interview beklagt, dass es innerhalb der katholischen Kirche noch immer an der Bereitschaft fehle, sich den System- und Strukturfragen im Zusammenhang mit dem Thema Missbrauch zu stellen. Mertes hatte damals auch noch weitere Rücktritte auf höchster Ebene für notwendig gehalten. (KNA 1.3.2016: www.wir-sind-kirche.de/?id=393&id_entry=6127)

Bereits im Jahr 2002, als die Berichterstattung aus den USA und anderen Ländern Deutschland erreichte, und lange vor der Deutschen Bischofskonferenz hat die deutsche KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche ein niederschwelliges „Not-Telefon“ eingerichtet (damals unter dem Namen „Zypresse“ > Pressemitteilung vom 23.9.2002).  Bei dieser kirchlich unabhängigen Anlaufstelle sind im Zeitraum von zehn Jahren über 400 Menschen, die von sexueller Gewalt durch Priester und Ordensleute betroffen waren oder sind, durch fachkundige Kräfte der KirchenVolksBewegung beraten und begleitet worden.

Die bekannt gewordenen Vorwürfe gegen den damaligen Wiener Kardinal Hans Hermann Groer waren mit ein Anlass für das im Jahr 1995 in Österreich gestartete KirchenVolksBegehren Wir sind Kirche. Die positive Bewertung der Sexualität gehört zu den fünf Forderungen und Zielen des KirchenVolksBegehrens, das allein in Österreich und Deutschland von mehr als 2,3 Millionen Menschen unterschrieben worden ist und aus der die in allen Kontinenten vertretene Internationale Bewegung Wir sind Kirche hervor gegangen ist. Wir sind Kirche setzt sich weiterhin dafür ein, die Kultur des Wegschauens und Schweigens innerhalb der katholischen Amtskirche zu durchbrechen und dem Opferschutz Vorrang vor dem Täterschutz zu geben.


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Zuletzt geändert am 26­.07.2017