Zwei Jahre Papst Benedikt

Keine Lösung zentraler Fragen in Sicht



Pressemitteilung zum 80. Geburtstag von Papst Benedikt (16. April) und 2. Jahrestag seiner Papstwahl (19. April):

Auch zwei Jahre nach der Wahl von Papst Benedikt keine Lösung zentraler Fragen in Sicht


Die KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche wünscht Papst Benedikt XVI. zu seinem 80. Geburtstag Gesundheit und Gottes Segen, aber auch visionären Mut, endlich konkrete Schritte zur Lösung der seit langem aufgeschobenen grundlegenden pastoralen Fragen und Probleme einzuleiten. Die katholische Reformbewegung bedauert es sehr, dass der intellektuell und spirituell hoch geschätzte, doch pastoral und politisch allem Anschein nach unerfahren agierende Papst Benedikt XVI. viel zu ängstlich an einem Kirchenbild der Vergangenheit festhält.

Zwei Jahre nach seiner Wahl nimmt die Enttäuschung im Kirchenvolk zu auch bei denjenigen, die anfangs noch gehofft hatten, Ratzinger würde als Papst theologisch und pastoral mutiger und reformoffener handeln als in seiner Position als Präfekt der Glaubenskongregation. Die auf das Zweite Vatikanische Konzil gestützte Hoffnung von Millionen Christinnen und Christen auf innere Reformen und echte ökumenische Fortschritte wurden bisher nicht erfüllt. Stattdessen hält der unter Ratzingers 23-jährigen Ägide als oberster Glaubenshüter entstandene theologische und pastorale Stillstand an.

Römische Verlautbarungen aus der letzten Zeit lassen sogar eher auf eine Form des Rückzugs auf überholte Lehrformeln und auf eine Verhärtung schließen. Das gilt zum Beispiel für Positionen zu Homosexualität, Abtreibung, Sterbehilfe und Gentechnik sowie die Haltung zur Ökumene. Auch beim Zölibat, der Stellung der Frau in der Kirche und beim Ausschluss der wiederverheirateten Geschiedenen von der Eucharistiefeier wurden die alten Positionen festgezurrt. Die jüngste Lehrverurteilung des mittelamerikanischen Befreiungstheologen Jon Sobrino zeigt, dass Ratzingers Positionen die alten geblieben sind. Die Verkaufserfolge seiner zahlreichen Bücher sollten nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Lehre der katholischen Kirche heute nur noch von wenigen Menschen als Orientierung verstanden und befolgt wird, wie Studien und Umfragen zeigen.

Die KirchenVolksBewegung beklagt besonders den anhaltenden Mangel an moderner und zeitgenössischer Theologie zum Beispiel zur Gottesfrage angesichts der Herausforderung von Hirnforschung und Evolution, zur Neuformulierung der alten Glaubenswahrheiten oder in der Rezeption der Ergebnisse der historisch-kritischen Exegese. Dringend bedarf es auch der Revision der Erklärung „Dominus Jesus“ der Glaubenskongregation. Dieses von Kardinal Ratzinger im Jahr 2000 verfasste Dokument erneuerte mit dogmatischer Schärfe den seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil überwunden geglaubten Dominanzanspruch der römisch-katholischen Kirche sowohl über die anderen christlichen Kirchen als auch über die anderen Religionen und vor allem den protestantischen Kirchen den Titel "Kirche" versagt.

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Nach Ansicht der KirchenVolksBewegung zeigen vor allem folgende Beispiele, dass Papst Benedikt in den ersten beiden Jahren seines Pontifikats noch keine zukunftsfähigen Wege für das Christentum im 3. Jahrtausend aufgezeigt und zugelassen hat:

1. Die von Benedikt selber angekündigte grundlegende Erneuerung der Kurie hat immer noch nicht stattgefunden. Stattdessen besetzte er Kurienämter mit seinen früheren Mitarbeitern: Kardinal William Joseph Levada als seinen Nachfolger in der Glaubenskongregation und Kardinal Tarciso Bertone als neuen Staatssekretär.

2. Auf Drängen des Vatikans haben die deutschen Bischöfe im Juni 2006 ihre Richtlinien aus dem Jahr 2000 bekräftigt, in denen allen Personen im kirchlichen Dienst die Mitwirkung an der gesetzlichen Schwangerschaftskonfliktberatung („Donum Vitae“ u.a.) untersagt wird. Anfang 2007 hat Kardinal Levada erneut mit Billigung des Papstes dazu aufgerufen, dass jetzt auch alle „Gläubigen auf jegliche Form der Unterstützung von ‚Donum Vitae’“ verzichten sollen. Diese strikte Abgrenzung hatte Kardinal Joseph Ratzinger bereits als Präfekt der Glaubenskongregation jahrelang gefordert.

3. Aus der umstrittenen Regensburger Vorlesung (mittlerweile an 30 Stellen korrigiert und mit 13 klärenden Fußnoten in dritter revidierter Fassung erschienen) mag Benedikt gelernt haben und hat auf seiner Türkei-Reise Irritationen bei den Muslimen aus dem Weg geräumt. Doch das Verhältnis zur orthodoxen Kirche, dem der Türkeibesuch im Herbst 2006 ursprünglich gegolten hatte, verbesserte sich kaum.

4. Die Zölibatskonferenz im November 2006 im Vatikan hat kein Umdenken über das Priesterbild und über die Voraussetzungen zum Leitungsdienst in der römisch-katholischen Kirche gebracht. Durch das Festhalten des Vatikans am – biblisch nicht begründbaren – Pflichtzölibat und den dadurch dramatisch angestiegenen Priestermangel wird das im Kirchenrecht verankerte Recht der Gemeinde auf die sonntägliche Eucharistiefeier (c. 213 CIC) immer mehr in Frage gestellt. Die römisch-katholische Kirche wird sich diesem weltweiten Problem allein schon von der Zahl her stellen müssen: Laut Vatikanischem Jahrbuch 2005 kommen heute 2.700 Gläubige auf einen Priester, 1978 (Amtsantritt von Papst Johannes Paul II.) waren es weltweit durchschnittlich 1.800. In Afrika kamen im Jahr 2002 sogar 4.700 Gläubige auf einen Priester, in Mittel- und Südamerika 7.000 Gläubige.

5. Die Ad Limina-Besuche der deutschen Bischöfe im November 2006 haben trotz des drängenden Reformstaus in Deutschland als auch in der weltweiten katholischen Kirche keine zukunftsgerichteten pastoralen Wege aufgezeigt. Besonders enttäuschend war die Behandlung der ehrenamtlichen Laien. Der Papst erinnerte an die Eingrenzungen bei liturgischen Diensten, die er noch als Präfekt der Glaubenskongregation in der Liturgie-Instruktion 2004 vorgenommen hatte, und hat den Laien sogar „Anspruchsdenken“ vorgehalten. Mit römischer Duldung bzw. Billigung wurden die Laienstrukturen im Bistum Regensburg zerschlagen.

6. Die Unterordnung der theologischen Forschung und Lehre unter das Lehramt, wie sie den deutschen Bischöfen bei ihrem Ad limina-Besuch im November 2006 aufgetragen wurde, widerspricht grundlegend der von Joseph Ratzinger als junger Theologe 1969 mitunterzeichneten Erklärung „Die Freiheit der Theologen und der Theologie”. In der heißt es, „die durch das Zweite Vatikanische Konzil wieder gewonnene Freiheit der Theologen und der Theologie zum Dienst an der Kirche darf heute nicht erneut gefährdet werden.“

7. Das äußerst ungute Hin und Her im Januar 2007 um Bischof Stanislaw Wielgus als Nachfolger des polnischen Primas, aber auch andere problematische Bischofsernennungen der vergangenen Jahre müssten dem Vatikan ein dringendes Warnzeichen sein, dass er seine Personalentscheidungen künftig sehr viel sorgfältiger und unter stärkerer Beteiligung der Ortskirchen treffen muss.

8. Das am 13. März 2007 veröffentlichte Nachsynodale Apostolische Schreiben „Sacramentum Caritatis“ („Sakrament der Liebe“) ist - vor allem im Vergleich mit der Antrittsenzyklika „Deus Caritas est“ - sowohl von seinem Inhalt als auch von seinem Duktus her enttäuschend. In dem umfangreichem Dokument, in dem Papst Benedikt XVI. die Ergebnisse der Welt-Bischofssynode vom Oktober 2005 zusammenfasste, werden im Wesentlichen nur die alten, längst bekannten Positionen wiederholt und neu eingeschärft. Mit der Rückbesinnung auf die lateinische Messe kommt Papst Benedikt vor allem den Traditionalisten entgegen. Zu befürchten ist, dass in Kürze auch der vorkonziliare Tridentinische Ritus von Rom wieder ohne Ausnahmeregelung zugelassen wird.

9. Am 14. März 2007 hat die vatikanische Glaubensbehörde mit ausdrücklicher Billigung Benedikts die Schriften des weltberühmten Befreiungstheologen P. Jon Sobrino SJ in El Salvador verurteilt, weil er mit seinen Thesen die Lehre über die Gottheit Christi aufweichen würde. Es ist die erste Lehrverurteilung dieses Pontifikats. Die Frage weiterer Sanktionen ist noch offen.

10. Enttäuschend für die Katholikinnen und Katholiken in aller Welt ist auch das unverändert eurozentrierte Denken und Handeln Benedikts und des ganzen Vatikans. Es ist kein gutes Zeichen, dass Benedikt mit seiner Brasilienreise im Mai 2007 den Kontinent mit der größten Zahl von Katholikinnen und Katholiken erst mehr als zwei Jahre nach seinem Amtsantritt besuchen wird.

Zuletzt geändert am 17­.04.2007