Reformgruppen zum "Synodalen Weg"

"Letzte Chance in der existenziellen Kirchenkrise"

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Reformgruppen zur erweiterten Gemeinsamen Konferenz zum „Synodalen Weg“ 13./14. September 2019

Katholische Reformgruppen sehen den „verbindlichen synodalen Weg“ als wohl letzte Chance, die existenzielle Krise der römisch-katholischen Kirche in Deutschland zu überwinden und damit auch positive Impulse für die Weltkirche zu geben.

Anlässlich der erweiterten Gemeinsamen Konferenz von Mitgliedern der Deutschen Bischofskonferenz und des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, die am 13./14. September 2019 in Fulda über Satzung, Strukturen und Inhalte des „synodalen Weges“ beraten, richten die Reformgruppen einen eindringlichen Appell an die Teilnehmenden, denn es ist nicht 5 vor 12, sondern mindestens 5 nach 12.

Seien Sie mutig! Der Brief von Papst Franziskus an das pilgernde Volk Gottes in Deutschland vom 29. Juni 2019 fordert uns alle zur Suche nach einer „freimütigen Antwort auf die gegenwärtige Situation“ auf. Dieser Brief grenzt Themen weder ein noch aus. Franziskus spricht von einer „Zeitenwende“, „die neue und alte Fragen aufwirft, angesichts derer eine Auseinandersetzung berechtigt und notwendig ist“. Und Franziskus lobt, dass die Kirche in Deutschland „der Weltkirche große heilige Männer und Frauen, große Theologen und Theologinnen sowie geistliche Hirten und Laien geschenkt“ habe. In dieser Freiheit und Verantwortung stehen Sie, stehen wir alle!

Angesichts der erschütternden Ergebnisse der MHG-Studie über die jahrzehntelange sexualisierte Gewalt und deren Vertuschung muss etwas geschehen. Das Unrecht der Vergangenheit muss unabhängig aufgearbeitet werden. Die Betroffenen müssen endlich entschädigt werden. Systemische Risiken, wie sie von den Autor*innen der Studie benannt wurden, müssen auf dem „synodalen Weg“ betrachtet werden. Auch die anhaltend hohen Kirchenaustrittszahlen dürfen nicht einfach hingenommen werden.

Deshalb braucht es jetzt einen transparenten, ergebnisoffenen und ergebnisorientierten Dialog. Dabei darf es keine Tabus geben, Ungewohntes zu denken und das Notwendige zu beschließen. Die gemeinsame Verantwortung aller Glaubenden muss im Vordergrund stehen. Wer alles beim Alten lassen will, hält an der unbiblischen Zwei-Stände-Kirche fest und verbaut damit der Kirche die Zukunft. Neue Fragen erfordern aber auch neue Antworten, die sich von der Grundidee der Botschaft Jesu leiten lassen müssen. Letztendlich erwarten wir Strukturveränderungen, mutige Schritte in Richtung Transparenz und Partizipation, kurz: ein offenes Nachdenken über Reformen im jesuanischen Sinne. Dieses schließt Ausgrenzung, monarchisches Verhalten und Klerikalismus, Misogynie und Überhöhung Einzelner aus.

Die Einheit der Kirche wird nicht durch zeitgemäßes Fortschreiten und eine theologische Lehrentwicklung gefährdet, sondern vor allem durch die, die sich gegen jede Veränderung stemmen, als wäre mit einem „Weiter so“ die tiefgreifende Krise zu meistern. Wer alles beim Alten lassen will und vor Spaltungen warnt, übersieht, dass Glaube nicht ein Für-wahr-Halten von Lehr-Formeln ist, sondern das Ur-Vertrauen, dass Gott an unserer Seite steht, auch in der heutigen Zeit fundamentaler Umbrüche.

Die Frage nach dem Umgang mit Macht in der Kirche kann nicht ohne die Frage nach der Rolle der Frauen in der Kirche angegangen werden. Deshalb war es unerlässlich, das vierte Forum „Frauen in Diensten und Ämtern der Kirche“ einzurichten. Dass jetzt in der Leitung der vier Foren drei Frauen in den gleichberechtigten Doppelspitzen vertreten sind, ist zu begrüßen.

Für die Zukunft der Kirche wird es notwendig sein, Frauen den Zugang zu allen kirchlichen Ämtern zu gewähren, denn der Weihe-Ausschluss lässt sich theologisch nicht begründen. Dies ist nicht nur eine Frage der Gerechtigkeit, sondern der grundsätzlichen Glaubwürdigkeit der christlichen Botschaft und in der Praxis eine Überlebensfrage für Gemeinden. Zumindest die theologische Debatte, die viele Theologinnen und Theologen und auch das ZdK-Papier „Dialog statt Dialogverweigerung“ (1994) und das KirchenVolksBegehren 1995 vorbereitet haben, muss jetzt in aller Freiheit weitergeführt werden.

Bezüglich des weiten Themas Sexualität bietet der „synodale Weg“ die Chance, dass die Kirche eine positive, wertschätzende Haltung zu einvernehmlicher Sexualität einnimmt und daraus auch die Konsequenzen zieht: auf der einen Seite die Sexualität von Schwulen und Lesben zu akzeptieren sowie Segnungsfeiern für homosexuelle Paare einzuführen, auf der anderen Seite die Überhöhung des priesterlichen Zölibats zu überwinden, die dem Klerikalismus zugrunde liegt.

Der „synodale Weg“ muss am Ende zu konkreten und verbindlichen Beschlüssen führen, die auch Relevanz für die Weltkirche haben. Dies ist kein Alleingang der deutschen Bischöfe mit dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken, externen Expert*innen und anderen Reformkräften, sondern kann – ganz im Gegenteil, ebenso wie die Amazonas-Synode – sogar wegweisend für die ganze Kirche sein. Denn die ganze römisch-katholische Weltkirche befindet sich in einer existenziellen Krise, die vom Missbrauchsskandal nicht ausgelöst ist, darin aber ihren Brennpunkt findet.

Die Reformgruppen warnen davor, durch unbeirrtes Festhalten an Strukturen und Traditionen die Zukunft der Kirche zu verspielen. Eindeutig muss geklärt werden, wer in welcher Weise am Zustandekommen der Beschlüsse beteiligt wird und welche Verbindlichkeit sie haben. Denn nach derzeitigem Kirchenrecht ist kein Bischof an die Ergebnisse eines solchen Prozesses gebunden. Der von den Bischöfen in Lingen zwar einstimmig, aber mit vier Enthaltungen beschlossene „strukturierte Dialog“ darf nicht zu einer ähnlichen Farce werden wie der „Gesprächsprozess“ der Jahre 2011 bis 2015. Das Zeitfenster, in dem die römisch-katholische Weltkirche ihre Glaubwürdigkeit wiedererlangen kann, schließt sich. Seien Sie mutig, jetzt, damit wir als Glaubensgemeinschaft Jesu auch in Zukunft glaubwürdig und freudig Zeugnis geben können!

12. September 2019

 

Unterzeichnende Reformgruppen:

KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche

Aktion „Lila Stola“ und Frauenwürde e.V. – Projektgruppen von Wir sind Kirche

Aktion „Maria 2.0“

Aktionsgemeinschaft von 160 Pfarrern und Diakonen in der Diözese Rottenburg-Stuttgart (AGR)

Freckenhorster Kreis

Gemeindeinitiative.org

Initiativgruppe vom Zölibat betroffener Frauen

Institut für Theologie und Politik  *

Laienverantwortung Regensburg e.V., eine Vereinigung von Gläubigen nach CIC c. 215  *

Leserinitiative Publik-Forum e.V.

Münchner Kreis – Initiative von in der Pastoral Tätigen in der Erzdiözese München-Freising

Ökumenische Arbeitsgruppe Homosexuelle und Kirche (HuK) e.V.

OrdensFrauen für MenschenWürde

Pfarrer-Initiative Deutschland

Priester im Dialog

pro concilio

Redaktion imprimatur

Vereinigung katholischer Priester und ihrer Frauen

Die Betroffeneninitiative „Eckiger Tisch“ unterstützt diesen Aufruf.

* nachträglich unterzeichnet. Weitere Unterzeichnungen bzw. Unterstützungen sind möglich. Bitte E-Mail an: presse@wir-sind-kirche.de

 

Pressekontakt Wir sind Kirche:

Angelika Fromm, Tel: 0174-4873219, E-Mail: mariafromm@googlemail.com
Annegret Laakmann, Tel: 0175-9509814, E-Mail: laakmann@wir-sind-kirche.de
Magnus Lux, Tel: 0176-41 70 77 25, E-Mail: lux@wir-sind-kirche.de
Christian Weisner, Tel. 0172-5184082, E-Mail: presse@wir-sind-kirche.de

 

Weiterführende Links zum "verbindlichen synodalen Weg":

Links zum "verbindlichen synodalen Weg"    
> Wir sind Kirche     
> Deutsche Bischofskonferenz    
> Zentralkomittee der deutschen Katholiken

Synodaler Weg in Deutschland: Dritter Anlauf
> August 2019 – „Kirche In“ (2 Seiten)    > englische Übersetzung

Kirchenreformer (in Österreich) hoffen auf Amazonien-Synode
> religion.orf.at 12.9.2019

Kirchenreformbewegungen (in Österreich) solidarisieren sich mit Klimaschutzbewegungen
> Wiener Zeitung.12.9.2019

 

 

 

 

Zuletzt geƤndert am 14­.09.2019