Freiburger Missbrauchsstudie

„Erschreckende Problem- und Rechtsignoranz“

Wir sind Kirche zum Missbrauch-Abschlussbericht im Erzbistum Freiburg

Pressemitteilung München, Freiburg, 18. April 2023

Der heute vorgestellte Freiburger Abschlussbericht zum früheren Umgang mit sexualisierter Gewalt hat in erschreckender Deutlichkeit die jahrzehntelange Problem- und Rechtsignoranz der Führungsverantwortlichen in der Erzdiözese Freiburg offenbart. Die vorgestellten Fallstudien aus der Amtszeit des verstorbenen Erzbischofs Dr. Oskar Saier (1978-2002) und seines Nachfolgers Dr. Robert Zollitsch (2003-2013), der bereits seit 1983 Personalverantwortlicher war, zeigen detailliert die praktizierten Vertuschungsmethoden auf, die ganz sicher nicht nur im Freiburger Erzbistum anzutreffen waren und sind.

Die Freiburger Aktenanalyse bestätigt ein weiteres Mal die Systematiken im kirchlichen Missbrauchskomplex. Erschreckend ist, dass Betroffene über Jahrzehnte nicht ernst genommen und ignoriert wurden, Täter geschützt und für ihre Arbeit gar gelobt wurden, professionelle Vertuschung geschah und selbst geltendes Kirchenrecht missachtet wurde. Ein weiteres Mal zeigt sich, dass ein hierarchisch aufgebautes Machtsystem Missbrauch begünstigt und das Leid und die Interessen von Betroffenen zu wenig oder keine Beachtung finden. Aufarbeitung, therapeutische Begleitung und angemessene Ausgleichszahlungen, die Missbrauchsbetroffene wenigstens von finanziellen Sorgen freistellen, sind mehr als dringlich.

Es ist ein Versagen kirchlicher Strukturen, dass selbst obligatorische Meldepflichten an den Vatikan oder Anweisungen der Deutschen Bischofskonferenz in Freiburg nachweislich ignoriert wurden. Dies zeigt, wie notwendig die im Rahmen des Synodalen Weges im Synodalforum 1 „Macht und Gewaltenteilung in der Kirche“ entwickelten Vorschläge sind, die vom Vatikan nicht ignoriert werden dürfen.

Versagen von Karl Lehmann und Robert Zollitsch, die beide Vorsitzende waren

Nach der Entlarvung des Fehlverhaltens des verstorbenen Kardinals Karl Lehmann durch die Mainzer Missbrauchsstudie am 3. März 2023 (www.uw-recht.org , www.zdf.de) stellt der heute vorgestellte Freiburger Abschlussbericht Erzbischof Zollitsch ein ähnliches schlechtes Zeugnis aus. Dass beide Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz waren, erklärt im Nachhinein die unverantwortliche Zögerlichkeit der katholischen Kirche in Deutschland in dieser Problematik. Nur der jahrzehntelangen Beharrlichkeit der Betroffeneninitiativen, der seit dem Wiener Missbrauchsfall 1995 bestehenden KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche und vor allem auch der Medien ist es zu verdanken, dass jetzt – wenn auch noch nicht in allen Bistümern – eine Aufarbeitung begonnen hat.

Von den vatikanischen Behörden fordert Wir sind Kirche umgehendes und konsequentes Handeln gegenüber Bischöfen, die im Zusammenhang mit Missbrauch Verantwortung tragen. Konsequent wäre es, wenn nach dem jetzt bekannt gewordenen Fehlverhalten der Vatikan den früheren Erzbischof Zollitsch aus dem Klerikerstand entlassen würde. Genauso konsequent wäre es, Erzbischof Saier aus der Bischofsgruft auf einen anderen Friedhof umzubetten.

So schmerzhaft dieser langwierige Aufarbeitungsprozess besonders für die Betroffenen, die immer wieder retraumatisiert werden, aber auch die Kirche insgesamt ist: Nur die Wahrheit wird am Ende frei machen, wie der jetzige Freiburger Erzbischof Stephan Burger (seit 28. September 2022 auch Stellvertreter des Missbrauchsbeauftragten der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Helmut Dieser) betont, und neues Engagement innerhalb kirchlicher Strukturen ermöglichen. Dazu wird es aber auch notwendig sein, professionelle Aufarbeitung in den Kirchengemeinden zu leisten, die durch aufgedeckte Missbrauchsfälle gespalten sind, wie dies die Garchinger "Initiative Sauerteig“ (www.initiative-sauerteig-garching.de) beispielhaft angeht.

Pressekontakt Wir sind Kirche:
Paul Ulbrich, Tel 08141 7842, E-Mail: ulbrich@wir-sind-kirche.de
Christian Weisner, Tel. 0172 518 40 82, E-Mail: presse@wir-sind-kirche.de

 

 

Aufklärung sexualisierter Gewalt im Erzbistum Freiburg
https://ebfr.de/aufklaerung

GE-Kommission zur Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch in der Erzdiözese Freiburg
mit Link zur Pressekonferenz zur Berichtsveröffentlichung der AG Aktenanalyse am 18. April 2023 zum Nachschauen
https://ge-kommission-freiburg.de

Abschlussbericht vom 11. April 2023 der Arbeitsgruppe „Machtstrukturen und Aktenanalyse“ der GE-Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs in der Erzdiözese Freiburg
> Download Abschlussbericht der AG Aktenanalyse

 

Missbrauch im Erzbistum Freiburg: 250 Priester beschuldigt
> vaticannews.va 18.3.2023

Stellungnahme des Betroffenenbeirates Freiburg zum Abschlussbericht der Arbeitsgruppe Aktenanalyse
Ein Schutzraum für Missbrauchstäter, eine Hölle für Kinder
> ebfr.de 18.3.2023

Fürst wirft Zollitsch schwere Verletzung bischöflicher Pflichten vor
> katholisch.de 18.4.2023

Bätzing wirft Zollitsch verantwortungsloses Handeln vor
> katholisch.de 22.4.2023

ZdK-Präsidentin Stetter-Karp: Zollitsch ist ein Heuchler
> katholisch.de 2.5.2023

Zuletzt geändert am 03­.05.2023