19.12.2023 - KNA

Erstes Bistum will Konzepte für Segnung Homosexueller erarbeiten

Viele hätten nicht für möglich gehalten, was am Montag vom Vatikan verkündet wurde: Homosexuelle und wiederverheiratete Paare dürfen gesegnet werden. Ein frühes Weihnachtsgeschenk?

Von Sabine Kleyboldt und Christoph Arens (KNA)

Bonn (KNA) Nach der Vatikan-Freigabe von Segnungen für Homosexuelle sowie für unverheiratete oder wiederverheiratete Paare will das Bistum Rottenburg-Stuttgart zeitnah Vorschläge für entsprechende Segnungen erarbeiten. Geplant sei eine Materialsammlung mit Bausteinen für Segnungen, sagte der Leiter des Bistums, Clemens Stroppel, am Dienstag.

Die Entscheidung des Vatikan sorgte unterdessen für unterschiedliche Reaktionen in der Kirche in Deutschland. Der Münchner Kardinal Reinhard Marx sagte in München, er sei schon ein bisschen überrascht. Der Erzbischof sprach von einem ersten Schritt, der für die Katholiken in Deutschland klein ausschauen möge - aber für manche in der Weltkirche ist das gewaltig, das so zu hören, dass das möglich sein soll. In Afrika würden bestimmt einige den Kopf schütteln.

Marx zeigte sich überzeugt, dass sich die katholische Sexuallehre weiterentwickeln müsse. Schon beim deutschen Reformprojekt
Synodaler Weg sei der Versuch gemacht worden, die Sexualmoral von einer Verbotsmoral in eine Beziehungsmoral zu bringen. Leider habe das Papier dazu keine Zweidrittelmehrheit der Bischöfe gefunden, aber zumindest seien 60 Prozent dafür gewesen. An diesem Text müsse weiter gearbeitet werden.

Der Bischof von Dresden-Meißen, Heinrich Timmerevers, zeigte sich sehr froh und sehr überrascht über die Entscheidung. Das hat es noch nicht gegeben in der Geschichte der Kirche, diesen Meilenstein, den der Papst jetzt hier ermöglicht, sagte er im ARD-Morgenmagazin (Dienstag). Er räumte ein Stückchen Schuld der Kirche ein, dass wir durch unsere Morallehre nicht nur Menschen zusammengeführt haben, sondern auch Menschen ausgegrenzt haben. Papst Franziskus stoße Prozesse an. Vielleicht habe auch der deutsche Reformprozesses Synodaler Weg zum Zustandekommen des Papiers beigetragen.

Auch der künftige Bamberger Erzbischof Herwig Gössl begrüßte die Entscheidung. Damit wird ein wichtiger Wunsch vieler Gläubiger aufgegrien, der auch im Synodalen Weg seinen Ausdruck fand, sagte er. Es dürfe aber nicht übersehen werden, dass die Erklärung zwischen Segnung und Eheschließung unterscheide. Aus den Reihen der Bundesregierung meldete sich Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP). Als Katholik begrüße ich es, wenn sich die Kirche der Lebenswirklichkeit aller Menschen önet, erklärte er auf Anfrage.

Der Katholische Deutsche Frauenbund (KDFB) und katholische Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd) begrüßten die Entscheidung des Vatikans. Die kfd-Bundesvorsitzende Mechthild Heil sprach von einem guten, aber auch längst überfälligen Schritt. KDFB-Präsidentin Anja Karliczek sagte, die Entscheidung sei ein Signal für mehr Vielfalt und Toleranz in der Kirche.

Die Initiative "Wir sind Kirche" sprach von einem kleinen Schritt in die richtige Richtung. Allerdings zeige die Begründung des Vatikans, dass sich im Verständnis der Kirchenspitze in Bezug auf die Lebensrealität homosexueller wie auch wiederverheirateter Paare nicht wirklich etwas geändert habe.

Die Initiative Maria 2.0 erklärte, die Maßnahme zeige zwar eine lange überfällige Önung, doch würden die tiefergehenden strukturellen Probleme und Diskriminierungen innerhalb der katholischen Kirche damit keineswegs angemessen behandelt. Schon die Unterscheidung in irreguläre und reguläre Partnerschaften stelle weiterhin eine gravierende Form der Diskriminierung dar und widerspreche den Menschenrechten, so Maria 2.0.

Aus Sicht des Bonner Moraltheologen Jochen Sautermeister ist die Erklärung wegweisend. Seelsorger und Priester können sich bei Segensbitten nun nicht mehr auf ein kirchliches Verbot von Segnungen gleichgeschlechtlicher Paare mit Verweis auf die kirchliche Lehre berufen, sagte er dem Internetportal domradio.de.

Laut Sautermeister wird in der Erklärung der pastorale Stil des neuen Präfekten der Glaubensbehörde, Kardinal Victor Manuel Fernandez, deutlich. Es geht nicht darum, die Lehre zu ändern, sondern durch eine pastorale Sicht die seelsorgerlichen Perspektiven und Handlungsmöglichkeiten zu erweitern und den jeweiligen Biograen von Menschen mit ihren Lebensumständen Rechnung zu tragen, so der Moraltheologe.

Zuletzt geändert am 19­.12.2023