Februar 2024 – Kirche In (Kolumne „Unzensiert“)

Tempelreinigung

In einer angeregten Gesprächsrunde über die Zukunft von Kirche warf ein sehr belesener Herr ein, das Weihesakrament sei ja wohl das am wenigsten auf Jesus zurückzuführende Sakrament. Wenn es eines gäbe, das wirklich auf ihn zurückgehe, wäre es wenn schon das der Tempelreinigung. - Ich persönlich kann ihm da gut folgen. Auch mir erscheinen die Rückführungen der Priesterweihe auf Jesus mehr als an den Haaren herangezogen. Schon Herbert Haag hatte Zweiständekirche als unbiblisch dargestellt und Walter Kirchschläger hat vor Jahren sehr schlüssig dargestellt, dass Jesus mit dem Priestern nicht viel zu tun haben wollte und eine Priesterweihe und Ordination im heutigen Verständnis nicht in seiner Intention gelegen hat. Die Verbeamtung des männlichen Kultpersonals wurde erst nach der konstantinischen Wende und mit der Verstaatlichung der christlichen Religion notwendig. Aus den Presbytern, den Gemeindevorständen, wurden Sacerdotes, Opferpriester, den Priestern anderer Religionen gleichgestellt.

Das mit der Tempelreinigung hat ja schon einen ganz besonderen Charme. Stellen wir uns einmal vor, es gäbe ein Sakrament der institutionellen Reinigung. Das heißt, ähnlich dem Bußsakrament, das die persönliche Gewissenserforschung, das Bekennen der Schuld, das Bereuen, das Freisprechen und die Auflage der Buße umfasst, müssten die verschiedenen Ebenen der Institution diese Stufen durchlaufen. - Das Problem ist dabei, dass wahrscheinlich wenig Schuldbewusstsein vorhanden sein wird, denn die meiste Schuld hat die Institution wohl damit auf sich geladen, dass sie sich regelkonform verhalten hat. Ausgrenzung von Frauen aus allen möglichen Vollzügen der Kirche, insbesondere von mit dem Priesteramt verknüpften Leitungspositionen. Ausgrenzung von wiederverheiratet Geschiedenen, Ausgrenzung von Homosexuellen und Transpersonen, Ausgrenzung von ledigen Kindern, Verfolgung von Institutionskritikern, Vertuschung von sexueller Gewalt, Überhöhung des Klerus...

Wenn schon Tempelreinigung, und da hat der synodale Weg durchaus Vorarbeit geleistet, dann muss auch in der Lehre ausgeputzt werden. Sicher ein etwas langfristiges Unterfangen bei einer so alten Institution, in der die Tradition noch etwas heiliger ist als das, was ein gewisser Jesus hinterlassen hat. Die Weltsynode hat noch viel zu tun. Wünschen wir allen, die sich dafür engagieren, dass 2024 ein Jahr der Reinigung wird. Vielleicht wird dann irgendwann die Priesterweihe durch die Tempelreinigung ersetzt.

Sigrid Grabmeier
Wir sind Kirche-Deutschland

 

Zuletzt geändert am 20­.01.2024