Kolumne für KIRCHE IN Oktober 2024

Demokratie ist kein Lieferservice - Gemeinsam statt einsam

Wie gefährlich können die rechtspopulistischen Parteien noch werden? Bei den Landtagswahlen in den ostdeutschen Bundesländern Sachsen, Thüringen und Brandenburg hat die sogenannte „Alternative für Deutschland“ (AfD) erschreckend hohe Stimmenanteile gewinnen können. Dass diese Partei von den Verfassungsschutzämtern als gesichert rechtsextrem bzw. als Verdachtsfall eingestuft wird, hat die Menschen nicht davon abgehalten, eine Partei zu wählen, die nur populäre Forderungen stellt, aber keine realistischen Lösungen anbietet.

Auch 35 Jahren nach dem Fall der Mauer ist die Mentalität „die da oben, die Regierung kann es nicht“ in den ostdeutschen Bundesländern, die 40 Jahre Teil der DDR waren, leider noch vorherrschend. Nach wie vor fehlt eine aktive Zivilgesellschaft, eine „bürgerliche“ Mitte und die Bedeutung der Kirchen ist äußerst gering. So gelingt es der AfD und auch dem neuen noch schwer einschätzbaren „Bündnis Sarah Wagenknecht“, die Unzufriedenen um sich zu scharen, sich als deren Sprachrohr zu positionieren und die Gesellschaft noch weiter zu spalten.

Dass die Vereinzelung der Menschen seit der Corona-Krise und durch die scheinbar sozialen Medien weiter zunimmt, ist ein weiterer gefährlicher Trend. Die Leipziger Autoritarismus-Studie zeigt: Unter den Einsamen stimmen 52 Prozent populistischen Positionen zu, bei den Nicht-Einsamen sind es nur 28 Prozent. Einsame glauben demnach auch häufiger an Verschwörungsmythen, 48,5 Prozent im Vergleich zu 34 Prozent. Rechte, völkische und autoritäre Einstellungen haben 37 Prozent der Einsamen gegenüber 14 Prozent der Nicht-Einsamen. Aber auch in Westdeutschland, in Österreich und in anderen europäische Ländern wächst die Gefahr der Vereinzelung und des Rechtspopulismus.

Was könnte helfen? Wir brauchen wieder ein breites bürgerschaftliches Engagement. Demokratie ist kein Lieferservice, mit dem wir alle vier Jahre mit einem Kreuz auf dem Wahlzettel eine bessere Welt bestellen können. Demokratie ist auch mehr, als nur ein reines Zählverfahren. Demokratie ist ein oft langwieriger Aushandlungsprozess, um für anstehende Probleme die besten Lösungen zu finden. Das erfordert Einsatz, Beteiligung, Verantwortungsübernahme, Diskussions- aber auch Kompromissbereitschaft.

Was können die Kirchen dazu beitragen? Das Manifest „Kirchen sind Gemeingüter!“ weist zu Recht darauf hin, dass Kirchen und ihre Begegnungsräume über Jahrhunderte Gemeinschaftsbildung ermöglicht haben. Kirchliche Bauten gehören zu den wichtigsten Zeugnissen des Kulturerbes in Europa. Der Rückzug aus der Fläche und die Aufgabe von Kirchen und Begegnungsräumen ist der falsche Weg und führt nur zu noch mehr Vereinzelung.

Aber auch ein Mentalitätswechsel ist erforderlich hin zu mehr Dialog und Beteiligung. Hier können die synodalen Prozesse in Deutschland wie in der Weltkirche – so schwierig sie auch sind – beispielgebend sein. In einer Zeit politischer Umbrüche, in der Autoritäten, insbesondere Autoritäten von oben, nicht mehr ohne weiteres akzeptiert werden, so Kardinal Jean-Claude Hollerich, der Relator der Weltsynode, könnte die kirchliche Synodalität Demokrat:innen weltweit motivieren und stimulieren

Christian Weisner
Wir sind Kirche Deutschland 
www.wir-sind-kirche.de

Zuletzt geändert am 24­.09.2024