Kolumne "unzensiert" für KIRCHE IN April 2025

Und erlöse uns von der Ablösung

Seit dem Reichsdeputationshauptschluss 1803 werden die Kirchen dafür entschädigt, dass sie Lehen an den Staat zurückgeben mussten. Alle Bundesländer, außer Bremen und Hamburg zahlen eine jährliche Entschädigung an die Kirchen, zuletzt insgesamt rund 550 Millionen Euro. Schon 1919  stand in der Verfassung, dass damit Schluss sein sollte. - Während der letzten Legislaturperiode sah es zunächst so aus, als ob endlich dem Ablösegebot, das auch im Grundgesetzt niedergelegt ist, Folge geleistet würde.

Religionspolitiker von SPD, Grünen, FDP und Union setzten sich für eine faire Ablösung der Staatsleistungen ein, auch die Kirchen waren mit im Boot. Im Blick hatte man einen Ablösefaktor von 18,6. Dagegen erhoben der bayerische Ministerpräsident Söder wie auch sein Kollege aus Niedersachsen, Stephan Weil ihre Stimme, das wäre nicht leistbar und wiegelten andere Ministerpräsidenten gegen die Ablösung auf. Verschwiegen wurde, dass die Summe nicht als ganzes hätte aufgebracht werden müssen, sie hätte über die nächsten 19 Jahre hinweg abbezahlt werden können, entsprechend der bisherigen jährlichen Zahlungen. Damit wäre sowohl der Verfassungsauftrag erfüllt gewesen als auch das Problem der Leistbarkeit gelöst, ebenso hätten die Kirchen genug Zeit gehabt, ihr Finanzverhalten auf die neue Situation einzustellen. Der Zerfall der Ampelkoalition und die Auflösung des Bundestages haben dieses Projekt vorerst beendet.

Wie wichtig es gewesen wäre kann man daraus ersehen, wie Ministerpräsident Söder auf die mahnenden Worten aus verschiedenen kirchlichen Organisationen und zur Migrationspolitik und zum Schutz der Demokratie reagierte. Drohbotschaft pur. Jener Söder, der 2018 verfügte, dass im Eingangsbereich jedes Dienstgebäudes als „Ausdruck der geschichtlichen und kulturellen Prägung Bayerns“ gut sichtbar ein Kreuz anzubringen sei, reagierte dünnhäutig: „Nicht vergessen, wer am Ende noch an der Seite der Institution Kirche steht. Das sind nämlich wir. Nicht, dass irgendwann man ganz plötzlich alleine steht. Denkt mal darüber nach.“ 

Was wären das für Nachfolger Jesu, die nicht mahnen würden? Die politische Gemengelage ist kompliziert, das wissen auch kirchliche Gremien. Trotzdem erinnern sie in unbequemer Weise an die christlichen Werte. Diese Erinnerung, gerade in Union-Kreisen so gerne beschworen, tritt so manchen auf die Füße.

Mein Vorschlag für die Verwendung der weiterhin fließenden Ausgleichszahlungen, die nur einem geringen Teil der Kirchensteuer entsprechen: Liebe Kirchen, verwendet sie, um integrative Arbeit zu leisten, das gute Zusammenleben von Menschen in schwierigen Situationen zu unterstützen, kulturelle Barrieren abzubauen, Wege in die Gesellschaft zu bahnen.

Sigrid Grabmeier

Zuletzt geändert am 01­.06.2025