Kolumne „Unzensiert“ KIRCHE IN September 2025

Papst Leo: Guter Start, große Herausforderungen

Auf den Tag genau sechs Monate hat es gedauert, bis nach dem Bruch der Ampelkoalition Friedrich Merz am 6. Mai 2025 zum neuen deutschen Bundeskanzler gewählt werden konnte. Die Sedisvakanz zwischen Papst Franziskus und Papst Leo, der am 8. Mai 2025 gewählt wurde, betrug dagegen nur zweieinhalb Wochen. Chapeau!

Doch während der neue Bundeskanzler jetzt permanent medial in Erscheinung tritt, ist das Interesse am neuen Papst bei vielen Medien abgeflaut, was besonders auch im Vergleich zu Papst Franziskus auffällt. Aber ich meine, die Bilanz der ersten einhundert Tage von Papst Leo, dessen Pontifikat nicht nur auf vier Jahre beschränkt ist, kann sich sehen lassen. Er hat einen anderen Stil als sein Vorgänger, aber wohl das gleiche Ziel. Wir sollten uns nicht irritieren lassen vom Tragen der Mozetta oder der Rückkehr in den Apostolischen Palast (aus finanziellen Gründen) und in die Sommerresidenz.

In seiner ersten Ansprache vom Balkon des Petersdoms aus hat sich Papst Leo eindeutig in die Kontinuität des Pontifikats von Franziskus gestellt. Einheit, Frieden, Umwelt und Ökumene kristallisieren sich bislang als Schwerpunkte heraus. Den von Papst Franziskus gestarteten weltweiten Synodalen Prozess lässt er konsequent ohne Zeitverzug weiterführen. Bei der Umsetzung der Weltsynode nimmt er die Bischöfe weltweit in die Pflicht und ermuntert zu dezentralen Lösungen. Eine starke Ermutigung für den Synodalen Weg in Deutschland!

Beim Weltjugendtreffen in Rom ist es Leo gelungen, jungen Menschen Mut zu machen und sie zur Mitverantwortung einzuladen. Groß sind die Erwartungen, dass er sich weiterhin entschieden gegen Fundamentalismus und den in seinem Geburtsland aufkeimenden, vermeintlich christlichen Nationalismus stellt.

Meine große Hoffnung ist, dass es dem Ordensmann und Kirchenrechtler Papst Leo mit seinen Erfahrungen in aller Welt wie auch im Vatikan Schritt für Schritt gelingt, die notwendigen strukturellen Änderungen vorzunehmen, die Franziskus nur anreißen konnte. Entscheidend wird die noch ausstehende Neu- oder Wiederbesetzung der Leitungsposten in den einzelnen Dikasterien sein. Anders als Franziskus setzt Leo mehr auf Teamwork. Werden ihn die römische Kurie und die Kardinäle, die ihn ja mit großer Mehrheit gewählt haben, in dem anstehenden Transformationsprozess aktiv unterstützen?

Die Synodenversammlungen 2023 und 2024 in Rom, die Wir sind Kirche begleitete, haben wieder einmal sehr deutlich gemacht, wie groß der Reformbedarf überall in der Kirche ist, um wieder glaubwürdig und missionarisch zu werden. Besonders dringlich? Die Beendigung der weder biblisch noch theologisch begründbaren Diskriminierung der Frauen, die weltweite Aufarbeitung sexualisierter Gewalt, der Abbau des Klerikalismus und eine Dezentralisierung.

Christian Weisner, Bundesteam Wir sind Kirche Deutschland

 

Zuletzt geändert am 23­.08.2025