24.03.2002 - Konradsblatts

Augen nicht verschließen

Keine Woche vergeht, in der nicht Meldungen über Fälle von sexuellem Missbrauch von Minderjährigen durch Priester in den USA, in Polen sogar durch einen Bischof in die Redaktion gelangen. Manche Leserin, mancher Leser wird sich fragen: Könnte man darüber nicht auch mit Schweigen hinweggehen? Eine verständliche Reaktion. Aber genau das ist das Problem. In vielen Ortskirchen, die solche mehr als betrüblichen Vorgänge durchgemacht haben, wurde zunächst auch so gedacht. Man glaubte, die Sache sei mit einer Versetzung, einer Ermahnung erledigt. War's aber nicht. In Frankreich hat es einem Bischof eine Verurteilung eingebracht, da er die Behörden in einem Fall nicht verständigt hatte und glaubte, die Sache intern lösen zu können. Die Medien sind bei Vorgängen dieser Art immer wieder gerne die Sündenböcke, denen man die schwierige Situation anlastet. Allerdings muss eines tatsächlich klar sein: Die Unschuldsvermutung gilt auch für Kleriker. Vorgänge dieser Art säen innerkirchlich erhebliches Misstrauen und kostet Vertrauen. Man wird davon ausgehen müssen, dass hiervon erhebliche Langzeitwirkungen ausgehen. Das Vertrauen, das verspielt wurde, muss erst wieder gewonnen werden. Die Ereignisse in Österreich um den früheren Wiener Kardinal Gröer sind in dieser Hinsicht noch in frischer Erinnerung. Nicht zufällig entlud sich die Situation damals in einem ersten so genannten Kirchenvolksbegehren seiner Art. Kirche wird in diesen Dingen schärfer beurteilt als andere. Verwundern kann das nicht. Allerdings schleicht sich bei Vorgängen dieser Art auch mancher kirchenfeindliche Ton ein. Manch einer sieht sich in seiner zölibats- wenn nicht gleich kirchenkritischen Haltung bestätigt. Dabei ist klar: Sexueller Missbrauch von Minderjährigen kommt - leider - bei zölibatär wie bei nicht-zölibatär Lebenden vor. Jeder Fall sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen ist einer zuviel. Die Folgen für die Opfer werden zum Teil bis heute heruntergespielt. Viele Bistümer haben sich bemüht, aus den leidvollen Erfahrungen lernen. Der Vatikan verschärfte - wie berichtet - die gesamtkirchlichen Strafbestimmungen. Die Augen vor diesem Phänomen zu verschließen, führt nicht weiter.

Autor: Klaus Nientiedt

Zuletzt geändert am 04­.11.2007