16.1.2008 - Mittelbayerische Zeitung

Plant Opus Dei die schleichende Übernahme des Vatikan?

Kirche. Die katholische „Kampftruppe“ gewinnt an Einfluss, warnt der Journalist Peter Hertel.

Von Christine Schröpf, MZ

REGENSBURG. „Santa Mafia“ wird die geheimnisumwitterte katholische Organisation Opus Dei von Kritikern genannt. „Opus Dei setzt auf ein altes Kirchenbild und hat die Macht und die Möglichkeiten, es durchzusetzen“, sagt Peter Hertel, Experte für fundamentalistische Strömungen, bei einer Informationveranstaltung am Montagabend im Evangelischen Bildungswerk in Regensburg. Weltweit gebe es rund 90000 Mitglieder. Aktuell seien zwei Kardinäle sowie 22Erzbischöfe, Bischöfe und Weihbischöfe dem 1928 vom spanischen Priester Josemaria Escrivá des Balaguer y Albás gegründeten „Werk Gottes“ sicher zuzurechnen. Bei weltweit etwa 4500 Bischöfen kein großer Anteil, räumt er ein. Doch Hertel verweist auf den starken Expansionswillen von Opus Dei. Ziel der Organisation sei die „Heiligung des Alltags und der Arbeit“. Dagegen sei nichts einzuwenden, wohl aber dagegen, dass dieser Zweck offenbar alle Mittel heilige.

Hertel kritisiert die rigide, hierarchische Innenstruktur der Organisation. Die Mitglieder unterteilten sich in drei Kategorien: Den im Machtgefüge am höchsten stehenden Klerus. Die Numerarier – weltweit rund 40000 zölibatär in Gemeinschaftshäusern lebende Laien, die einen normalen Beruf ausüben und große Teile ihres Gehalts an Opus Dei abgeben. Die verheirateten oder heiratswilligen sogenannten Supernumerarier. Die Anhänger führten ein Leben nach sehr strengen Regeln, sagt Hertel. Zu den Pflichten zählten unter anderem das täglich zweistündige Tragen eines Bußgürtels und wöchentliche Selbstgeißelungen. Sogar die Buchauswahl werde zensiert. Wer die Gemeinschaft verlassen wolle, dem werde mit der Hölle gedroht, zitiert Hertel ehemalige Mitglieder.

In seinem aktuellen Buch beschreibt er den weiter wachsenden Einfluss von Opus Dei seit dem Amtsantritt von Papst Benedikt im Jahr 2005, spricht von einer „schleichenden Übernahme“. BenediktXVI. habe bereits sechs Bischöfe ernannt, die aus dem Opus-Dei-Klerus kommen. In der Vatikanverwaltung seien 70 Ämter durch Mitglieder des Opus Dei besetzt. „Vor zehn Jahren waren es noch 30 bis 40 Ämter.“ Papst Benedikt habe seine frühere Zurückhaltung spätestens seit der Heiligsprechung Escrivás 2002 durch Papst Johannes Paul II. aufgegeben. Das lasse sich unter anderem daran ablesen, dass eine Statue Escrivás am Petersdom aufgestellt wurde. Benedikt XVI. schätze an Opus Dei das Eintreten für die bestehende „männliche Kirchenhierarchie. Er sieht diese Hierarchie seit den Studentenunruhen gefährdet“.

Seit mehreren Jahrzehnten versucht Hertel das schwer durchschaubare Geflecht der katholischen „Kampftruppe“ Opus Dei zu durchdringen. Er hat viele Indizien für problematisches Gebaren der Organisation zusammengetragen. Geheimniskrämerei, dubiose Werbemethoden von Mitgliedern und undurchschaubares Geschäftsgebaren zählt der Journalist zum „Sündenregister“.

Die Finanzkasse ist nach Einschätzung Hertels bestens gefüllt. Nach seinen Schätzungen geben Numerarier und Supernumerarier pro Monat rund 50 Millionen Euro an die Gemeinschaft ab. Hinzu kommen Spenden und Erbschaften, außerdem Gewinne aus Vereinen, Stiftungen wie der deutschen „Rhein-Donau-Stiftung“ und Banken, die opusnah seien, diese Verbindung aber verschleierten.

600 bis 1500 Mitglieder zählt Opus Dei laut Hertel in Deutschland. Die Zentrale ist in Köln, eine Dependance gibt es in München und bald neu in Berlin. In Potsdam ist ein Gymnasium für Jungen geplant. In Bayern seien in den Bistümern Augsburg und München von den dortigen Bischöfen Personalprälaturen zugelassen. Der neue Münchner Erzbischof Reinhard Marx gelte als Opus-Dei-freundlich. Im Bistum Regensburg sei die Organisation bisher wenig verankert, hier finden nur Treffen statt. Hinweise auf eine Nähe von Bischof Gerhard Ludwig Müller zu Opus Dei hat Hertel nicht.



Etwa 110 Personen besuchten diese Veranstaltung, die durchgeführt wurde von AKR Aktionskreis Regensburg, Ev. Bildungswerk Regensburg, Leserinitiative Publik e.V. und Wir sind Kirche-Regensburg.

Zuletzt geändert am 16­.01.2008