19.2.2008 - Badische Zeitung

Keine Harmonie in der Familie Gottes

Aufregung um ein Interview des deutschen Oberhirten Robert Zollitsch und ein Eklat um vier konservative Bischöfe aus Bayern Vier von acht bayerischen Bischöfen sind am Sonntag nicht zur Verabschiedung von Kardinal Friedrich Wetter nach München gekommen. Auch ein Interview Zollitschs sorgt für Aufregung.

In München fehlten Walter Mixa (Augsburg), Wilhelm Schraml (Passau), Friedhelm Hoffmann (Würzburg) und Gerhard Ludwig Müller (Regensburg). Der weihte stattdessen einen neuen Kindergarten ein, wo er predigte: "Vom Mutterleib bis ins Alter bilden wir alle die große Familie Gottes."

Schön, doch wie in anderen Familien, kracht es manchmal auch in dieser. Die Süddeutsche Zeitung schreibt, der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann, habe in der Sakristei getobt und zitiert einen Münchner Domkapitular: "Das ist doch hier kein Kindergarten." Der Eklat von München ist aber nur ein Teil des Familienkrachs.

Die andere dreht sich um ein Interview des Freiburger Erzbischofs Robert Zollitsch, im Spiegel. Darin sagt Zollitsch, Homosexualität sei für ihn eine Frage der gesellschaftlichen Realität; der Staat dürfe Regeln für die Partnerschaft Homosexueller treffen. Er distanzierte sich von Äußerungen Mixas zur Familienpolitik. Begriffe wie "Gebärmaschine" gehörten nicht zu seinem Wortschatz und machten jede Diskussion im Ansatz kaputt.

Dann ging es um den Zölibat, den Zollitsch durchaus verteidigte. Doch sagte er auch: "Und natürlich ist die Verbindung zwischen Priestertum und Ehelosigkeit nicht theologisch notwendig." Dies ist alles andere als neu, ging Bischof Müller aber so gegen den Strich, dass er sofort dagegenhielt. Vielleicht auch hatte er nur auf die Gelegenheit gewartet. Der Zölibat werde niemals aufgehoben. Das konservative "Netzwerk katholischer Priester" sprang Müller gestern bei.

Über die Motive der vier bayerischen Bischöfe, sich in München nicht blicken zu lassen, will Hans Joachim Maier, Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, nicht spekulieren. So viel sagte er der Badischen Zeitung gestern aber doch: "Es handelt sich um schlechten Stil, der auch der Person von Kardinal Wetter nicht angemessen ist."

Ein Affront war es aber nicht nur gegenüber Wetter, sondern auch gegenüber dem nichtbayerischen Quereinsteiger Reinhard Marx, Wetters Nachfolger, der selbst zu den Konservativen zählt. Und für Christian Weisner, Sprecher der Kirchenvolksbewegung "Wir sind Kirche", bedeutete es eine Spitze auch gegen Lehmann. Lehmann soll schließlich maßgeblich dazu beigetragen haben, dass Marx und und keiner der konservativen Bayern auf Wetter folgten - und auch, dass sein eigener Nachfolger Zollitsch wurde. Die Riege der Hardliner, zu der auch der Kölner Kardinal Joachim Meisner gehört, ging leer aus. Das kränkte sie.

Zollitsch hat, wie sein Pressesprecher Thomas Maier gestern sagte, den Querschuss aus Regensburg zur Kenntnis genommen, sage dazu aber nichts. Auch Zollitsch war in München nicht dabei, weil er, wie Maier sagte, einen längst vereinbarten, wichtigen Termin in Freiburg wahrgenommen habe. Auch gehört er nicht zur Bayerischen und war am Sonntag noch nicht Chef der Deutschen Bischofskonferenz. Die Pressestelle der Münchner Diözese hat nach bewährter kirchlicher Tradition "die Direktive, keine Stellungnahme abzugeben". Nun, so fördert man Spekulationen.

Der Eklat von München und der Disput um den Zölibat haben direkt nichts miteinander zu tun, indirekt aber schon: Den Konservativen passt die ganze Richtung nicht. Zollitsch kennt Kirche und Gesellschaft, und er wusste, was er tat. Er hat ein Zeichen gesetzt. Einige seiner Aussagen werden auch dem Papst nicht gefallen, aber auf jeden Fall missfallen sie einigen seiner Amtsbrüder, für die nun ihrerseits Müller Flagge zeigte.

Zollitsch hat gleich zu Beginn seiner Amtszeit als Vorsitzender der Bischofskonferenz deutlich gemacht, dass er zu den Gemäßigten zählt. Die giftige Reaktion aus Regensburg belegt, dass die Stockkonservativen dies kapiert haben und nicht schlucken. Die grobe Unhöflichkeit von München passt dazu. Die Fronten sind nun klar, die Gräben sichtbar.

Von BZ-Redakteur Niklas Arnegger

Zuletzt geändert am 20­.02.2008