28.2.2008 - heute-journal

Debatte um den Zölibat

Moderator Claus Kleber: Wenn das neue Amt eines erfahrenen gereiften Kirchenfürsten mit einem Paukenschlag beginnt, dann ist das eine Überraschung. So etwas hatte man dem Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch nicht zugetraut. Er hat in einem seiner ersten Interviews als Vorsitzender der deutschen Bischofskonferenz gleich an eine ganze Reihe von Tabus gerührt, unter anderem dem Zölibat. Das Prinzip der kathchen Kirche, dass ihre Priester nicht heiraten dürfen, "theologisch zwingend" sei das nicht sagte der neue Vorsitzende. Die Bibel enthält dazu tatsächlich kein Gotteswort, Menschen haben den Eheverzicht beschlossen vor fast 900 Jahren. Und Menschen könnten das heute ändern, aber die zuständigen Menschen - Herren - wollen das nicht. Das wurde dem neuen Vorsitzenden heute am Rand der Bayerischen Bischofskonferenz klar gemacht. Aber die Debatte und Gewissensnot in der Kirche kann keine Konferenz beenden, hat Karl Hinterleitner bei Betroffenen festgestellt.

Karl Hinterleitner: Lieselotte und Karl Loemke sind ein Paar, dass es eigentlich gar nicht geben dürfte. Grund ist der alte Arbeitsplatz von Karl Loemke, er war katholischer Priester. Er wusste, dass in der Kirche für ihn und seine Freundin die Hochzeitsglocken nie läuten würden, eine heimliche Beziehung aber wollten beide nicht. Also ging Loemke zu seinem Bischof.

Karl Loemke (verheirateter Priester): "Er hat dann natürlich nach dem gegebenen Kirchenrecht gesagt, wenn sie dazu stehen wollen, dann muss ich Sie ab morgen vom Amt suspendieren und aus dem Priesterberuf entlassen." Konsequenz Rausschmiss. Auch für Loemkes alten Kollegen Peter Schneider, beide sind aktiv in der Vereinigung katholischer Priester und ihrer Frauen, gefeuerter Priester natürlich, die nicht schweigen wollten.

Peter Schneider (verheirateter Priester): "Soviel ich sehe, äußern die Betroffenen sich ja dem Vorgesetzten nicht. Allgemein ist das Thema auch von oben her ja tabuisiert. Das sieht man ja an den Äußerungen der Bischöfe, die am Liebsten alles unter den Teppich kehren."

Karl Hinterleitner: Aber neuerdings scheint es, als wollte mancher Bischof denTeppich endlich lüften. Ausgerechnet der Vorsitzende der Bischofskonferenz Robert Zollitsch erklärte, er könne sich den Zölibat auch auf freiwilliger Basis vorstellen. Und so sehen es auch führende Theologen. An der einzigen katholischen Universität in Deutschland im bayerischen Eichstätt lehrt Professor Christoph Böttigheimer. Für ihn ist der Zölibat nicht notwendig.

Professor Christoph Böttigheimer (Universität Eichstätt): "Es ist ja unter Theologen und auch unter Bischöfen keine Frage, dass der Zölibat kein göttliches Recht ist. Damit wird sicherlich eine Diskussion angestoßen, die es in der katholischen Kirche immer wieder gegeben hat, aber vor dem Hintergrund des Priestermangels für manche aber doch als notwendig erachtet wird."

Karl Hinterleitner: Denn die katholische Kirche findet kaum noch Priester. Fast ein Drittel ging ihre Zahl in den letzten 20 Jahren zurück, drei Mal stärker noch als die Zahl der Gläubigen. Und nur jede vierte Pfarrei in Deutschland hat überhaupt noch einen eigenen Pfarrer. Ein Grund, so meinen Kritiker innerhalb der Kirche, liege auch im Zölibat.

Christian Weisner (Kirchenvolksbewgung "Wir sind Kirche"): "In der katholischen Kirche wurde und wird immer über den Zölibat diskutiert. Die Not ist aber jetzt so drängend, weltweit, und da ist zu hoffen, dass wirklich Rom neue Wege findet."

Karl Hinterleitner: Aber neue Wege sind vorerst nicht in Sicht, und vielen deutschen Kollegen ist der Vorstoß Ihres Kollegen Zollitsch auch eher unangenehm. Der neue Vorsitzende der Bayerischen Bischofskonferenz fand heute zum Zölibat klare Worte.

Dr. Reinhard Marx (Erzbischof von München und Freising): "Ich hoffe, dass eigentlich eine Debatte in Gang kommt, die deutlich macht: Die ehelose Lebensform ist für die Priester der katholischen Kirche ein großer Schatz und für die ganze Kirche etwas Positives, das müsste hängen bleiben."

Karl Hinterleitner: Die offizielle Linie der Kirche, für Karl Loemke und Peter Schneider ist sie nicht überzeugend, denn im wirklichen Leben verheimlicht so mancher Priester seine Freundin.

Peter Schneider (verheirateter Priester): "Es gab solche Ratschläge, auch von Priestern, die gesagt haben: Nimm sie doch zu Dir als deine Haushälterin. Aber das ist verlogen für mich."

Karl Hinterleitner: Dass sich am Zölibat doch noch etwas ändern könnte, bleibt für Leute wie Karl Loemke und Peter Schneider wohl auf lange Zeit ein frommer Wunsch.

Bericht: Karl Hinterleitner

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Zuletzt geändert am 29­.02.2008