24. März 2006 - Publik-Forum

Eine unendliche Geschichte?

In Regensburg kracht es weiter zwischen dem Oberhirten und seinen wenig folgsamen Schafen. Die Bischofskonferenz schweigt

Von Norbert Sommer

"Der Regensburg-Parasit stellt nach bisherigen Erkenntnissen eine völlig neue Gattung dar und ist auch in keine bekannte Familie einzuordnen.« Mit diesen Worten wiesen jüngst Biologen der Regensburger Universität auf eine Neuentdeckung hin: eine zerstörerische Parasitenart an Fruchtfliegen. Dass die Forscher das Lebewesen ausgerechnet nach der Donau-Stadt benannten, erscheint so manchem Katholiken dort wie eine Ironie des Schicksals: Denn – so wird hinter vorgehaltener Hand geflüstert – der eigene Bischof habe auch so einige der genannten Charakteristika.

Der Ärger über Gerhard Ludwig Müller lässt auch die katholische Deutsche Bischofskonferenz nicht mehr kalt: »Sie dürfen davon ausgehen, dass wir etwas tun werden«, antwortete deren Vorsitzender, Kardinal Karl Lehmann, auf die Frage eines Journalisten vor Beginn der Frühjahrsvollversammlung in Berlin. Der Mann hatte wissen wollen, ob die Bischöfe sich denn mit dem Gutsherrenverhalten ihres Regensburger Kollegen befassen würden.

Doch die erneute Frage eines Journalisten am Ende der Tagung, ob die katholischen Bischöfe in Sachen Regensburg tätig gewesen seien, beantwortete der Kardinal diplomatisch ausweichend: Die Situation in Regensburg sei kein eigenes Thema gewesen.

Und doch muss etwas geschehen sein: Denn warum sonst gab Müller nach der Abschluss-Pressekonferenz bekannt, das Bistum Regensburg werde sich am gemeinsamen Zuschuss der Diözesen für den Katholikentag in Saarbrücken beteiligen und wolle die traditionelle Kollekte dafür nicht streichen? Selbst teilnehmen am Katholikentag Ende Mai könne er aber nicht – so Müller weiter –, da er schon seit langem einen Firm-Termin habe. Eine mattere Ausrede kann man sich kaum denken, schließlich steht der Katholikentagstermin schon seit Jahren fest. Und es gibt auch kaum jemanden, der nicht von Müllers ablehnender Haltung gegenüber dem Veranstalter des Katholikentags – dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) – sowie von seiner aktiven Förderung der Gegner im Forum Deutscher Katholiken wüsste.

Erstaunlich sind die Parallelen zu Papst Benedikt XVI.: Auch der übte, als er noch Kardinal Joseph Ratzinger war, Kritik am Katholikentag – und reist nun ausgerechnet zu der Zeit nach Polen, in der der diesjährige Katholikentag in Saarbrücken stattfindet. Dadurch verlagert er ein erhebliches Medien- und Publikumsinteresse vom Saarland in Richtung Osten. Die Terminverschiebung für den Besuch von Juni auf Ende Mai wurde in Rom mit Rücksicht auf die Fußball-WM begründet. Rücksicht auf den Deutschen Katholikentag hielt der deutsche Papst wohl nicht für nötig.

Aber was ist schon ein Katholikentag? »Das Jahrtausendereignis« – so Bischof Müller – findet doch im September beim Bayern-Besuch des bayerischen Papstes in Regensburg statt. Dann erst tritt »die sichtbare Gemeinschaft der Kirche« zu Tage, die – so Müller – »von Christus selbst hierarchisch und charismatisch verfasst ist. Sie wird geleitet als die Herde Gottes von den Bischöfen in Einheit mit dem Papst«.

Von Einheit in Bischof Müllers Regensburger Herde kann aber schon seit langem keine Rede mehr sein. Maßregelung von Priestern, Kämpfe mit Wir sind kirche, Entmündigung der Laien durch Auflösung von Diözesanrat und Dekanatsräten zu Gunsten eines Diözesanpastoralrates, dessen Mitglieder vom Bischof ernannt werden, und die Installierung eines Diözesankomitees mit ausgewählten Vertretern aus Verbänden und geistlichen Gemeinschaften: Damit fing es an. Und es geht, so scheints, unaufhörlich weiter.

Glaubt man Bischof Müller, so beruht der ganz Wirbel um seine Amtsführung allerdings auf einem unverschämten Aufbauschen der Medien, ja auf einer Medienkampagne. Und deshalb meinte er zum Beispiel, die Mittelbayerische Zeitung strafen zu müssen, indem er erstmals nicht die traditionelle Weihnachtsbotschaft für das Blatt schrieb. Wen hat er damit wohl gestraft? Den Medien begegnet der Regensburger Oberhirte überhaupt auf seine eigene Art: in einer kirchlichen Talkshow im privaten oberbayerischen Fernsehsender TVA lässt er sich seit letztem Jahr einmal im Monat von seinem eigenen Pressesprecher interviewen. Dieser wies Kritik an dem journalistisch fragwürdigen Verfahren mit dem bezeichnenden Hinweis zurück, dass dies »den Führungsstil unseres Diözesanbischofs widerspiegelt«.

Zu diesem Führungsstil Müllers gehört auch, dass er gerichtlich gegen Verantwortliche des bisherigen Diözesanrates vorgeht und sowohl die Nutzung der ursprünglichen Homepage www.dioezesanrat-regensburg.de verhinderte, als auch vor Gericht gegen das Ersatz-Internet-Angebot www. Katholikenrat-Regensburg.de kämpfen ließ. Gegen die beiden daraufhin eröffneten Internet-Seiten www.canon215-regensburg.de und www.Benedikt-Hilf-Regensburg.de kann der streitbare Bischof wohl kaum etwas unternehmen.

Nach den Laien bekamen dann die Priester das Misstrauen des Bischofs zu spüren. Wurden bisher die Dekane von den Priestern, Diakonen und pastoralen Mitarbeitern im Dekanat gewählt, so darf jetzt eine Pfarrerkonferenz einen Dreiervorschlag einreichen, doch muss sich der Bischof nicht daran halten. Müller begründete die Änderung unter anderem mit der diffamierenden Äußerung, in den Dekanaten habe bisher »jeder vor sich hingewurstelt«.

Erst kürzlich wurde bekannt, dass der Bischof schon Ende 2005 eine Strafaktion gegen das Zentralkomitee der deutschen Katholiken und hier besonders gegen dessen Präsidenten, Hans Joachim Meyer, gestartet hatte. Weil das ZdK die Umstrukturierung der Räte scharf verurteil und Meyer Bischof Müller Rechtsbruch vorgeworfen hatte, weigert sich das Bistum Regensburg seitdem, seinen Anteil am Zuschuss für das ZdK in Höhe von 74 000 Euro zu zahlen. Nur unter dieser Bedingung stimmte Regensburg dem Haushaltsplan des Verbandes der Diözesen zu. Ein Ende des Boykotts ist nicht abzusehen, da Bischof Müller als Vorbedingung für Gespräche eine Entschuldigung von Meyer verlangt. Und die von Laien aufgebrachten Kirchensteuermittel? Sie werden in Regensburg wie Bischofseigentum behandelt.

»Wir brauchen diesen Gremienkatholizismus nicht!« – so klingt der Beifall aus dem rechten Lager. Und da verwundert es nicht, dass die Kirchenvolksbewegung Wir sind kirche den kommenden Papstbesuch als Indiz dafür sieht, wie Rom zu Müllers Aktionen steht: »Greift Benedikt ein? Das Verhalten des Papstes, wie auch immer es ausfällt, wird ein deutliches Signal sein, wie es um die Kirche und das Laienapostolat in Deutschland in Zukunft bestellt sein wird.«

Zuletzt geändert am 09­.05.2006