27.6.2008 - Die Welt

Das Abendmahl bleibt geteilt

Auch auf dem 2. Ökumenischen Kirchentag 2010 soll es keine gemeinsame Feier dieses Sakraments geben. Die Amtskirchen zieren sich

Der Papst aus Polen liebte kräftige, farbige Metaphern. Für die Situation der gespaltenen Christenheit gebrauchte Johannes Paul II. das Bild von den unversehrt gebliebenen Pfeilern und Fundamenten einer im Sturm zerstörten Brücke, die nun auf eben diesen Pfeilern und Fundamenten Stück für Stück wieder hergestellt werden müsse. Momentan sieht es allerdings so aus, als ob unter seinem Nachfolger, Benedikt XVI., die Arbeit auf dieser Großbaustelle ruhe. Die Ungeduldigen in den Gemeinden kämpfen tapfer gegen die sich ausbreitende Resignation an, setzen ihre Hoffnungen auf den 2. Ökumenischen Kirchentag 2010 in München - und werden gleich wieder enttäuscht. Katholiken, Protestanten, Freikirchler und Orthodoxe wollen sich zwar um ein gemeinsames gesellschaftspolitisches Zeugnis bemühen, aber ein Signal für eine Überwindung theologischer Differenzen, etwa beim Thema Abendmahl, wird von dem Großereignis nicht ausgehen.

"Jede Seite verhält sich nach ihrem Regelwerk", darüber herrscht, wie die Veranstalter jetzt der WELT erklärten, Übereinstimmung. Die Kirchenleitungen suchen die Teilnehmer zu disziplinieren, dass es nicht zu solchen spektakulären Akten kommt wie am Rande des ersten gemeinsamen Treffens 2003 in Berlin. Dort gab es eine "offene Kommunionfeier". Zu ihr hatte der emeritierte katholische Theologieprofessor Gotthold Hasenhüttl auch Nichtkatholiken eingeladen. Er wurde prompt vom Priesteramt suspendiert - vom damaligen Trierer Bischof Reinhard Marx, der als Erzbischof von München und Freising 2010 katholischer "Gastgeber" des Kirchentages sein wird.

Die aktuelle ökumenische Situation ist höchst unübersichtlich. Was ethische Werte angeht, habe Rom mit gewissen evangelikalen Gemeinschaften fast eine bessere Zusammenarbeit als mit manchen traditionellen protestantischen Kirchen, sagt Kurienkardinal Walter Kasper. Insgesamt befinde sich die Ökumene in einem großen Übergang. Das "Wesentliche", die spirituelle, geistliche Ökumene rücke in den Vordergrund. Diese ist nicht spektakulär, kommt ohne große Gesten aus, führt zu einer Vertiefung im Theologischen, ruft in Erinnerung, dass Ökumene im Ursprung eine Gebetsbewegung ist.

Aber diese Bewegung auf ihren spirituellen Kern zu reduzieren, das wäre zu wenig. Denn die oft geschmähte "Konsensökumene" hat Ergebnisse hervorgebracht, die so klein nicht sind. Nie in den vergangenen fünf Jahrhunderten war man im theologischen Denken so nah beieinander wie heute.

Gleichgültig, welcher Kontroversfrage man sich zuwende, stets zeige sich, dass es eine Tiefenschicht an Gemeinsamem gebe, die allem Streit voraus liege, resümierte zum Beispiel der lutherische Theologe Harding Meyer. Wenn dem so ist, müsste doch darauf aufgebaut werden können. Gefragt sind die leitenden Instanzen der Kirchen. Sie müssten (endlich) den Zuwachs an Gemeinsamkeiten in eine verbindliche Form gießen, dann könnte der Dialog ohne Ermüdung weiter gehen.

Ist das unterschiedliche Eucharistieverständnis das größte Hindernis auf dem steinigen Weg zur Einheit? Das im theologischen Diskurs Erreichte spricht eher dagegen. Seit 1978 liegt das von Lutheranern und Katholiken ausgearbeitete Dokument "Das Herrenmahl" auf dem Tisch. Im Dialog konnten die alten Differenzen, unter anderem über die "wirkliche Gegenwart des Leibes und Blutes Christi" (Realpräsenz) und die Eucharistie als unblutige Wiederholung des Opfertodes Jesu - wogegen die Reformation heftig protestiert hatte - weitgehend ausgeräumt werden.

Nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil ist ohnehin der Opfergedanke in der katholischen Liturgie zurückgedrängt worden. Zwar heißt es weiter "Sieh nicht auf unsere Sünden, sondern sieh auf das Opfer deiner Kirche." Dennoch, so betont etwa der hessen-nassauische Kirchenpräsident Peter Steinacker, trenne Katholiken und Protestanten nicht mehr das theologische Verständnis des Abendmahls: "Was uns von der römisch-katholischen Kirche trennt, ist das Verständnis der Kirche und der Priester."

Hier liegt "das ökumenische Problem schlechthin" (Harding Meyer), die "eigentlich kirchentrennende Frage" (Hans Küng): die Frage nach der Gültigkeit, der "Stiftungsgemäßheit" der Eucharistie. Diese bleibt, so will es die katholische Lehre, an die gültige Weihe des Amtsträgers gebunden.

Aber selbst an diesem strittigen Punkt stehen Theologen beider Seiten vor einem Durchbruch. Im deutschen Ökumenischen Arbeitskreis wird gegenwärtig das Projekt "Das kirchliche Amt in apostolischer Nachfolge" abgeschlossen - mit einem ausdrücklichen Votum für einen "differenzierten Konsens" in einer "Gemeinsamen Erklärung zum kirchlichen Amt" - analog zum Dokument über die Rechtfertigungslehre vom 31. Oktober 1999 in Augsburg. Alle theologischen Voraussetzungen für eine solche Erklärung und damit für eine gegenseitige Ämteranerkennung seien gegeben, berichtete der katholische Ökumeniker Otto Hermann Pesch in der "Herder Korrespondenz": "Wir können also, wenn wir denn nur wollen - beiderseits!"

Eine gegenseitige Zulassung zur Eucharistie im Sinne einer Gastfreundschaft, eine "offene Kommunion" für Einzelne als vorerst kleine Lösung wäre dann theologisch legitim. Vorausgesetzt, die katholische Kirche erklärt, dass sie im stiftungsgemäß gefeierten evangelischen Abendmahl das Abendmahl Christi erkennt und umgekehrt. Wieder fällt den Kirchenleitungen eine Schlüsselverantwortung zu. Sie könnten, wenn sie wollten.

Dass freilich der Weg zu einer Einigung noch weit ist, deutet der Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller an. Keine Konfession dürfe gezwungen werden, gegen ihre Überzeugung eigene Glaubenswahrheiten aufzugeben. Müller ist der Vorsitzende der Ökumenekommission der Deutschen Bischofskonferenz und ein prominentes Mitglied der römischen Glaubenskongregation. Nach katholischem Verständnis sind Bischöfe und die von ihnen geweihten Priester durch eine ununterbrochene Folge von Handauflegungen seit der Zeit der Apostel legitimiert (Apostolische Sukzession). In der evangelischen Kirche geschieht die Ordination der von der Gemeinde gewählten Geistlichen von Pfarrer zu Pfarrer.

In der Frage von Weihe, Amt und Ordination hat es auf evangelischer Seite manches "Durcheinander" (so der badische Landesbischof Ulrich Fischer) gegeben. So brachte die Vereinigte Evangelische Kirche Deutschlands (VELKD) sogar die Ordination von Nichttheologen und auf Zeit ins Spiel. Der ökumenische Partner zeigte sich höchst irritiert. Dabei gibt es durchaus Argumente dafür, die Legitimation für das Amt nicht ausschließlich an die Handauflegung zu knüpfen. Die authentischen Paulus-Briefe etwa betonen den Nutzen eines frei aufbrechenden Charismas von Menschen für die Gemeinden.

Mit der gegenseitigen Anerkennung der Kirchen als Kirche Christi wäre das ökumenische Problem im Kern überwunden - zumindest zwischen Rom und Wittenberg. Der Vatikan wendet sich derzeit aber vor allem den orthodoxen Kirchen zu. Kardinal Kasper sondiert in Moskau, dem "dritten Rom", und beim Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel. Seine Gesprächspartner weigern sich allerdings, in der Frage des Jurisdiktionsprimats und der Unfehlbarkeit des Papstes Konzessionen zu machen. Dennoch hofft er auf eine Kirchengemeinschaft mit den Orthodoxen.

Kann man aber diese Gemeinschaft haben, obwohl in den Partnerkirchen eine Lehre zurückgewiesen wird, die für Rom den Rang eines Dogmas hat? Wenn ja, wird der Vatikan entsprechenden Schritten in Richtung der Kirchen der Reformation nicht ausweichen können. Der Ökumeniker Pesch meint daher: "In der Frage des Papsttums führt der Weg nach Wittenberg über Konstantinopel."

Zuletzt geändert am 27­.06.2008