28.6.2008 - Süddeutsche Zeitung

Die Kirche muss sich neu aufstellen

Erzbischof Reinhard Marx präsentiert Pläne für ein „Zukunftsforum”

Zahl der Pfarrverbände im Erzbistum wird angesichts personeller und struktureller Probleme steigen

Von Monika Maier-Albang

Das Plakat zum Prozess trägt Sonnenstrahlen: Sommergefühl, Aufbruchstimmung soll das vermitteln – und so der grassierenden Sorge im Münchner Erzbistum entgegensteuern, der neue Bischof wolle den Gemeinden eine Radikalkur verordnen. Am Freitag hat Reinhard Marx seine Pläne für ein „Zukunftsforum” vorgestellt. Das Forum soll sich in den kommenden zwei Jahren Gedanken über „neue Formen pfarrlichen Lebens” machen. Angesichts von Priestermangel und schrumpfenden Mitgliederzahlen müsse die Kirche „in einer sich rasant verändernden Gesellschaft” zukunftsfähig aufgestellt sein, so Marx.

Das Zukunftsforum besteht aus rund 120 Vertretern unter anderem aus Gemeinden, seelsorglichen Berufsgruppen, Ordensgemeinschaften und Mitarbeitern des Ordinariats. Bis zum Frühjahr 2010 wird es viermal tagen. Zudem sind alle Gläubigen zur Beteiligung aufgerufen – „sei es durch mitdenken oder mitbeten”, sagt der Projektleiter und stellvertretende Generalvikar Klaus Franzl. Das Ordinariat hat dafür eine interaktive Internetplattform eingerichtet (www.dem-glauben-zukunft-geben). Marx sicherte zu, dass das Gremium „verbindlich” mitreden werde. Man dürfe „keine neue Synode” erwarten, er wolle aber das „synodale Element in der Kirche stärken”.

Mit dem Zukunftsforum setzt Marx Überlegungen zum Personal- und Strukturplan 2020 fort, die es im Ordinariat bereits seit zwei Jahren gibt. Den Entwurf für den künftigen Personalplan hatte Kardinal Wetter nicht mehr unterzeichnet, um seinem Nachfolger nicht vorzugreifen. Das Papier wird nun dem Forum als Diskussionsgrundlage dienen. Marx sprach von „guten Vorüberlegungen”. „Mit mir beginnt also keine neue Zeitrechnung.”

Schon jetzt gibt es in mehr als der Hälfte der 752 Pfarreien im Erzbistum keinen eigenen Pfarrer mehr am Ort; diese Pfarreien sind in Pfarrverbänden organisiert. Bis zum Jahr 2010 werden 555 Pfarreien in Pfarreiengemeinschaften – wie die Pfarrverbände künftig analog zur bundesweiten Sprachregelung heißen sollen – organisiert sein. „Es ist anzunehmen, dass die Zahl weiter wachsen wird”, sagt Franzl. Marx betonte, er habe nicht vor, Pfarreien aufzulösen. Es müssten aber verbindliche Formen der Zusammenarbeit gefunden werden.

Nach Marx’ Vorstellung soll das Zukunftsforum sich nicht nur mit Strukturfragen befassen, sondern „einen Prozess der geistlichen Neuorientierung” in Gang bringen. Der Diözesanrat der Katholiken rief zur Beteiligung auf. Entscheidend sei, dass die Gemeinden die Versorgungsmentalität überwinden, sagte der Vorsitzende des Gremiums, Alois Baumgartner. Marx erteilte erneut der im Bistum praktizierten Möglichkeit eine Absage, in Ausnahmefällen eine Pfarrei durch einen Diakon oder einen Pastoralreferenten leiten zu lassen. „Nur der Pfarrer nimmt die Leitungsaufgabe wahr”, sagte er. Die Reformbewegung „Wir sind Kirche” regte an, kritisch zu hinterfragen, ob es angesichts immer weiter sinkender Priesterzahlen noch genug Pfarrer gebe, die „fähig, willens und ausreichend darauf vorbereitet” seien, „Großpfarreien und Pfarrgemeinschaften zu managen”.

Zuletzt geändert am 28­.06.2008