18.2.2009 - Rhein-Neckar-Zeitung

Wir beleidigen nicht den Papst, sondern verteidigen das Zweite Vaticanum"

Der Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller fährt schwere Geschütze gegen drei Regensburger Theologieprofessoren auf, weil die eine Petition unterschrieben haben, in der sie sich "für die uneingeschränkte Anerkennung der Beschlüsse des Zweiten Vatikanischen Konzils" einsetzen. Sie hätten damit den Papst beleidigt, und sollten sie sich nicht entschuldigen, dann könne er sie mit dem Entzug ihrer Lehrerlaubnis an der Theologischen Fakultät in Regensburg bestrafen. Einer der Verfasser dieser heiß diskutierten und inzwischen in zwölf Sprachen übersetzten Petition ist der Heidelberger Theologe Norbert Scholl. Der 77-Jährige, der in Wilhelmsfeld lebt, lehrte von 1969 bis 1996 katholische Theologie und Religionspädagogik an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg.

Herr Scholl, haben Sie mit dieser Petition den Papst beleidigt?

Ich wüsste nicht, inwiefern wir, die Verfasser und die Zehntausende, die inzwischen die Petition unterzeichnet haben, damit den Papst beleidigt haben sollen. Immerhin ruft das Zweite Vaticanum, an dem ja Joseph Ratzinger als Berater teilgenommen hat, dazu auf, "frei nach der Wahrheit zu forschen, seine Meinung zu äußern und zu verbreiten".

Welchen Zweck hat die Petition?

Es geht nicht nur um die Pius-Bruderschaft und die Holocaust-Leugnung ihres "Bischofs" Williamson. Es geht uns vor allem um die volle Anerkennung der Beschlüsse des Zweiten Vaticanums. Wir befürchten eine Rückkehr von Teilen der römisch-katholischen Kirche in eine antimodernistische Exklave. Gerade jetzt in der Phase der Beschwichtigung ist unsere positiv gerichtete Petition besonders wichtig.

Warum reagiert der Regensburger Bischof so scharf auf die Unterzeichner der Petition?

Das weiß ich nicht. Dem Bischof sind die Verfasser der Petition schon lange ein Dorn im Auge und auch die Kirchenvolksbewegung "Wir sind Kirche", die inzwischen die nationale und internationale Verbreitung übernommen hat.

Wer hat mittlerweile Ihre Petition unterzeichnet?

Aus ganz Europa gehen täglich auf der Internetseite (http://archiv.wir-sind-kirche.de/petition-vatikanum2.org/) neue Unterschriften ein. Auch ich selbst bekomme jeden Tag manchmal bis zu 600 Unterschriften mit der Post zugeschickt. Die Unterzeichner und Unterzeichnerinnen stammen aus allen Schichten der Kirche. Insbesondere fällt auf, dass viele Pfarrer, Ordensfrauen und so genannte "Laien" im kirchlichen Dienst die Petition unterschreiben und sich manchmal noch eigens für die Initiative bedanken.

Auch in Heidelberg gibt es Tendenzen gegen die Beschlüsse des Zweiten Vatikanischen Konzils. Was halten Sie davon, die St. Anna-Kirche in der Plöck für lateinische Gottesdienste von "Ecclesia Dei" zu öffnen?

Ich habe nichts einzuwenden gegen eine Vielfalt von Gottesdienstformen innerhalb der katholischen Kirche. Es gab übrigens schon vor dem Konzil unterschiedliche Riten. Kritisch wird es erst dann, wenn die eine Seite der anderen das Kirche-Sein abspricht und gar, wie im Fall von Bischof Müller, mit Zwangsmaßnahmen droht.

Teilen Sie die Auffassung, dass die Vertreter Ihrer papstkritischen Linie die volle Schärfe der Amtskirche zu spüren bekommen, die "Traditionalisten" aber stets auf Nachsicht hoffen können?

Der weitaus größte Teil der so genannten "Amtskirche", in unserem Fall also die deutschen und österreichischen Bischöfe, reagieren durchaus gelassen und äußern sich ja selber höchst kritisch zu den gegenwärtigen Vorgängen in Rom. Der Hardliner Bischof Müller ist da ein völliger Außenseiter. Wer unsere Petition unvoreingenommen liest, wird selbst feststellen können, dass hier Probleme genannt werden, die längst bei der überwiegenden Mehrheit der Katholikinnen und Katholiken für Unmut sorgen und dringend nach einer Lösung verlangen.

Zuletzt geƤndert am 20­.04.2020