4.3.2009 - Frankfurter Allgemeine Zeitung

So oder so, die Kirche wird grün

Schismatiker von links: Die „Petition Vaticanum II“

„Wir werden die Weihe unserer vier neuen Bischöfe im Frühling feiern, wenn die Liebe Gottes, die alles grün macht, nach dem langen Winter frisch zutage tritt.“ So steht es, hier aus dem Englischen übersetzt, in der jüngsten Verlautbarung der Gemeinschaft, deren Weihen von Rom nicht anerkannt werden. Wo in der englischen Fassung „four new bishops“ genannt werden, muss es im Deutschen eigentlich „Bischöfinnen“, besser und hässlicher „Bischöfinnen“ heißen. Die Geschlechtsneutralität des Bischofsamtes, in das nach der Überzeugung dieser Gruppe, nicht aber nach der Lehre der Kirche Frauen ebenso wie Männer berufen sind, lässt sich im Englischen besser ausdrücken als im Deutschen. Unterzeichnet hat den Hirtinnenbrief Patricia Fresen, die in der RCWP, dem Verein der „Roman Catholic Womenpriests“, als Bischöfin für Westeuropa firmiert. Die Ankündigung des freudigen Ereignisses wird umrankt von einer Meditation über die Theologie der universellen Begrünung bei Hildegard von Bingen.

Dort Piusbrüder, hier Hildegardschwestern: Wie im Lager der Traditionalisten gibt es auch auf dem linken Flügel der Reformer einen fanatischen Rand, wo man aus dem eigenen, gegen Rom und den Erdkreis gesetzten Kirchenbegriff die Konsequenz der Abspaltung gezogen hat. Patricia Fresen ist eine aus Südafrika gebürtige Doktorin der Theologie und ehemalige Dominikanerin, die sich 2003 zur Priesterin und 2005 zur Bischöfin weihen ließ. Nach mehrfacher Aufforderung, die Ungültigkeit dieser Weihen anzuerkennen, bei denen es sich nach römischen Begriffen – im Unterschied zur Weihe der vier Bischöfe der Piusbruderschaft durch Erzbischof Lefebvre - um Akte der Weihesimulation handelte, wurde sie exkommuniziert. Auch die Schismatiker auf der Linken bestehen auf der kirchenrechtlichen Gültigkeit der Handlungen, durch die sie die Trennung von Rom vollzogen haben, insbesondere darauf, dass die Spender der Bischofsweihen in der Apostolischen Sukzession stehen. Wo die Namen dieser Konsekranten nicht geheimgehalten werden, weil es sich angeblich um Bischöfe in Amt und Würden handelte, werden die Sukzessionslisten minutiös geführt - wie bei den traditionalistischen Splittergruppen.

In der Liste der Erstunterzeichner der „Petition Vaticanum II“, die die Aufhebung der Exkommunikation der Lefebvre-Bischöfe als reaktionäre Tat verurteilt, finden sich zwischen Hans Küng, dem Saarbrücker Emeritus und suspendierten Priester Gotthold Hasenhüttl und dem Bonner Dogmatiker und Leiter der Bischöflichen Studienförderung Cusanuswerk Josef Wohlmuth auch die Namen von Dr. Iris Müller und Dr. Ida Raming aus Stuttgart, die als römisch-katholische Priesterinnen ausgewiesen werden.

Der Missbrauch der Begriffe, der bei dieser Travestie endet, beginnt schon mit dem Wort „Petition“. Eine Bittschrift richtet man an eine amtliche Autorität, um sie zur Behebung eines Missstandes zu bewegen, im Vertrauen in die Kompetenz und Legitimität der Instanz, die man um Hilfe ersucht. Zwar ist die Publikation einer Petition geeignet, die angerufene Autorität unter Druck zu setzen. Aber die „Petition Vaticanum II“ imitiert die Formen der vertrauensvollen Eingabe nicht mehr. Der technische Begriff für die Textsorte ist der Offene Brief. Man könnte auch von Drohbrief sprechen. Appelliert wird nicht an den Papst, sondern an eine dem Papst mehr oder weniger unfreundlich gesinnte Öffentlichkeit. Von drei Professoren der Universität Regensburg, die das Pamphlet unterzeichnet haben, hatte ihr Ortsbischof Gerhard Ludwig Müller die Ablegung eines Glaubensbekenntnisses und Treueeides verlangt. Er nahm diese Forderung zurück, nachdem die Professoren erklärt hatten, sie lehnten „eine Interpretation der Petition ab, wonach dem Papst eine mangelnde persönliche und lehramtliche Integrität unterstellt wird“. Was diese Versicherung über die Hermeneutik beziehungsweise die Verbiegungsberei4schaft der Gelehrten sagt, kann jedermann durch Nachlesen entscheiden.

Die bayerischen Bischöfe haben die These der Petenten zurückgewiesen, der Papst betreibe eine Rückkehr hinter das Konzil. Wird auch die Vollversammlung der Bischöfe in Hamburg ein solches klares Wort verlauten lassen? Hinter der Petition steht der Verein „Wir sind Kirche“, der als „Kirchenvolksbewegung“ auftritt. In den Medien werden Enttäuschung und Empörung unter den Laien regelmäßig mit Äußerungen aus diesem Verein belegt. Wenn aber den Jüngern des Erzbischofs Lefebvre ihre anachronistische politische Theologie des christlichen Staates vorgehalten wird, so vertritt auf der Gegenseite die „Kirchenvolksbewegung“ eine politische Theologie der demokratischen Kirche, die den Kirchenbegriff des katholischen Glaubens sprengt und die Tradition zerreißt.

Die Kampfnamen der Bewegung sprechen für sich: Man beschwört in Analogie zum Jahr 1989 eine revolutionäre Situation, setzt die Hierarchie mit dem Apparat der überalterten kommunistischen Despoten gleich. Der dem Papst und den Bischöfen geschuldete Gehorsam wird noch nicht einmal mehr in Wendungen der Sklavensprache simuliert. Er gilt als Struktur des falschen Bewusstseins, das die revolutionäre Erneuerung der Kirche blockiert - wobei das große Umkrempeln selbstverständlich als Vollendung des Zweiten Vatikanischen Konzils verstanden wird.

In diesem Sinne beantwortete gestern im Deutschlandfunk Gotthold Hasenhüttl die Frage, ob „Signale des Papstes“ für die „kirchliche Praxis“ überhaupt „relevant“ seien. „Ich meine schon, dass das sehr relevant ist, weil sich nun ganz viele Gläubige eben an den Äußerungen des Papstes orientieren. Es ist ja nicht so, dass er einfach überhaupt keine Autorität darstellt, sondern die Autoritätsgläubigkeit ist ja gerade oft unter den Katholiken sehr weit verbreitet, und dieser Gehorsamsgedanke m das was der Papst sagt, ist in Ordnung - ist sehr stark verbreitet und viel weniger die Eigenverantwortung, die eigentlich dem Christen von der Botschaft Jesu her zukommen würde.“ Natürlich erfolgte keine Nachfrage des Interviewers zu der bizarren Feststellung, der Papst stelle (noch?) nicht einfach gar keine Autorität dar. Gehorsam als pathologische Prägung: Auf den Sand dieses Gedankens kann man nur einen karnevalistischen Gegenentwurf zur katholischen Kirche bauen.

Wenn Benedikt XVI. vor einer Diktatur des Relativismus warnt, bleibt unscharf, welche Institute der säkularen Gesellschaft er im Auge hat. Innerkirchlich muss er sich vorwerfen, dem Relativismus Vorschub zu leisten, indem er die Priesterbruderschaft St. Pius X. scheinbar eingeladen hat, bei ihrem spalterischen Begriff der wahren Kirche zu verharren. Dort Wir sind die Kirche“, hier „Wir sind Kirche“ beide Parteien wollen einen partikularen Begriff durch Usurpation durchsetzen.

Hans Küng hat verkündet, der nächste Papst müsse ein Obama sein. Kein Robespierre! Die Kirche soll sich zum demokratischen Glauben bekehren, dass jederzeit alles zur Änderung ansteht. Ein Historismus, der den Versuch der theologischen. Klärung etwa des Wesens der Liturgie mit dem Mantra abfertigt, jede Formel sein ein Gemachtes, ist die vornehme intellektuelle Variante des Relativismus, der nach Hans Kelsen die geistige Voraussetzung der Demokratie ist. Es käme aber, wenn der Druck der Massen Bischöfinnen ins Amt brächte, eine sanfte Diktatur, spätestens mit dem Frühlingstag der Papstwahl von Hildegard.

PATRICK BAHNERS

Zuletzt geändert am 05­.03.2009