10.3.2009 - Main-Post

»Vatikan muss sich besser abstimmen«

Interview mit dem Sprecher der Kirchenbewegung »Wir sind Kirche« zur Petition »Vaticanum II«

Das Dekret von Papst Benedikt XVI., mit dem der erzkonservativen Pius-Bruderschaft der Weg zurück in die katholische Kirche geebnet werden sollte, hat für schwere Irritationen gesorgt. Viele Katholiken befürchten, dass dies ein Signal sein könnte, schrittweise die Linie des Zweiten Vatikanischen Konzils zu verlassen. Dies war Anlass für die Petition »Vaticanum II«. Die ganze Irritation hätte es nach Ansicht des Sprechers von »Wir sind Kirche«, Christian Weisner, nicht gegeben, wenn die Forderung des Vatikans an die Pius-Bruderschaft, das Konzil anzuerkennen, nicht erst am 4. Februar nachgeschoben worden wäre. Mit ihm sprach Günter Wolf

In der von der Kirchenbewegung »Wir sind Kirche« mitgetragenen Petition »Vaticanum II« wird unter der Überschrift »Für die uneingeschränkte Anerkennung der Beschlüsse des Zweiten Vatikanischen Konzils« ein klarer Kurs bezüglich der Pius-Bruderschaft gefordert. Reicht die Erklärung, die die Deutsche Bischofskonferenz in Hamburg abgegeben hat, aus?

Die Bischofskonferenz hatte einen schwierigen Part zu bewältigen. Denn es gibt innerhalb der Konferenz widerstrebende Meinungen. So hat zum Beispiel die »Freisinger Bischofskonferenz« die Argumentation unserer Petition kritisiert. Natürlich konnte die Bischofskonferenz den Papst nicht offen kritisieren. Aber es war gut und richtig, dass die Bischofskonferenz sich sehr deutlich zum Kurs des Zweiten Vatikanischen Konzils bekannt hat, wofür die Bischofskonferenz jetzt selbst von der erzkonservativen Pius-Bruderschaft unter Beschuß genommen wird. Leider haben die Bischöfe kein gemeinsames Hirtenwort für die Gläubigen in Deutschland zustande gebracht. Ich fürchte, da werden manche Bischöfe ihre eigene Sicht der Dinge unters Volk bringen.

Noch in dieser Woche wird der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Erzbischof Zollitsch, nach Rom reisen. Welche Botschaft soll er dem Papst mitbringen?

Er muss deutlich machen, dass die interne Abstimmung innerhalb des Vatikans verbessert werden muss. Besonders auch die Abstimmung mit den nationalen Bischofskonferenzen. Weder die deutschen noch die französischen Bischöfe waren über das Dekret vom 21. Januar zur Pius-Bruderschaft rechtzeitig informiert, obwohl beide Kirchen davon besonders betroffen sind. Er muss auch deutlich machen, wie ernst und betroffen die Gläubigen in Deutschland sind. Das Kirchen- und Papst-Bild vieler Gläubigen wurde erschüttert.

Der Papst kommt 2010 nach Deutschland. Kann dieser Besuch helfen, Irritation über den »deutschen Papst« in seiner Heimat zu beseitigen?

Kardinal Ratzinger wurde im Jahr 2005 überraschend zum Papst gewählt. Seine Wahl wurde damals in Deutschland sehr positiv aufgenommen. Dabei schwang die Hoffnung mit, dass er als Papst einen anderen Kurs steuern würde als den, den er fast 25 Jahre als Präfekt der Glaubenskongregation verfolgte. Seine erste Enzyklika deutete darauf hin. Doch bald stellte sich heraus, dass Benedikt XVI. zwar Amt und Gewänder gewechselt hat, seine kirchenpolitische Linie aber keineswegs aufgegeben hat. Ich möchte zwei Beispiele nennen: die völlige Freigabe der vorkonziliaren Messe und seine umstrittene Karfreitagsfürbitte, mit der vor allem die jüdischen Befindlichkeiten verletzt werden.

Nun wird der Papst Mitte Mai nach Israel reisen. Können damit Befürchtungen eines neuen Antijudaismus in der Kirche beseitigt werden?

Dem Papst kann man sicher keine antijudaistischen Tendenzen unterstellen. Aber es gab sie lange Zeit in der Kirchengeschichte und gibt sie leider immer noch – wie die Piusbruderschaft und die unsinnigen Äußerungen des Bischofs Williamson belegen. Die Reise des Papstes im Mai ist eine sehr heikle Mission. Es wird hohe Sensibilität erfordern, die religiöse und politische Balance zu wahren. Der Papst darf sich nicht zu einem Lager hinziehen lassen. Bezeichnend ist ja, das Christen in Israel von einer Reise zum jetzigen Zeitpunkt abgeraten haben. Der Papst sollte nicht nur auf israelische, sondern auch auf arabische Befindlichkeiten Rücksicht nehmen, allein schon um der Christen in diesen Ländern und in Palästina willen.


Stichwort: Petition Vaticanum II
Die Petition »Für eine uneingeschränkte Anerkennung der Beschlüsse des II. Vatikanischen Konzils« wurde als international offene Petition am 29. Januar veröffentlicht und den Bischöfen der Katholischen Bischofskonferenz in Hamburg überreicht. Die Unterzeichner (inzwischen mehr als 36 000) kritisieren, dass mit der Aufhebung der Exkommunikation von vier Bischöfen der Pius-Bruderschaft nun innerhalb der Kirche offen Geist und Buchstabe bedeutender Dokumente des Zweiten Vatikanischen Konzils abgelehnt werden. Dies sei mit dem jüdisch-christlichen Hauptgebot der Gottes- und Nächstenliebe nicht vereinbar . Die Zeichnungsphase der Petition läuft noch bis 9. April. gw

Unterzeichnen kann man die Petition im Internet unter http://archiv.wir-sind-kirche.de/petition-vatikanum2.org/

Zuletzt geändert am 20­.04.2020