13.3.2009 - Publik-Forum

Aus der Kirche austreten?

Die einen kehren der katholischen Kirche den Rücken, die anderen wollen kämpfen. Ein Pro & Contra

Die Vorgänge der letzten Wochen haben bei einer Reihe von Katholiken das Fass zum Überlaufen gebracht. Sie sind aus der katholischen Kirche ausgetreten. Prominentestes Beispiel: der belgische Moraltheologe Jean-Pierre Wils (Publik-Forum 3/2009). Diese Christen können sich mit der katholischen Kirche als Institution nicht mehr identifizieren. Andere sind zwar mit vielen Vorgängen in ihrer Kirche nicht einverstanden, wollen aber in der Kirche bleiben und für Veränderungen kämpfen; so insbesondere die Mitstreiterinnen und Mitstreiter der Kirchenvolksbewegung »Wir sind Kirche«. Ihr Motto: Auftreten statt Austreten. Der Kirchenaustritt ist immer eine persönliche Entscheidung. Er hat aber auch eine kirchenpolitische Signalwirkung. Die Verantwortlichen in der Kirche sollten einen solchen Schritt ernst nehmen. So wie der Mainzer Kardinal Karl Lehmann, der das Thema eigens in seinem vorösterlichen Hirtenbrief anspricht und alle Ausgetretenen bittet, ihren Schritt noch einmal zu überdenken.

NEIN

Von Sigrid Grabmeier

Soll ich oder soll ich nicht? Soll ich aus der Gemeinschaft der Kirchensteuerzahlenden austreten oder nicht? Die Ereignisse der letzten Zeit haben mich dieser Frage wieder einmal nähergebracht. Bislang blieb ich immer standhaft. Warum?

Ich respektiere die Austrittsentscheidung derer, die sagen: Ich kann dieses Zerrbild einer Kirche mit ihren autoritären Strukturen nicht mehr ertragen und möchte nicht, dass mein Geld zur Stabilisierung dieses Systems beiträgt. Oder derer, die sagen: Mein Geld ist der Kirche zwar recht, aber weil ich in meiner Ehe gescheitert bin und jetzt ein neues Glück gefunden habe, werde ich von der vollen kirchlichen Gemeinschaft ausgeschlossen, das akzeptiere ich nicht. Oder derer, die sagen: Bei einem kleinen Mädchen, das vergewaltigt wurde, wird die Exkommunikation aller Beteiligten festgestellt, weil es abgetrieben hat; und was ist mit dem Vergewaltiger?

Doch leider beeindruckt ein Kirchenaustritt die Bischöfe bislang nicht im mindesten. Im Jahr 2007 gab es knapp 94 000 Kirchenaustritte. Das sind doppelt so viele, wie derzeit die »Petition Vaticanum 2« unterzeichnet haben. Noch gibt es viele andere Geldquellen, auf die die katholische Kirche zurückgreifen kann. In Deutschland wird sie nicht nur aus Kirchensteuern finanziert, sondern je nach Bundesland auch aus Steuern aller Steuerzahlenden.

Übrigens: Dass die deutschen Bischöfe alle, die aus der öffentlich-rechtlichen Körperschaft Kirche austreten, automatisch als exkommuniziert betrachten, ist - auch nach Auffassung des Päpstlichen Rates für die Auslegung von Gesetzestexten - kirchenrechtlich und vor allem theologisch falsch: Ich bin durch Taufe und Firmung Mitglied der Kirche Jesu, nicht durch den Eintrag in einer staatlichen Liste. Insofern steht, wer aus der katholischen Kirche in Deutschland austritt, nicht einfachhin außerhalb der christlichen Gemeinschaft.

Ich sage nicht, dass ich nie austreten werde. Das kann ich nicht versprechen. Aber noch vertraue ich darauf, dass sich innerkirchliches Auftreten lohnt. Ich stehe zur Kirche und möchte sie verändern: menschlicher und zeitgemäßer machen. Eine Nagelprobe wird für mich zum Beispiel sein, ob es gelingt, die Mitsprache und Mitverantwortung des ganzen Kirchenvolks bei der Verwendung der Kirchensteuer zu erreichen. Es ist nahezu unerträglich, wenn der Bischof von Regensburg mein treuhänderisch übergebenes Kirchensteuergeld dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken entzieht, nur weil dessen Präsident Kritik an ihm geübt hat; oder wenn er damit teure Zivilprozesse gegen Gläubige seiner Diözese führt, nur weil sie im Auftrag des Diözesanrats eine Internetseite www.katho Iikenrat-regensburg.de betrieben.

Ich hoffe nach wie vor darauf, dass die Mitgestaltungs- und Kontrollmechanismen in der Kirche deutlich verbessert werden. In der Schweiz zum Beispiel gehen die Steuern direkt an gewählte Kirchensteuergremien der Ortskirchengemeinden, die dann entsprechende Mittel an das Bistum abführen. Wenn dort ein Bischof einen Pfarrer aus dem Amt drängen will, muss er dem Kirchenvolk nachvollziehbare Argumente vorlegen. Solche Modelle gilt es auch andernorts anzustreben. Sie geben mir immer noch die Hoffnung, dass Auftreten statt Austreten die bessere Alternative für eine lebenswerte Kirche ist. Schließlich gilt: Wir sind die Kirche - nicht nur die Bischöfe.


Sigrid Grabmeier, geboren 1962, ist Sprecherin im Bundesteam der Kirchenvolksbewegung »Wir sind Kirche«. Sie lebt mit ihrem Mann und drei Kindern in der Diözese Regensburg.

Zuletzt geändert am 14­.03.2009