Januar 2010 - Kirche In (Kolumne „Unzensiert“)

Apostolische Sukzession?!

Die Männer, die Jesus sich als seine engsten Freunde und Begleiter ausgesucht hatte und die sich später Apostel nannten, schickte er zu den Menschen, um durch sie seine Botschaft zu verbreiten, und er tat das, obwohl oder vielleicht weil er sie und ihre Stärken und Schwächen so gut kannte. Er kannte ihre Angst als der Sturm auf dem See Genezareth aufkam. Er kannte ihr abweisendes Verhalten als Eltern ihre Kinder und damit ihre Zukunft zum Segnen brachten. Er kannte ihre Phantasielosigkeit, als es um die Speisung der 5000 ging. Und er wusste, dass ihnen nichts Menschliches fremd war, als es um die Frage ging, wer der Größte sei.

Nun wissen wir auf Grund einleuchtender Argumentation von Theologinnen und Theologen, dass die Sache mit der apostolischen Sukzession nicht so wörtlich zu nehmen ist und schon gar nicht durch eine Kette von Handauflegungen vonstatten ging, wie das viele Bischöfe heute noch gerne glauben wollen. Da gab es Lücken und kein Bischof kann sich direkt auf einen der Apostel berufen.

Aber trotzdem: wenn ich mir unsere Bischöfe so anschaue, irgendwie muss sich da doch etwas direkt von den Aposteln über welchen Weg auch immer zu ihnen übertragen und fortgesetzt haben. Ich erlebe sie ängstlich, z.B. angesichts einer pluralen, stürmischen Welt, in der das Christentum sich gegenüber anderen Religionen, Weltanschauungen und insbesondere einem zunehmenden Hedonismus bewähren muss. Ich erlebe sie abweisend: Reformforderungen im Ringen um die Zukunft der Kirche werden abgewiesen und - wie bei der Brotvermehrung - möchten sie lieber die Menschen wegschicken, als ihnen etwas zu essen geben: keine verheirateten Priester, keine ordinierten Frauen, keine ökumenische Gastfreundschaft. Da müsste sich Jesus wieder selbst einschalten und für das wenige, das da ist, danken und es segnen, damit viele - auch ohne Ordination - mitwirken, dass für alle genügend da ist. Das durch Purpur und Bischofsmütze "gelöste" Problem, wer der Größte sei, wäre dann auch hinfällig.

Sigrid Grabmeier
Wir sind Kirche Deutschland
www.wir-sind-kirche.de

Zuletzt geändert am 13­.07.2010