22.1.2010 - Bad Tölz

„Nur Kirchenvolk kann Tatsachen schaffen“

Den Gläubigen liegtdie Annäherung der Kirchen am Herzen. Dies ist das Ergebnis einer vom Evangelischen Dekanat und vom Katholischen Kreisbildungswerk veranstalteten Diskussion.

VON RAINER BANNIER

Bad Tölz - Was unterscheidet eigentlich die christlichen Kirchen und macht ihren Zusammenschluss unmöglich? Hat die Ökumene eine Zukunft, und wenn ja, welche? Diesen Themen widmete sich im Vorfeld des Ökumenischen Kirchentags die Podiumsdiskussion. Vertreter von katholischer, evangelischer und orthodoxer Kirche waren dazu ins evangelische Gemeindehaus gekommen. Das Ergebnis: Nicht Jesus Christus, nicht die Heilige Schrift, sondern die unterschiedlichen Formen der Liturgie sowie dogmatische theologische Spitzfindigkeiten erschweren die Ökumene.

Unter der Moderation von Wilhelm Warning, Kulturredakteur beim Bayerischen Rundfunk, sprachen die Kirchenvertreter zunächst über ihre ganz persönlichen Glaubensbiografien. Dekan Ludwig 5cheiel etwa gestand, dass seine Kindheit zwar sehr katholisch geprägt gewesen sei, er aber damals überhaupt nicht in der Bibel gelesen habe. Im Gegensatz au heute, wo sie im Mittelpunkt seines Lebens steht.

Prof. Dr. Athanasios Vletsis bemängelte, dass das Wort der Schrift in der orthodoxen Kirche gegenüber der Liturgie viel zu kurz komme. Selbstkritisch erinnerte Pfarrer Dr. Theo Heckel (Geretsried) an „Redecharakter und Verkopfung“ im evangelischen Gottesdienst. Seine Kollegin Melanie Striebeck (Neuhaus) hat in der konfessionsübergreifenden Krankenseelsorge erlebt, dass „alle Menschen in der Not die gleichen religiösen Bedürfnisse haben“.

Christian Weismer von der Bewegung „Wir sind Kirche“ stellte fest: „Die Ökumene hat sich weit entwickelt. Mit den immer noch bestehenden Unterschieden zwischen den Kirchen kann ich gut leben, seit Versöhnung und gegenseitige Wertschätzung möglich sind nach der Abkehr vom Alleinvertretungsanspruch der Katholischen Kirche beim Zweiten Vatikanischen Konzil.“ Das sah Scheiel ähnlich: Für seine Aussage - „man kann nicht in die verkehrte Kirche gehen“ – erhielt er starken Applaus. Und für Heckel, der die Bibel als „tragfähiges ökumenisches Programm“ bezeichnete, sind „die Unterschiede der Kirchen eher eine Bereicherung.

Ein absoluter „Stolperstein“ bei der Ökumene ist die immer noch strikt untersagte gemeinsame Feier von Eucharistie und Abendmahl. Man räumte übereinstimmend ein, dass sich viele Laien längst darüber hinwegsetzen -und viele Geistliche sie de facto gewähren lassen. Anderen Gläubigen sei es wichtig, ihre eigenen Traditionen hochzuhalten. Dazu ein Pfarrer im Publikum: „Da kann: nur das Kirchenvolk vollendete Tatsachen schaffen. Wenn ich das mache, bin ich meinen Job los.“

Zuhörer aus dem Publikum - der Saat war voll besetzt - merkten an, dass „die Trennlinien längst nicht mehr so sehr zwischen den Konfessionen verlaufen, sondern zwischen jenen, die sich vom Glauben abgewendet haben“, weil die „Kirche der Herren ganz oben“ nicht mehr bei den Menschen sei. Pfarrer Scheiels Zukunftsrezept lautet „Für die Menschen da sein, die eigenen Wurzeln behalten und Zukunft gemeinsam bewältigen.“

Zuletzt geändert am 26­.01.2010