24. Mai 2005 - ZDFheute.de

"Gerechtigkeit kommt in der katholischen Kirche oft zu kurz"

Der geschasste Theologe Gotthold Hasenhüttl zum 96. Katholikentag in Saarbrücken

Es war einer der schönsten Gottesdienste seines Lebens - und sein letzter: Am 29. Mai 2003 reichte Gotthold Hasenhüttl am Rande des Ökumenischen Kirchentages in Berlin auch evangelischen Besuchern die Hostie. Die Katholische Kirche war empört, suspendierte ihn vom Priesteramt und entzog ihm die Lehrlaubnis. Anlässlich des Katholikentages in seiner Heimatstadt Saarbrücken sprach heute.de mit dem Theologen über Ungerechtigkeit in der Katholischen Kirche, sein Teilnahmeverbot am Katholikentag und den Rückschritt der Ökumene.
von Mareike Aden , 24.05.2006

Heute.de: Der Katholikentag 2006 findet in Ihrer Heimatstadt Saarbrücken statt. Bischof Reinhard Marx vom Bistum Trier hat Ihnen die Teilnahme am offiziellen Programm untersagt. Mit welchen Gefühlen sehen Sie dem Ereignis entgegen?

Gotthold Hasenhüttl: Mit sehr gemischten Gefühlen. Persönlich bin ich immer dafür, dass man seinen Glauben feiert und dazu sind Katholikentage eine gute Gelegenheit. Auch das Thema des Katholikentages "Gerechtigkeit vor Gottes Angesicht" ist sehr wichtig. Aber oft kommt die Gerechtigkeit in der Katholischen Kirche zu kurz: Frauen dürfen kein Priesteramt übernehmen, es gibt keine Gewaltenteilung, Bischöfe können willkürlich Macht ausüben und müssen sich nicht vor dem Glaubensvolk rechtfertigen. Obwohl sich in der Katholischen Kirche bereits einiges zum Guten verändert hat, lässt sich eine solche Liste lange fortsetzen.

Heute.de: Bietet der Katholikentag denn nicht eine Chance gerade über diese Ungerechtigkeiten zu diskutieren?

Hasenhüttl: Katholikentage sind immer eine Chance, aber auch in Saarbrücken wird sie nicht genutzt werden. Es wird sicherlich einige Impulse geben, aber insgesamt gibt es viel zu wenig kritische Veranstaltungen. Die für Reformen dringend notwendige Gewissenserforschung innerhalb der Katholischen Kirche wird in Saarbrücken nicht stattfinden. Das macht mich ein bisschen traurig.

Heute.de: Haben Sie im Vorfeld des Katholikentages auf ein Gespräch mit Bischof Marx oder zumindest auf eine Teilnahmeerlaubnis gehofft?

Hasenhüttl: Seit dem Gottesdienst in Berlin behandelt Bischof Marx mich als Staatsfeind Nummer eins und wird dabei von Rom unterstützt. Deshalb habe ich nicht erwartet, dass er Kontakt zu mir aufnimmt oder sich gar auf dem Katholikentag mit mir unterhalten will. Über seine Grundhaltung bin ich natürlich trotzdem enttäuscht. Es tut weh, wenn man nach 45 Jahren als Priester einen solchen Fußtritt bekommt und nicht mehr gesehen werden will. Es wäre eine großartige Sache gewesen, wenn man gesagt hätte: "Stellen Sie Ihren Standpunkt dar und dann reden wird darüber." Die Laienorganisation "Wir sind Kirche" hatte mich ja auch zu einer Diskussionsrunde zur Ökumene eingeladen. Aber da sie zum offiziellen Programm gehört, darf ich nicht teilnehmen. Noch eine vergebene Chance.

Heute.de: Wie steht es denn um die Ökumene?

Hasenhüttl: Sie stagniert und befindet sich eher im Rückschritt. Es gibt noch so viele Hindernisse, die überwunden werden müssen. Damit ein vernünftiger Dialog stattfinden kann, müsste die Katholische Kirche zunächst einmal die Exkommunikation von Martin Luther rückgängig machen und damit die Evangelische Kirche als gleichberechtigt anerkennen. Aber das wird nicht passieren, denn Rom fürchtet einen Machtverlust. Wenn der Papst von einem Dialog spricht, dann meint er, dass alle anderen zur Katholischen Kirche zurückkehren sollen. Zum Glück lässt sich die Ökumene in der Basis nicht unterkriegen. Der Druck von unten muss aber noch größer werden, bevor Rom ihn ernst nehmen wird.

Heute.de: Für das Jahr 2010 ist in München der 2. Ökumenische Kirchentag geplant. Wie sinnvoll ist ein solches Ereignis?

Hasenhüttl: Wenn man beim ersten ökumenischen Kirchentag im Jahr 2003 nicht einmal eine offene Kommunion zugelassen hat, dann soll man weitere ökumenische Kirchentage lieber gleich lassen. So lange sich auf diesem Gebiet nichts verändert, sind ökumenische Kirchentage nichts als Augenwischerei, eine leere Geste.

Heute.de: Glauben Sie, dass Sie jemals wieder einen Gottesdienst leiten dürfen?

Hasenhüttl: Da sehe ich leider schwarz. Damit das passiert, müsste schon jemand wie Michael Gorbatschow Papst werden. Trotzdem habe ich keine Sekunde bereut damals in Berlin alle Gottesdienstbesucher zur Kommunion eingeladen zu haben. Seit meiner Promiz (Anm. der Red.: Amtseinführung) war das der bedeutendste, wichtigste und schönste Gottesdienst überhaupt, wenn auch mein letzter.

Infobox
Professor Gotthold Hasenhüttl


Der Theologe Prof. Gotthold Hasenhüttl wurde am 2. Dezember 1933 in Graz, Österreich geboren.
1953 - 1962 Theologie-Studium an der Päpstlichen Universität Gregoriana, Rom
1959 Empfang der Priesterweihe
1962-1964 Kaplan in St. Lorenzen, Steiermark
1964-1969 Wissenschaftlicher Assistent an der Universität Tübingen u. a. bei Hans Küng
1969 - 1974 Dozent und Professor an der Universität Tübingen
1974 - 2002 Professor an der Universität des Saarlandes
seit 2002 Ruhestand

Infobox
Das umstrittene Abendmahl


Am 29. Mai 2003 feierte Gotthold Hasenhüttl in Berlin einen ökumenischen Gottesdienst mit einem Abendmahl nach katholischem Ritus und mit offener Kommunion. Dabei lud er auch die Protestanten ein, die Hostie zu empfangen. Der Gottesdienst war eine Initiative der Laienorganisation "Wir sind Kirche" und "Kirche von unten" und gehörte nicht zum offiziellen Programm des ersten ökumenischen Kirchentags in Berlin. Am 17. Juli 2003 suspendierte Bischof Reinhard Marx aus Trier Hasenhüttl wegen des ökumenischen Abendmahls vom Priester-amt. Denn dieser weigerte sich öffentlich zu bereuen. Hasenhüttl legte Beschwerde gegen die Suspension ein. Am 3. Juni 2004 allerdings bestätigte der Papst die Suspendierung. Da Hasenhüttl sich weiterhin weigerte zu bereuen und zu versprechen, nie wieder eine offene Kommunion zu feiern, entzog Bischof Marx ihm am 2. Januar 2006 auch die katholische Lehrerlaubnis.

Infobox
Veranstaltung mit Hasenhüttl


Am Rande des Katholikentages nimmt Gotthold Hasenhüttl am Sonnabend, 27. Mai auf Initiative von "Publik Forum" an einer Verstaltung zur "Ökumenischen Gastfreundschaft" teil. Beginn ist um 20 Uhr im Staatstheater Saarbrücken.

http://www.heute.de/ZDFheute/drucken/1,3733,3937178,00.html

Zuletzt geändert am 24­.05.2006