22.3.2010 - Donaukurier

"Die Kirche verliert an Substanz"

Ingolstadt (ms) Ohne Häme, aber durchaus kritisch hat am gestrigen Sonntag der Laienkatholik Alfred Gassner aus Regensburg die Krise der katholischen Kirche analysiert. Seiner Meinung nach gibt es neben den aktuellen Missbrauchsfällen weitere Gründe, warum Gläubige den Gotteshäusern den Rücken kehren.

Ein gutes Dutzend Frauen und Männer folgten am gestrigen Sonntag der Einladung der Diözesangruppe Eichstätt der Initiative "Wir sind Kirche" nach Ingolstadt. Zu Beginn der Veranstaltung im Gasthof Anker erinnerte Walter Hürter daran, dass die Laienbewegung vor 15 Jahren in Österreich aus einem Volksbegehren entstanden sei. Auch in der Diözese Eichstätt sind die kritischen Christen seit Jahren aktiv und suchen das Gespräch mit Geistlichen. So konnte Hürter dem Eichstätter Bischof Gregor Maria Hanke seine Haltung in einem Vieraugengespräch darlegen. Aus Regensburg stammt der Laienkatholik Alfred Gassner, der in einem Referat die Ursachen der Kirchenkrise beleuchtete. Gassner bemängelte besonders die "tiefe Kluft zwischen dem hohen moralischen Anspruch der Klerikalkirche" und der Wirklichkeit, die nun angesichts der Missbrauchsenthüllungen an den Tag kommt. Aber: "Ich verstehe den Ärger mancher Seelsorger, die nun pauschal öffentlich beschuldigt werden." Zugleich warf der Kirchenkritiker den Verantwortlichen vor, den Opferschutz in den Hintergrund und den Täterschutz in den Vordergrund gestellt zu haben.

Bei der Ursachenforschung blickte Alfred Gassner über die aktuellen Skandale hinaus. Die Laienchristen – vor allem die Frauen – würden "ständig als Kulissenschieber benutzt", während die Macht allein in den Händen von Klerikern läge. Die Abwehr von Reformansprüchen in der katholischen Kirche bezeichnete der Regensburger als "unredlich" und "zukunftsblind". Bei Moralfragen wie dem Umgang mit Sexualität oder der Wiederheirat von Geschiedenen, meinte Gassner, lebten viele Menschen ohnehin nach ihrem "eigenen Kursbuch". Gefährlich für die Kirche werde dabei nicht nur die wachsende Zahl von Austritten, sondern auch die demografische Überalterung der Gemeinden. "Die Kirche verliert an Substanz", warnte Alfred Gassner.

Zuletzt geändert am 22­.03.2010