22.4.2010 - Express Köln

DemPapst laufen die Schafeweg

Mehr Kirchen-Austritte– Bischof Mixa zum Rücktritt aufgefordert

Von JÜRGEN DREVES

Rom–Missbrauchsskandale, ein Bischof, der nach Prügelvorwürfen log, ein anderer, der die Judenvernichtung während der NS-Diktatur in Deutschland leugnet, Enttäuschung über den Papst: Immermehr Katholiken haben die Nase von ihrer Kirche voll und kehren ihr den Rücken.

Wie dramatisch die Situation ist, belegen die Austrittszahlen in Köln. Allein im vergangenen Monat beendeten 459 Katholiken ihre Kirchenmitgliedschaft – fast dreimal so vielwie im Februar (159). In Düsseldorf stieg die Zahl der Austritte auf 192, in den beiden Vormonaten waren es nur jeweils 104. In Bonn kehrten im März 272 Mitglieder der Kirche den Rücken (Februar: 123) – allerdings wird hier nicht nach Konfessionen unterschieden. Noch schlimmer sind die Zahlen in anderen Bistümern. Freiburg: 2711 Austritte im März 2010 (März 2009: 1058), im Bistum Würzburg versechsfachte sich die Zahl sogar.

Christian Weisner von der Organisation „Wir sind Kirche“ mit Blick auf die Entwicklung bei den Kirchenaustritten: „Ich kann mich nicht erinnern, dass es schon mal so schlimm war, wie es jetzt ist.“

Statistiker gehen davon aus, dass dieses Jahr insgesamt deutlich mehr Menschen die katholische Kirche verlassen werden als im Jahr 2008. Damals verlor der Papst 121 155 Schäfchen. Gesamtdeutsche Zahlen von 2009 gibt es noch nicht.

Das Problem sitzt tief. Weisner verweist auf eine Allensbach- Studie, nach der sich immerweniger Katholiken mit der Institution Kirche identifizieren können. Menschen, die die Kirche verlassen, haben zuvor die Beziehung zu Glauben und Kirche verloren, so der Münsteraner Religionssoziologe Detlef Pollack.

Weisner sieht die innerkirchliche Aufarbeitung der Probleme kritisch. „Die deutsche Kirche ist finanziell und theologisch für die Weltkirche sehr wichtig, bezahlt bis zu einem Drittel der Vatikankosten. Dass sich der Papst mit keiner Silbe zu den Missbrauchsfällen in Deutschland geäußert hat, ist sehr, sehr schwach“, sagt er.


Die Rufe nach einem Rücktritt von Bischof Mixa, der nach anfänglichem Leugnen zugab, Kinder geschlagen zu haben, werden lauter. Der Kölner Diözesanrat forderte den Augsburger Hardliner auf, die Leitung seiner Diözese niederzulegen. Robert Zollitsch, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, empfiehlt Mixa eine Amtspause.

Kirchenaustritt: Sogeht’s

Wer aus der Kirche austreten will, muss persönlich vor dem Amtsgericht (in einigen Bundesländern auch Standesamt) erscheinen, ein Formular ausfüllen und unterschreiben. Kosten: bis zu 30 Euro (in NRW), in anderen Bundesländern auch kostenlos. Der Austrittmuss werden. Jugendliche ab 14 Jahren brauchen keine Zustimmung der Elternmehr. Beim Finanzamt muss die Religionszugehörigkeit aus der Steuerkarte gestrichen werden, damit die Kirchensteuer nicht mehr einbehalten wird.

Zuletzt geändert am 23­.04.2010