26.4.2010 - ZEIT online

Missbrauchsskandal. Bischöfe üben Krisenmanagement

Die deutschen katholischen Bischöfe haben ihre Leitlinien zum Umgang mit sexuellem Missbrauch überarbeitet. Vielen Gläubigen geht die geplante Neufassung nicht weit genug.

Die katholische Kirche will sexuellem Missbrauch künftig wirksam vorbeugen und die Sicht der Opfer stärker als bisher beachten. Auf der Deutschen Bischofskonferenz in Würzburg hatte der Ständige Rat aller 27 Diözesen darüber beraten, wie die Leitlinien zum Missbrauch mit geistlichen als Tätern neu gefasst werden sollen.

"Wir spüren, dass die Kirche Vertrauen bei den Menschen verloren hat. Wie Vertrauen wieder gewonnen werden kann, wird die deutschen Bischöfe in den nächsten Wochen besonders beschäftigen", hieß es in der Erklärung nach der eintägigen Klausur im Exerzitienhaus Himmelspforten.

In einer ersten Lesung berieten die Bischöfe eine revidierte Fassung der Leitlinien von 2002. Unter anderem präzisiere der Entwurf das Verhältnis der kirchlichen Einrichtungen zu den staatlichen Strafverfolgungsbehörden. Er mache deutlich, dass die Kirche keinen Rechtsraum losgelöst vom staatlichen Recht beanspruche. Die überarbeiteten Leitlinien sollen mit Unterstützung auch externer Experten weiterentwickelt und im Sommer verabschiedet werden.

Wie aus Kirchenkreisen verlautete, ist ein wichtiger Punkt bei den Beratungen, ob die neuen Leitlinien die Pflicht vorsehen sollen, jeden Verdachtsfall sofort der Staatsanwaltschaft anzuzeigen oder nicht. Das deutsche Strafrecht sieht so eine Anzeigepflicht bisher nicht zwingend vor. Die Kirche hat in der Vergangenheit mit Blick auf den Täter- und den Opferschutz bei Anzeigen zurückhaltend gehandelt. Kritiker sprechen von Vertuschen und Verheimlichen. Zudem werde diskutiert, dass die Leitlinien sich künftig nicht nur auf Priester beziehen sollen, sondern auch auf andere pädagogische Mitarbeiter.

Die kirchenkritische Reformbewegung "Wir sind Kirche" fordert eine "deutliche Verschärfung" der Vorschriften. "Die bisherigen Leitlinien sind gut gemeint, sie reichen aber nicht", sagte Magnus Lux vom Bundesteam. Die Kirche müsse sich der Justiz unterwerfen und solle auch nicht vorermitteln dürfen. "Selbst bei reinen Verdachtsfällen muss sofort die Staatsanwaltschaft eingeschaltet werden", verlangte Lux.

Seit Januar ist die Kirche von einem Missbrauchsskandal erfasst. Die bekanntgewordenen Fälle liegen oft Jahrzehnte zurück. Seither gibt es viele Kirchenaustritte in den 27 Bistümern. Die Zahl der Kirchenaussteiger hat sich im März und April in einigen Kirchenbezirken verdoppelt oder sogar verdreifacht.

Die kirchliche Jugend-, Schul- und Elternarbeit verbessert laut Bischofskonferenz die Prävention, über die sich die Bischöfe in Würzburg informierten. Der Beauftragte für Fragen des sexuellen Missbrauchs, der Trierer Bischof Stephan Ackermann, schilderte geplante Schritte zur Verbesserung der Aufklärung von gegenwärtigen und zurückliegenden Fällen. Zudem präsentierte er die bisherigen Erfahrungen mit der oft überlasteten Telefon-Hotline. Bereits nach drei Wochen waren mehr als 17.000 Telefonanrufe gezählt worden. Die Zahl der Erstberatungsgespräche liegt inzwischen bei über 1200.

Der Ständige Rat – er ist das höchste Gremium der Bischofskonferenz zwischen deren Vollversammlungen – dankte allen, "die in den letzten Wochen zu einer Klärung der Taten beigetragen haben, die vielen Kindern und Jugendlichen vor teils schon sehr langer Zeit großes Leid zugefügt haben". Engagiert arbeite die Kirche am Berliner Runden Tisch zum Thema Missbrauch mit: "Er gibt die Gelegenheit, die gesamtgesellschaftliche Dimension des Problems zu diskutieren und zu Absprachen und gemeinsamen Selbstverpflichtungen der Teilnehmer zu gelangen."

Zuletzt geändert am 27­.04.2010