11.6.2010 - Frankfurter Rundschau

Papst bittet Opfer um Vergebung

Im Namen der Kirche bittet Papst Benedikt XVI. um Vergebung für die "Misshandlung der Kleinen". Er werde alles tun, um künftig Kinder vor sexueller Nötigung durch Priester zu schützen. Zugleich verteidigt er aber das Amt.

Von Kordula Doerfler

Rom. Die Sonne knallte auf den Petersplatz, als sich dort Freitagvormittag mehr als 10000 weiß gewandete Priester aus aller Welt versammelten. Gemeinsam mit dem Papst feierten sie in einer Messe das Ende des Priesterjahres, und Benedikt XVI. nutzte die Gelegenheit, um die Opfer von sexuellem Missbrauch um Vergebung zu bitten - in der bisher umfassendsten Form.

Gerade im "Jahr der Freude über das Sakrament des Priestertums" seien Sünden von Priestern bekanntgeworden, "vor allem der Missbrauch der Kleinen", mit dem der Auftrag von Priestern ins Gegenteil verkehrt worden sei. "Auch wir bitten Gott und die betroffenen Menschen inständig um Vergebung und versprechen zugleich, dass wir alles tun wollen, um solchen Missbrauch nicht wieder vorkommen zu lassen", sagte Benedikt.

Zugleich versprach er, dass die Kirche künftig strenger bei der Priesterauswahl und bei deren Ausbildung vorgehen werde. "Wir werden tun, was wir können, um die Echtheit ihrer Berufung zu prüfen, und uns bemühen, die Priester auf ihrer Reise zu begleiten." Es sei "kein Zeichen von Liebe", wenn das unwürdige Verhalten von Priestern geduldet werde, sagte er, nahm aber die Priester auch in Schutz. Das Priestertum sei nicht einfach ein Amt, sondern ein Sakrament. Mit dem Priester bediene sich Gott "eines armseligen Menschen", um durch ihn seine Liebe in dieser Welt praktisch werden zu lassen.

Mit der Messe beendete der Papst das Priesterjahr, das er am 19. Juni 2009 ausgerufen hatte. Schon in den Generalaudienzen der vergangenen Wochen hatte er sich ausführlich mit dem Priesteramt beschäftigt. Die aus aller Welt angereisten Priester hatten sich am Donnerstagabend schon einmal auf dem Petersplatz versammelt, um später eine Nachtwache zu halten, und 20 Seelsorger berichteten dem Papst von ihren Alltagssorgen, beispielsweise in einem Land wie dem vom Bürgerkrieg versehrten Burundi. Benedikt verteidigte dabei erneut den Zölibat, dessen Aufhebung nicht nur in Deutschland gefordert worden war.

Die Gesellschaft betrachte das Eheverbot für Priester heute als "großen Skandal", so der Papst, doch sei es das beste Gegenmittel gegen andere Skandale, die durch menschliche Unzulänglichkeiten verursacht worden seien.

Er war in den vergangenen Wochen heftig in die Kritik geraten, weil er sich nach Ansicht vieler Gläubigen nicht eindeutig genug zu den immer neuen Fällen von sexuellem Missbrauch geäußert hatte, die die Institution Kirche in ihre größte Vertrauenskrise der jüngeren Geschichte gestürzt hat. Zwar hatte der Papst die Verfehlungen von Priestern mehrfach als Schande verurteilt und seine Scham und Abscheu zum Ausdruck gebracht, sie aber immer nur als Verfehlung Einzelner bezeichnet.

Die katholische Reformbewegung "Wir sind Kirche" kritisierte die Erklärung Benedikts. "Die Bitte um Vergebung ist überfällig, aber sie reicht bei weitem nicht aus", sagte Sigrid Grabmeier von "Wir sind Kirche" der Leipziger Volkszeitung. Es werde weiter nur an den Symptomen herumgedoktert, statt die überkommenen Strukturen zu hinterfragen.

Auch Peter Isely von der US-Opfervereinigung Snap äußerte sich enttäuscht. Der Papst hätte klarmachen sollen, dass Priester, die sich des Missbrauchs schuldig machten, sofort aus dem Priestertum entfernt würden. (mit rtr)

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Zuletzt geändert am 11­.06.2010