6.8.2010 - Süddeutsche Zeitung

Gemischte Gefühle in den Pfarreien

Befürworter der Strukturreform des Erzbistums im Landkreis heben die Chancen hervor, die Kritiker dagegen die Gefahren

Von Walter Gierlich

Dachau – Pfarrverbände sind für die Katholiken im Landkreis Dachau nichts Neues. Der Pfarrverband Erdweg besteht sogar schon seit 40 Jahren. Doch mit der Strukturreform, die Erzbischof Reinhard Marx vor zwei Wochen in Kraft gesetzt hat, verlieren bald alle Pfarreien im Landkreis ihre Eigenständigkeit. Es wird in den beiden Dekanaten Dachau und Indersdorf in Zukunft zehn Pfarrverbände geben. Dazu kommt der Pfarrverband Karlsfeld, der zum Dekanat München-Feldmoching gehört. Grund für die Schaffung größerer Seelsorgeeinheiten im Erzbistum München und Freising ist der Priestermangel.

Vor zwei Jahren hat der Erzbischof den Reformprozess gestartet. In dessen Verlauf sei viel diskutiert worden und viele Ergebnisse seien auch in das jetzt vorliegende Papier mit dem Titel „Dem Glauben Zukunft geben“ eingeflossen, glaubt Pastoralreferent Michael Raz. Er verlässt jetzt nach 13 Jahren die Dachauer Pfarrei Heilig Kreuz, die in Zukunft mit Sankt Peter einen Pfarrverband bilden wird. Er sieht durch die Zusammenlegung durchaus auch Chancen, schränkt aber ein: „Was nicht verloren gehen darf, sind einzelne Gruppierungen, beispielsweise der Seniorenkreis in Heilig Kreuz oder die Jugend in Sankt Peter: „So etwas muss zusammenwachsen, es darf nicht zusammengepresst werden.“

Wesentlich kritischer sieht das Christian Weisner, der in Dachau lebende Sprecher der Kirchenvolksbewegung „Wir sind Kirche“. Nach seiner Ansicht wird die Kirche durch die Strukturreform, die er als „epochalen Umbruch“ bezeichnet, die Nähe zu den Gläubigen verlieren. Die Stadt Dachau, in der es in Zukunft zwei Pfarrverbände geben wird, sei verglichen mit anderen Regionen „eine Insel der Seligen“.

Dass der Prozess bisher so geräuschlos abgelaufen ist, liegt für Weisner daran, „dass er scheibchenweise durchgezogen wird“. Weisner sieht Parallelen zu seinem Beruf als Stadtplaner. Trotz aller öffentlichen Auslegungen rühre sich in der Planungsphase großer Bauvorhaben kaum jemand: „Die Leute kapieren es erst, wenn der Bagger anfängt.“ Als Kardinalfehler der Reform sieht der kritische Katholik, „dass alles auf den Priester zentriert ist“ und Laien keine Gemeinden mehr leiten könnten.
Pastoralreferent Raz sagt dazu lediglich, „der Erzbischof gibt nun mal die Leitlinien vor“.

Michael Bartmann, der den vor zwei Jahren geschaffenen Pfarrverband Röhrmoos-Hebertshausen leitet, sieht darin kein Problem: „Bei uns werden hauptamtliche und ehrenamtlich Laien eingebunden, wir gehen wertschätzend miteinander um.“ Das sei auch für die Gläubigen wichtig: „Die Leute merken, dass Verantwortung delegiert wird.“ Auch die Zusammenlegungen vorher eigenständiger Pfarreien bereitet Bartmann kein Kopfzerbrechen: „Ich habe gute Erfahrungen mit diesem Gebilde gemacht.“ Es sei „eine Chance, dass die Menschen über den Zaun blicken“.

Ganz ähnlich sieht das der Dachauer Dekan und Pfarrer von Sankt Jakob, Wolfgang Borm. Größere Einheiten böten Chancen durch die Bildung größerer Teams, in die Laien „ganz notwendig eingebunden“ werden müssten. Im Konzept des Bischofs sei aber nun mal nicht vorgesehen, dass Laien Pfarrverbände leiten, das sei nur Priestern anvertraut, sagt Borm. Er rät aber insgesamt zu Gelassenheit: „Wir sollten es erstmal anlaufen lassen und schauen, wie es sich bewährt.“

Zuletzt geändert am 06­.08.2010