23.10.2010 – Recklinghäuser Zeitung

„Christenverfolgung durch den eigenen Klerus“

Auftakt der dreitätigen Bundesversammlung der katholischen Reformbewegung „Wir sind Kirche“

VON JOHANNES NITSCHMANN

ESSEN. Die katholische Kirchenreformbewegung „Wir sind Kirche" hat erstmals konkrete Bedingungen für einen Dialog mit den deutschen Bischöfen gestellt.

Eine Debatte über die Zukunft der Kirche müsse von den Oberhirten „ohne Denkverbote" und „auf Augenhöhe mit den Laien" geführt werden, verlangte der Sprecher der „Kirchenvolksbewegung", Christian Weisner, in Essen. Zum Auftakt der dreitägigen Bundesvollversammlung der Initiative „Wir sind Kirche" äußerte Weisner die Erwartung, dass in dem offenen Dialog mit der Bischofskonferenz auch über „Reizthemen" wie die Aufhebung des Pflichtzölibats und die Einführung der Priesterweihe für Frauen gesprochen werde. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch (Freiburg), hatte nach deren jüngster Herbstvollversammlung einen offenen Dialog über die Zukunft der Kirche angekündigt.

Während ihres 15-jährigen Bestehens habe die Kirchenvolksbewegung zwar „kirchenrechtlich nichts ändern" können, aber die innerkirchliche Diskussion über die Überwindung „der Kluft zwischen Klerus und Laien" in Gang gesetzt und enorm belebt, bilanzierte Weisner. Die „Kirchenvolksbewegung - Wirsind Kirehe" ist aus einem „Kirchenvolksbegehren" hervorgegangen, das 1995 bundesweit 1,8 Millionen Katholiken unterschrieben hatten. Dieses Volksbegehren zielt auf mehr Mitbestimmung in der katholischen Kirche, die Gleichberechtigung der Frau, die Freistellung des Zölibats sowie eine positive Bewertung der Sexualität durch die Amtskirche ab.

Die am Freitag eröffnete 28. Bundesversammlung der katholischen Basisbewegung steht unter dem Motto: „Die Stunde des Gottesvolkes - Wege aus der Sackgasse angesichts von Priestermangel, Pfarreienfusionen und Gemeindesterben". Die Bischöfe müssten endlich erkennen, dass Klerus und Laien einheitlich „das Volk Gottes" seien, erklärte Magnus Lux, der dem Bundesteam von „Wir sind Kirche" angehört. Der Papst und die Pfarrer seien „kein Selbstzweck", sondern sie hätten für alle Gläubigen „Dienstleistungsfunktionen". Lux erklärte, die Reformbewegung arbeite auf „eine dienende Kirche" hin und fuhr wörtlich fort: „Wir brauchen keine reiche und herrschende Kirche, sondern eine arme und dienende Kirche, Eine Kirche, die nicht dient, die dient zu nichts."

Massive Kritik äußerten die Vertreter der „Kirchenvolksbewegung" an dem Essener Bischof Franz -Josef Overbeck, weil in dessen Ruhrbistum 96 der insgesamt 368 Kirchengebäude geschlossen und „zwangsweise die Fusion von Pfarreien" durchgesetzt worden sei. Die Vorsitzende der Bürgeraktion „Rettet Bochumer Kirchen", Christel Darmstadt, berichtete, zwischenzeitlich habe eine Pfarrgemeinde beim Verwaltungsgericht Gelsenkirchen sogar eine Klage gegen ihre Kirchenleitung eingereicht, um die örtliche Kirchenschließung rückgängig zu machen. Nach dem Aufgeben der Gotteshäuser werde den Gläubigen der Zugang zu den geschlossenen Kirchengebäuden von der Bistumsleitung strikt verwehrt. „Mancher empfindet hier eine Christenverfolgung durch den eigenen Klerus", erklärte Darmstadt.

Zuletzt geändert am 28­.10.2010